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Reinhardtsgrimma,


im gemeinen Leben oft schlechthin Grimme, in einigen alten Schriften auch Reinersdorf genannt, liegt 4 Stunden südwestlich von Pirna, 3 Stunden südlich von Dresden, 1¼ Stunde östlich von Dippoldiswalde, 1 Stunde nördlich von Glashütte, 1¾ Stunde nordwestlich von Liebstadt, an der Strasse von Dippoldiswalde nach Pirna, in einer Art von Thalkessel, welcher sich aber von Südwest nach Nordost verlängert und vom Dorfe ziemlich genau ausgefüllt wird.

Diesen Kessel bildet das Grimmaische Wasser, welches an das Dorf sowohl, als davon hinweg fliesst. Das Grimmaische Wasser oder besser der Reinhardtsgrimmer Bach bildet sich bei der Schlossmühle von Reinhardtsgrimma aus dem Zusammenfluss zweier Bäche, deren einer in Südsüdost, östlich vom Lucher Spitzberg, der andere in Südwest von hier am Gehänge des Kohlberges entspringt. Letzterer bewässert Niederfraundorf und hat weniger Zufluss als der erste.

Beide Hauptquellen liegen ¾ Stunde von hier, in einer Meereshöhe von etwa 1200 Pariser Fuss. Von Reinhardtsgrimma aus fliesst der Bach in zwei grossen Bogen in das tiefe Thal hinab, welchen links der Hermsdorfer Berg mit seinen verschiedenen Stufen und Vorgebirgen rechts die Höhen von Hausdorf und Maxen bilden. Er empfängt dabei links, den nicht unbedeutenden Hirschbach und bei der Teufelsmühle den bei Hermsdorf entspringenden, am Fusse des dortigen Gebirges hinfliessenden Bach; rechts das Hausdorfer Wasser. Das oben besagte Thal gehört ohne Zweifel zu den reizendsten der Gegend. Dort, wo es weniger tief ist, erreicht das Wasser unter dem Spitzberg das Dorf Lungwitz und durchfliesst es, nebst dem untersten Theile von Kreischa, in einem herrlichen Thale, in welchem seine Richtung nordwestlich ist, wo es rechts vom Wittchensdorfer, links vom Quorner Bache verstärkt wird. Gegen Nordnordost sich wendend, kommt es unter Kautzsch in das romantische Thal des Lockwitzer Grundes. Später erreicht es oberhalb Laubegast die Elbe. Südlich von Reinhardtsgrimma erhebt das Land sich sanft zur Höhe von Fraundorf, und zeigt mehr sanfte Schluchten, als tiefe Thäler; nördlich wird es dagegen, je weiter vom Ort desto coupirter, und enthält unter Hirschbach und Hausdorf und bei Schlottewitz die tiefsten und schönsten Thäler der hiesigen Gegend.

Südöstlich reint Reinhardtsgrimma mit Cunnersdorf, nordwestlich mit Hirschbach, westlich mit Reinholdshain.

Das jetzige Rittergut Reinhardtsgrimma gehörte im 11. Jahrhundert mit seinem Gütercomplex zur Bergfeste Grimmstein, die dem Ritter Grimmer oder Grimme ihre Entstehung verdankt und später ein Raubschloss wurde. Dieses Schloss war ¼ Stunde von Reinhardtsgrimma östlich im Walde auf hohen Felsen erbaut, wovon noch heute die Spuren zu finden sind. Das Unwesen, welches von hier aus durch Raub und Wegelagerung verübt wurde, erregte den Unwillen der in der Nähe wohnenden edlen Ritter von Bernstein. Sie beschlossen die Einnahme der alten Bergfeste und führten ihren Entschluss auch aus. Die Burg Grimmstein wurde zerstört, und zur Belohnung erhielten diese Herren die ganze Besitzung. Nun baute Reinhardt von Bernstein, nach Andern wahrscheinlich Reinhardt von Karras eine neue Veste auf der Stelle, wo jetzt das Schloss von Reinhardtsgrimma steht, welches wir in der Abbildung finden, und nannte solches nach seinem Namen und seinem Ursprunge Reinhardtsgrimma.

Diese tapfern edlen Ritter von Bernstein waren im Besitze von Reinhardtsgrimma bis zum 14. Jahrhundert, wo solches an die Herren von Karras kam, von welchen es wieder ein Heinrich von Bernstein acquirirte. Dann war beliehener Besitzer von Reinhardtsgrimma Friedrich von Mangold, welcher es im 16. Jahrhundert der Familie von Schönberg überliess. Hans Heinrich von Schönberg besass das Gut zuletzt und starb 1617. Nach dessen Tode übernahm dessen Wittwe die Besitzung, von welcher solche an die Herren von Osterhausen überging. Doch blieb Reinhardtsgrimma nicht lange bei dieser Familie; denn 1628 war Erb-, Lehn- und Gerichtsherr hier Nicolas Joachim von Loss auf Pillnitz, Reichspfennigmeister und Geheimrath, dessen Tochter einen Herrn von Tettau heirathete. Nicolas Joachim von Loss verkaufte aber alsbald Reinhardtsgrimma an Rudolph von Bünau auf Tetschen, welcher 1635 in Reinhardtsgrimma verstarb und das Gut seiner Wittwe hinterliess, welche solches am 31. August 1636 an Christoph Friedrich von Tettau, dem Schwiegersohne des Herrn von Loss, verkaufte. Des letztern Sohn, gleichen Namens, welcher das Gut 1659 besass, erheirathete auch Lauterbach bei Oelsnitz im Voigtlande. Nach seinem Tode übernahmen dessen Stiefbrüder Heinrich Hildebrand und Otto Wilhelm von Tettau das Gut Reinhardtsgrimma, von welchen es wieder an die Mutter derselben, Eleonore Christiane von Tettau, kam. Nach deren Tode übernahmen deren Töchter, Agnes Catharina verehelichte von Venediger, und Christiane Elisabeth von Tettau die Verlassenschaft ihrer Mutter, welche es ihrem Ehemann und resp. Schwager, dem Hans Heinrich von Venediger überliessen.

Die Tochter des Letztern, die verehel. Elisabeth Juliane Reichbrodt von Schrenkendorf, wurde seine Erbin und erhielt auch Reinhardtsgrimma, von welcher es wieder an deren Mutter, an Agnes Catharine von Venediger geb. von Tettau, überging. Nach deren Ableben wurde der Bruder derselben, Otto Wilhelm von Tettau, mit Reinhardtsgrimma beliehen, der es seinen Söhnen, Christoph Friedrich von Tettau und Consorten, hinterliess.

Nach den Herren von Tettau kam das Gut an den Kommerzienrath Lippold, welcher den Oberhof eingehen liess und 1767 das schöne Schloss anlegte. Dieser Herr Lippold hinterliess die Besitzung seinen Söhnen, Johann Gottfried Lippold und Consorten. Dann folgte als beliehener Besitzer Hennig von Rumohr, der wieder an den Geheimen Kriegsrath Carl Victor August von Broizem sein Besitzthum abtrat.

Im Jahre 1800 kaufte das Gut der dänische Gesandte von Bülow, der es seiner Tochter, Johanne Joachime Charlotte verehel. von Racknitz wieder abtrat, von welcher es in die Hände deren Schwester, der Friederike Juliane Christiane Freiin von Bülow gelangte, welche sich mit einem gewissen Herrn Georg Conrad Ruschenbusch aus dem Hannöverschen verheirathete, wodurch Letzterer der Besitzer von Reinhardtsgrimma wurde. Der jetzige Besitzer ist ein Sohn erster Ehe von der geb. von Bülow, welches wir deshalb bemerken zu müssen glauben, da der vorerwähnte Georg Conrad Ruschenbusch, der Vater, nach dem Tode seiner Ehegattin, der geb. von Bülow, anderweit mit Marianne Schubert aus dem Pfarrhause Collmen, und zum dritten Male mit

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/245&oldid=- (Version vom 17.1.2018)