ADB:Ferdinand Maria

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Artikel „Ferdinand Maria, Kurfürst von Baiern“ von Edmund von Oefele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 677–679, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ferdinand_Maria&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 06:39 Uhr UTC)
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Ferdinand Maria, Kurfürst von Baiern, geb. 31. Oct. 1636 zu München als ältester Sohn des Kurfürsten Maximilian aus dessen zweiter Ehe mit Maria Anna, Kaiser Ferdinands II. Tochter, † 26. Mai 1679 zu Schleißheim. Als er die Jugendbildung von Jesuiten, den Unterricht in den Staatswissenschaften durch höhere Beamte erhalten, ließ ihm der Vater von den Landständen huldigen und wählte für ihn eine Lebensgefährtin, Henriette Adelheid, die erst 14jährige Tochter des Herzogs Victor Amadeus von Savoyen, deren Vermählung durch Procuration am 11. December 1650 zu Turin stattfand. Nach dem bald erfolgten Tode Maximilians stand F. M. etwas über drei Jahre unter Vormundschaft seiner Mutter, die zugleich Regentin des Territoriums war, während sein väterlicher Oheim, Herzog Albrecht, als „Landesadministrator“ das Kurfürstenthum vertrat, und unter beiden noch eine Anzahl von Vormundschafts- und Administrationsräthen fungirte. Ueberdies hatte Max seinem Sohne eine Schrift hinterlassen, welche ihm in der Form väterlicher Ermahnungen hauptsächlich seine Pflichten gegen den Himmel, sich selbst und seine Untergebenen vorzeichnete. Versäumt aber ward es, ihm während der Vormundschaftsjahre Weltkenntniß durch eigene Anschauung zu verschaffen. Machte er doch erst im J. 1667 eine Reise außerhalb Baierns, die einzige, wie es scheint, und auch diese ging nur bis Rom! So erklärt sich einigermaßen, wie der von Natur höchst schüchterne Fürst kaum je in wichtigen Staatsangelegenheiten zu freiem Entschlusse kam, wie den großjährig Gewordenen, der bei einer zweiten Landeshuldigung (1655) ganz im väterlichen Geiste zu regieren versprach, bald die Mutter, eine energische, sittenstrenge Frau, bald die (am 25. Juni 1652 persönlich angetraute) Gemahlin, lebhaft und hochstrebend, prunkliebend und frömmelnd, von einer Schaar Piemontesen, die ihr aus der Heimath gefolgt), berathen, endlich Hof- und Staatsbeamte, welche jeweils die Leitung der Geschäfte in ihrer Hand zu vereinigen wußten, beeinflussen und lenken konnten. Seiner Regierung fiel als erste Aufgabe zu, die Wunden zu heilen, welche der 30jährige Krieg dem Lande geschlagen: was jedoch hier geschah, pflegt etwas überschätzt zu werden. Die Normen zur Hebung von Religion und Sitte waren zum Theile engherziger Art; Unterstützung des Bauernstandes durch Ermäßigung der Hofanlagen, Errichtung einer Ackerbauschule zu Schleißheim, Vertheilung der ausgemusterten Reiterpferde halfen der Landwirthschaft allmählich wieder empor, rascheren Aufschwung vermochten Handel und Industrie zu nehmen, besonders in Folge eines Zollvertrages mit Oesterreich (1658). Die Rechtssicherheit wurde in der Oberpfalz gebessert durch Ertheilung eines bürgerlichen Gesetzbuches (1657), im allgemeinen durch ein Mandat über Immatriculirung der adelichen Fideicommisse (1672); die Wehrfähigkeit des Landes ward erhöht durch Verstärkung der Festungen Ingolstadt und Braunau sowie durch Reorganisirung der Milizen (Landfahnen); das Staatsgebiet erweitert durch Ankauf der Ganerbschaft Rottenberg (1661). Am meisten aber ward für die [678] Kirche gethan. Ein Karmeliten- und ein Theatinerkloster zu München (1654, 1662), ein Salesianerinnenkloster daselbst (1662) und ein Ursulinerinnenkloster zu Landshut (1668) wurden gegründet, auch ließ sich F. M. (1669) die Wiederherstellung jener (im J. 1556 säcularisirten) oberpfälzischen Klöster abnöthigen, von deren Einkünften er bisher mit päpstlicher Bewilligung zwei Dritttheile bezogen hatte. Allerdings kam dann auf Beschwerde eines Theiles der Stände unter hauptsächlicher Mitwirkung des Vicekanzlers v. Schmid ein Amortisationsgesetz zu Stande (1672), welches für Religiosen einen Erwerb durch letztwillige Verfügung auf 2000 Gulden beschränkte, aber der Kurfürst genehmigte es erst, nachdem er die Billigung des Beichtvaters seiner Gemahlin eingeholt – und es sollte nicht allzustrenge gehandhabt werden. Hinwiederum ganz nach den väterlichen Grundsätzen handelte F. M., wenn er der Oberpfalz die Herstellung ihrer landständischen Verfassung abschlug (1655) und wenn er, um sich die Controle des Staatshaushaltes seitens der altbaierischen Stände erträglicher zu machen, diese vielköpfige Vertretung des Volkes auf einen kleinen permanenten Ausschuß, mit dem sich leichter verhandeln ließ, zurückführte (1669). In der Liebe zu Pracht und Genüssen fürstlichen Lebens folgte F. M. seiner Gemahlin († 18. März 1676). Auf Vergrößerung und Schmuck seiner Residenz, auf Theater und Musik, Bücher, Gemälde und Antikensammlung wandte er beträchtliche Summen. Berg ward als Lustschloß erbaut, der Würmsee trug eine Nachbildung des Dogenschiffes, das F. M. zu Venedig gesehen, auf dem Grundbesitze, den er seiner Gemahlin geschenkt, als sie den Kurprinzen Max Emanuel geboren, entstand das reizende Nymphenburg (1663).

Doch was Ferdinand Maria’s Andenken zu einem gesegneten im Lande gemacht hat, das ist der völlige Friede, der hier unter seiner langen Regierung herrschte. Ein Friede indessen um schweren, vielleicht zu schweren Preis! Frankreich nahte sich zweimal als Versucher – das erste Mal, um diesen Frieden zu stören, das andere Mal unter dem Vorwande, ihn zu erhalten. Nach Kaiser Ferdinands III. Tode suchte dasselbe die Kaiserkrone dem Hause Habsburg zu entwinden, und als es nicht gelang, sie auf das Haupt Ludwigs XIV. zu setzen, strebte es die Wahl Ferdinand Maria’s an. Schon hatte Mazarin, sich eines italienischen Sängers als Unterhändlers bedienend, die Kurfürstin für das glänzende Project einzunehmen gewußt, dem Zureden der von Frankreich gewonnenen Höfe Köln und Mainz ward nur mehr der allzugeringe Umfang der Hausmacht und die finanzielle Erschöpfung des Landes entgegengehalten: da trat der französische Gesandte, Herzog von Grammont, mit dem Erbieten hervor, Frankreich wolle dem Kurfürsten das zur Bestreitung des kaiserlichen Hofstaates Nöthige zahlen, bis er sich österreichischer Gebietstheile, welche gleichen Ertrag abwürfen, bemächtigt hätte. Hieran ist alles gescheitert. Mag nun aber auch, wie man gerne annimmt, jene Zumuthung den jugendlichen Fürsten empört haben: daß er sich zur bestimmten Ablehnung der Throncandidatur entschloß, an König Leopold ein befriedigendes Handschreiben richtete (4. Januar 1658) und demselben dann seine Wahlstimme gab, ist denn doch wol ohne Zweifel das Werk seiner Mutter, der Habsburgerin, und des ihr ergebenen Oberstlandhofmeisters Grafen von Kurz gewesen. Erst als diese beiden dahingegangen waren (1665, 1662), gelang es der französischen Politik, F. M. von Oesterreich zu trennen. Die Räthe, denen er jetzt vertraute, der Landgraf Hermann Egon von Fürstenberg und der Vicecanzler Kaspar v. Schmid, ließen sich gewinnen. Sie haben dann zu Anfang des J. 1673 den Kurfürsten vermocht, gegen bedeutende von Frankreich versprochene Summen einen Verein deutscher Fürsten zu stiften, der sich auf Grund des westfälischen Friedens Durchmärschen und Quartieren der mit Holland verbündeten Heere, wenn nöthig mit Waffengewalt, widersetzen und deshalb bestimmte [679] Rüstungen unternehmen sollte; ein Bund, welchem Würtemberg und Pfalzneuburg beitraten und der im J. 1678 noch weiter ausgedehnt werden wollte. Man darf aber diese „Neutralitäts“-Politik Ferdinand Maria’s nicht zu strenge beurtheilen. Freilich ist sie dem Reiche in dem Maße schädlich geworden, als sie dem Angriffe Ludwigs XIV. auf den burgundischen Kreis Vorschub geleistet hat. Andererseits jedoch war ein Reichskrieg keineswegs erklärt, Baierns Interesse durch den Krieg Frankreichs gegen Holland und Spanien zunächst nicht bedroht, und hätte die Betheiligung am Kampfe, welche Oesterreich später wünschte, dem kaum erholten Lande neue Opfer verursacht; hingegen finanzieller Gewinn, wie man ja auch gemeint hat, ist durch die Subsidienverträge mit Frankreich weder bezweckt noch erlangt worden. Schwerer fällt ins Gewicht, daß F. M. sich auch mit Schweden verband und diesem gegen Brandenburg Hülfe zu leisten versprach (9. März 1675). Aber hier wie damals, als er dem Kurfürsten von Köln gegen die Holländer beistand (1672–1674), hat Frankreich seine verwandtschaftlichen Neigungen auszubeuten gewußt. Denn nur wenn Familienrücksicht es zu erheischen oder die Religion bedroht schien, setzte F. M. gerne seine Soldaten wirklich daran: so 1655 gegen die Waldenser im Thale von Pignerolo, 1661–1664 gegen die Türken in Ungarn, 1669 gegen dieselben auf Candia und 1672 seinem savoyischen Schwager zu Hülfe gegen Genua.

Lipowsky, Des Ferdinand Maria, in Baiern Herzogs und Kurfürstens Lebens- und Regierungsgeschichte. München 1831. – Claretta, Adelaide di Savoia duchessa di Baviera e i suoi tempi. Torino 1877.