ADB:Blaspiel, Werner Wilhelm Freiherr von

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Artikel „Blaspeil, Werner Wilhelm“ von Bernhard Erdmannsdörffer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 696–698, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Blaspiel,_Werner_Wilhelm_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:41 Uhr UTC)
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Blaspeil, auch Blaspiel: Werner Wilhelm B., brandenburgischer Staatsmann, gest. 1681. Sohn des Lucas B., begann er seine Laufbahn in den Verwaltungsämtern der clevischen Lande, bald nach dem Regierungsantritt des großen Kurfürsten scheint er in dieselbe eingetreten zu sein, 1649 bereits begegnen wir ihm als clevischem Regierungsrath und Gesandten im Haag. Die besonderen Verhältnisse jener niederrheinisch-brandenburgischen Provinzen, die hochentwickelte Autonomie ihrer Städte und ihres angesehenen Adels, ihre Lage in einem der Brennpunkte der europäischen Politik, ihre nahen Beziehungen zu den benachbarten Niederlanden ließen hier im siebzehnten Jahrhundert eine eigenthümliche Schule von Staatsmännern entstehen, als ein Theil der so geschulten Kräfte sich eng an das brandenburgische Landesfürstenthum und seine Bestrebungen anschloß. Innere und äußere Politik verschlingen sich hier enger als anderwärts; die meisten höheren Regierungsbeamten kennen auch den diplomatischen Dienst; die großen Beziehungen der allgemeinen, besonders der westeuropäischen Politik sind ihnen geläufig, es ist etwas von dem Geiste der niederländischen politischen Schule in ihnen. Zu dieser Schule niederrheinisch-brandenburgischer Staatsmänner (als deren bedeutendsten Vertreter in dieser Zeit man den clevischen Kanzler Daniel Weiman bezeichnen kann) gehört auch B. Sein politisches Wirken liegt durchaus einerseits in den inneren clevischen Angelegenheiten, anderseits und vorzüglich in der Sphäre der großen westeuropäischen politischen Fragen, von denen Brandenburg durch seine Besitzungen am Niederrhein jetzt besonders berührt wurde. Keine dieser Fragen war jetziger Zeit wichtiger, als die der Abwehr des gegen die Niederlande und die Rheinmündungen herandrängenden französischen Uebergewichts, und in der Behandlung der hieraus sich ergebenden politischen Actionen ist B. einer der thätigsten und geschicktesten Helfer des großen Kurfürsten gewesen. Vom Jahr 1661 an, wo der clevische Kanzler und Gesandte in den Niederlanden, Daniel Weiman, starb, stand B., der als ständiger Vertreter des Kurfürsten im Haag sein Nachfolger wurde, im [697] Mittelpunkt aller der politischen Geschäfte, welche die brandenburgische Politik nach dieser Seite hin zu führen hatte. Lange Jahre hindurch hat er, unterstützt von den beiden in zweiter Reihe neben ihm stehenden Agenten, Matthias Romswinkel und Johann Copes, an der Regulierung der sogenannten Hoefyser’schen Schuld gearbeitet, die 1616 brandenburgischer Seits in den Niederlanden contrahirt worden war, seitdem mit wucherhaften Zinsen und Zinseszinsen eine unerschwingliche Höhe erreicht hatte und über ein halbes Jahrhundert lang in allen Beziehungen der beiden Staaten zu einander eine unerfreuliche, gegenseitig erbitternde und, besonders vermöge der oft sehr zweideutigen politischen Ausbeutung des Zahlungsverzugs von Seiten der Holländer, sehr peinliche Rolle spielte. Erst im J. 1678 erfolgte die endgültige Erledigung dieses langwierigen Geschäftes. Ebenso hatte B. wesentlichen Antheil an dem Zustandekommen des wichtigen „Erbvergleichs“ von Cleve, welcher den ebenfalls ein halbes Jahrhundert alten jülich-clevischen Erbfolgestreit zum Abschluß brachte. Mehrere Jahre währten die nach längerer Pause 1663 wieder aufgenommenen Unterhandlungen; endlich unterzeichnete B. gemeinsam mit Otto von Schwerin und Franz Meinders, den Vertrag vom 9. Sept. 1666, welcher die definitive Theilung der Erbschaftslande auf Grund des Status quo verfügte, und welcher eine neue Epoche in der Geschichte der niederrheinisch-westfälischen Lande und der brandenburgischen Herrschaft in ihnen bezeichnet. In eben dieser Zeit trat die Gefahr der französischen Uebergriffe an den westlichen Reichsgrenzen näher und näher heran. Die Invasion Luwigs XIV. in die spanischen Niederlande, der sogenannte Devolutionskrieg von 1667, zeigte, was von dieser Seite zu erwarten war. Unter den Räthen des Kurfürsten Friedrich Wilhelm erscheint B. hier von vorn herein als derjenige, welcher am eifrigsten zu offener Theilnahme gegen Frankreich vorwärts drängt, mit Rathschlägen, denen die vorsichtigere Politik des Kurfürsten mehrfach ihre Zustimmung versagen mußte. Im November 1667 schloß er, seine Instructionen vielleicht etwas zu ungestüm im Sinne seiner politischen Ansicht benutzend, mit dem spanischen Statthalter in Brüssel einen Bündnißvertrag ab, der das baldige kriegerische Eingreifen Brandenburgs in Aussicht stellte, dessen Bestätigung aber nach Maßgabe der augenblicklichen Lage der Dinge der Kurfürst verweigern mußte. Die Ereignisse verliefen anders als B. gewünscht hatte: die „Tripelalliance“ zwischen England, den Niederlanden und Schweden wurde abgeschlossen (Jan. 1668) und setzte vorerst dem weiteren Vordringen Frankreichs ein Ziel, aber Brandenburg trat derselben nicht bei und bewahrte seine neutrale beobachtende Stellung. Die Gefahr indeß war auch mit dem Aachener Frieden (2. Mai 1668) nicht vorüber. Der Raubkrieg Ludwigs XIV. gegen die vereinigten Niederlande im J. 1672 bereitete sich vor, und schon im October 1669 machte B. in einem Gutachten auf diese neuen französischen Pläne aufmerksam und wies lebhaft auf die zugleich politischen und religiösen Gefahren hin, welche für Europa und besonders für alle protestantischen Staaten in der Ueberwältigung der Niederlande durch Frankreich liegen würden. An den vielverschlungenen diplomatischen Actionen, die nun von hier ab und besonders seit dem Beginn des niederländisch-französischen Krieges im J. 1672 bis zu den Friedensschlüssen von Nimwegen und St. Germain die brandenburgische Politik in Bewegung setzten, hat B. den hervorragendsten Antheil gehabt, zuerst um den Ausbruch des Krieges womöglich zu verhüten, dann um Bündnisse und Gegenrüstungen zu organisiren, zuletzt bei den mehrere Jahre erfüllenden Friedensverhandlungen. Der Mittelpunkt seiner Thätigkeit war immer die Gesandtschaft im Haag; hier gingen alle entscheidenden Geschäfte durch seine Hand, wenngleich es ihm dabei auch jetzt wol in einzelnen Fällen geschah, daß er in seinem Eifer über die Ziele hinausging, welche die Politik des Kurfürsten sich stellte. Daneben war er in [698] zahlreichen vorübergehenden diplomatischen Aufträgen an andern Stellen thätig, bei dem Kurfürsten von Köln, dem Bischof von Münster, auf dem westfälischen Kreistag in Bielefeld, bei dem spanischen Gouverneur in Brüssel; und als im Herbst 1676 der Friedenscongreß zu Nimwegen zusammentrat, wurde er nebst dem geheimen Rath Lorenz Christoph von Somnitz als brandenburgischer Bevollmächtiger bei demselben beglaubigt. Den ganz besonders schwierigen Aufgaben, welche der brandenburgischen Politik auf diesem Congreß gestellt waren, widmete sich B. mit dem unermüdlichsten Eifer; die ganze Last derselben fiel auf seine Schultern, als inmitten der Verhandlungen sein Mitgesandter Somnitz in Nimwegen starb (Februar 1678). Bekanntlich blieben alle diese Bemühungen ohne wesentlichen Erfolg. Mit den Waffen überall siegreich erlag Brandenburg in dem diplomatischen Feldzug vollständig der Mißgunst neidischer Gegner und treuloser Verbündeter; die entscheidenden Friedensschlüsse wurden abgeschlossen, ohne den wohlverdienten Ansprüchen des Kurfürsten Friedrich Wilhelm die geringste Rücksicht zu schenken. Bis zuletzt hatte B. auf seinem Posten den Kampf verzweifelten Widerstandes zu führen; endlich erlag die Sache, für die er stritt, der Uebermacht, und der Kurfürst entschloß sich zu dem Frieden von St. Germain mit Frankreich und Schweden, an dessen Abschluß indeß B. persönlich keinen Antheil hatte. Die Verhandlungen zu Nimwegen sind die letzte bedeutende diplomatische Action gewesen, bei welcher er mitwirkte. Im J. 1678 war er von dem Kaiser Leopold I. in den Reichfreiherrnstand erhoben worden. Nach dem Frieden zog ihn der Kurfürst Friedrich Wilhelm in seine unmittelbare Umgebung nach Berlin, und dort starb er, als es eben im Werke war, zum Behuf der Wiederanknüpfung freundlicherer Beziehungen zu den Niederlanden ihn auf seinen alten Posten im Haag zurückzuschicken. – Das eingehendste Detail über Blaspeil’s politische Thätigkeit findet sich in Pufendorff’s Geschichte des großen Kurfürsten, in den Acten des Nimwegener Congresses und in den „Urkunden und Actenstücken zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg“.