ADB:Geib, Gustav

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Artikel „Geib, Gustav“ von Carl Lueder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 500–502, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Geib,_Gustav&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 19:00 Uhr UTC)
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Geib: Karl Gustav G., sehr hervorragender Criminalist, geb. 12. Aug. 1808 zu Lambsheim in der Rheinpfalz (Baiern), war der Sohn des Gutsbesitzers Georg Valentin G. und der Neffe des Dichters und Literaten Karl G., eines in Jena unter Fichte etc. gebildeten Mannes, welcher seinem Neffen den ersten Unterricht zu Theil werden ließ und die ersten Keime wissenschaftlicher Neigung und Richtung in die Seele des Knaben senkte. Namentlich scheint durch diesen Oheim der Grund zu der G. durchs ganze Leben begleitenden Liebe zum classischen Alterthum gelegt worden zu sein. Von seinem 12. bis zum 19. Jahre wurde G. auf den Gymnasien zu Grünstadt und Zweibrücken weiter gebildet. Im J. 1827 bezog er die Universität und studirte bis 1831 in München, Heidelberg, Bonn und wieder in Heidelberg, wo er 1831 promovirte. Er hörte vorzugsweise bei Bayer, Wening-Ingenheim, Maurer, Thibaut, Zachariae, Mittermaier, Morstadt, dem Historiker Mittler und Walther und wurde namentlich von Mittermaier und Mittler beeinflußt, von Mittermaier nicht in der Weise, daß er auf Geib’s wissenschaftliche Richtung von Einfluß gewesen wäre, aber doch so, daß er den studirenden G. am meisten ergriff und zur Wahl seines [501] späteren Specialfaches, des Strafrechts, den Anstoß gab, von Mittler durch maßgebendes Eingreifen in Geib’s spätere Lebensschicksale. Nachdem G. kurze Zeit in Frankenthal bei Lambsheim prakticirt hatte, folgte er 1832 einem durch den Staatsrath v. Maurer in München vermittelten Rufe, mit der für den jungen König Otto ernannten Regentschaft als Regentschaftssecretär nach Griechenland zu gehen. Dort verblieb G. theils als Lehrer des jungen Königs, theils als Ministerialrath im Justizministerio (wozu er bereits anfangs 1833 ernannt wurde), bis 1834, wo er zugleich mit dem abberufenen Maurer nach Deutschland zurückkehrte. Er ging nun an die Ausführung seines schon vor der griechischen Reise fest gefaßten Planes, sich als akademischer Lehrer zu habilitiren, und zwar entschied er sich schließlich, nachdem er ursprünglich an München und Heidelberg gedacht hatte, auf Mittler’s Veranlassung für Zürich. Er bereitete sich zunächst theils in seiner Vaterstadt Lambsheim, theils in Zürich selbst auf sein Lehramt vor und wurde 1836, ohne vorher Privatdocent gewesen zu sein, zum außerordentlichen Professor in Zürich ernannt. Er las dort zuerst im Wintersemester 1836–37 Geschichte des Strafrechts. Im Februar 1842 wurde er zum ordentlichen Professor für Strafrecht und Straf- und Civilproceß ernannt. Einen 1844 an ihn ergehenden Ruf nach Greifswald lehnte er ab, folgte aber, nachdem er sich 1846 mit einer nahen Verwandten seines Fachgenossen Abegg sehr glücklich verheirathet hatte, im Herbst 1851 einem Rufe nach Tübingen. Hier war ihm nur noch eine 12jährige Thätigkeit vergönnt, indem er daselbst, nachdem er schon lange vorher gekränkelt, am 23. März 1864 im 56. Lebensjahre und im 28. seiner Docententhätigkeit starb. Von 1862 auf 63 hatte er das Rectorat bekleidet und 1862 den würtembergischen Kronenorden erhalten, ohne daß er den mit letzterer Auszeichnung verbundenen persönlichen Adel geführt hätte. G. war mit ganzer Seele Gelehrter, Forscher und akademischer Lehrer. In letzterer Beziehung wirkte er mit voller Hingabe und ganzem Interesse. Als Schriftsteller hat er, trotz der eben erwähnten, seine litterarische Thätigkeit vielfach erschwerenden und unterbrechenden Kränklichkeit, die Rechts-, namentlich die Strafrechtswissenschaft durch sehr werthvolle Werke gefördert. Ist die Anzahl der letzteren nicht gerade übergroß, so zeichnen sie sich dafür sämmtlich durch desto größere innere Bedeutung aus. Sie beruhen ohne Ausnahme auf der zuverlässigsten und gewissenhaftesten Gründlichkeit und den ausgedehntesten und eingehendsten überall ganz selbständigen Forschungen. Theilweise sind sie von bahnbrechender Bedeutung und eine bleibende Fundgrube wissenschaftlicher Belehrung und Anregung. Geib’s Richtung war eine streng und entschieden historische, so ausgeprägt, daß er andere Richtungen und deren Vertreter wohl unterschätzt hat. Seine Hauptwerke sind die „Geschichte des römischen Criminalprocesses bis zum Tode Justinians“, 1842 und das „Lehrbuch des deutschen Strafrechts“, erster Band (Geschichte) 1861, zweiter Band (System: Allgemeine Lehren) 1862, der dritte, besondere Theil ist leider nicht mehr erschienen. Das erstgenannte Werk ist durch neuere Arbeiten theilweis überholt. Bei seinem Erscheinen aber war es bahnbrechend und die erste höheren Ansprüchen genügende umfassende Bearbeitung des römischen Criminalprocesses, hervorgegangen aus der gründlichsten Kenntniß und gewissenhaftesten, sachverständigsten Durchforschung des gesammten in Betracht kommenden Materials, namentlich auch der nichtjuristischen alten Schriftsteller; es wird allezeit ein hervorragendes Denkmal deutscher Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit bleiben. Dasselbe gilt von dem „Lehrbuche des deutschen Strafrechts“, welches ebenfalls aus den umfassendsten Vorarbeiten, gründlichster und vielseitigster Forschung und langjähriger und liebevoller Hingabe an den Gegenstand hervorgegangen ist. Namentlich ist es an historischen und litterarischen Angaben überreich und eine unerschöpfliche [502] Fundgrube deutscher Gelehrsamkeit, dem Gelehrten und dem Rechtslehrer unentbehrlich, für die ersten studentischen Bedürfnisse weniger geeignet, auch (nach dem Plane und Willen seines Verfassers) mehr Grundriß als ausgeführtes Lehrbuch. Auf die Strafrechtstheorien geht es nicht ein. Außerdem verdanken wir G. die folgenden Schriften. Sein, durch den Aufenthalt in Griechenland hervorgerufenes Erstlingswerk war die „Darstellung des Rechtszustandes, in Griechenland während der türkischen Herrschaft und bis zur Ankunft König Otto’s I.“, 1835, eine geistvolle, hochinteressante, über ihren Gegenstand lehrreichst aufklärende, Geib’s ganze wissenschaftliche Art bereits erkennen lassende Schrift. In den Jahrgängen 1836, 37, 38, 39, 40, 45 und 47 des Archivs des Criminalrechts veröffentlichte er im Ganzen sechs Abhandlungen, welche sämmtlich durch die hervorgehobenen großen Vorzüge ihres Verfassers ausgezeichnet sind. Sie handeln namentlich über die Nothwendigkeit einer vergleichenden Berücksichtigung der neueren Strafgesetzbücher bei Darstellung des gemeinen deutschen Criminalrechts, über den Einfluß des Irrthums in Bezug auf das Object im Strafrecht, über die Grenze zwischen civilrechtlichem und criminellem Betruge, über die „Behaltung“ im Art. 159 der Carolina, sowie über andere wichtige Fragen des Strafrechts. Gelegentlich des Antritts seiner außerordentlichen Professur in Zürich veröffentlichte G. ein Programm: „De confessionis effectu in processu criminali Romanorum observationes aliquot“ (Turici 1837), welches bereits seine Vertrautheit mit den Alterthümern, seine Belesenheit in deren juristischen und nichtjuristischen Schriftstellern offenbart. Durch die Bewegung des J. 1848 wurde hervorgerufen: „Die Reform des deutschen Rechtslebens“, 1848, welche Schrift sich über alle Gebiete des Rechts und ihre Reform verbreitet. Die Ausführung anderer litterarischer Pläne, zu denen zum Theil sehr weit angelegte Vorarbeiten bereits gemacht waren, ist leider durch den zu früh eingetretenen Tod vereitelt worden; es kann deshalb nur noch auf einige kleinere Arbeiten im Neuen Nekrologe der Deutschen, 12. Jahrg. 1834, in den Kritischen Jahrbüchern für deutsche Rechtswissenschaft von Richter und Schneider, 8. Jahrgang 1844 und ein Rechtsgutachten in Untersuchungssachen gegen Leodegar Oswald, betr. Beleidigung, Verleumdung, Betrug, Aufreizung 1850, aufmerksam gemacht werden.

Lueder, Gustav Geib. Sein Leben und Wirken, Leipzig 1864, Engelmann. (Schletter’s Jahrbücher der deutschen Rechtswissenschaft, X. Bd. 2. H. S. 171. Der Gerichtssaal 16. Jahrg. [1864] S. 319. Münchener krit. Vierteljahrsschrift VI. S. 321. Oesterreichische Vierteljahrschrift, XV. Bd. 1. H. Litteraturblatt S. 5).