ADB:Rutze, Nicolaus

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Artikel „Rutze, Nicolaus“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 60–62, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rutze,_Nicolaus&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 05:32 Uhr UTC)
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Rutze: Mag. Nicolaus R., seit 1556 Rus in der Litteratur genannt, stammte aus Rostock, wo er am 9. October 1477 als intraneus abgabenfrei immatriculirt wurde. 1479/80 steht er in der Artistenmatrikel als baccalarius und 1485 wurde er Magister; er wird danach frühestens Anfang der funfziger Jahre geboren sein. Er war ansässig in Rostock, denn um 1506 kommt er in den Schoßregistern vor; gestorben ist er vermuthlich 1514 oder bald nachher, denn 1514 muß er sein Testament gemacht haben, bei welchem die Professoren Nicolaus Louwe (s. A. D. B. XIX, 294) und Peter Boye (s. A. D. B. III, 219) Zeugen waren und welches der letztere als das eines Magisters und Gliedes (ledemathe) der Universität als Rector bestätigt hatte. Von 1556 an bis 1846 wußte man von R. nur. was Matth. Flacius Illyricus (Catalog. testium veritatis, Ausg. I, 1556) S. 1014 ff. von ihm sagte: er sei vor etwa 40 Jahren ein Rostocker Priester und baccalaureus formatus theol. gewesen, habe mit Waldensern (d. h. unfraglich böhmischen Brüdern, die Wattenbach in der Nähe nachwies) verkehrt, Zusammenkünfte in einem „Poßkeller“ (osculorum cellarium) mit besucht, habe sich mit Eifer gegen die Mißbräuche der Kirche erklärt, deshalb nach Wismar flüchten müssen, sei wieder nach Rostock zurückgekehrt, wegen neuer Verfolgungen aber nach Livland geflüchtet und dort gestorben. Zwei Rostocker Gelehrte nennt Flacius als Schüler des R. in humanioribus studiis: Dr. Mag. Konrad Pegel (s. A. D. B. XXV, 314) und Dr. Mag. Vitus, Prediger zu St. Johannis; welcher letztere mit Sicherheit noch nicht nachgewiesen ist. Er erklärt weiter, daß von R. ihm ein größeres gedrucktes Werk vorliege „De triplici funiculo“, es sei das eine Erklärung des Symbols, des Dekalogs und vom Gebete des Herrn; worin er sich gegen Heiligendienst, Ablaß, Steuerfreiheit der Geistlichkeit, die Tradition, das ärgerliche Leben der Geistlichkeit und die Allgewalt und Unfehlbarkeit des Papstes erklärte. Außerdem habe er, d. h. Flacius von ihm noch eine handschriftliche Evangelienharmonie (diese scheint verloren zu sein); von dem gedruckten Werke erklärt er nicht zu wissen, ob es vor oder nach dem Tode des Verfassers gedruckt sei, sicher sei es eifrig von der Inquisition verfolgt und verbrannt worden, doch habe ein guter Mann eine Kiste voll gerettet und in die Erde gegraben, da hätten sie bis auf Luther’s Zeiten (in Rostock also bis c. 1523) gelegen und seien bis auf wenige Exemplare vollständig verdorben. Er hatte vor in meißnischer (hochdeutscher) Sprache davon eine Ausgabe zu veranstalten. Weiter wußte man nichts; alle spätere Nachrichten (auch in Adami, vita theol. Ed. 3. 1705, Fol. S. 6) stammen nur daher. Die Jahreszahlen 1513, 1511 oder 1516 hatte man nur daraus gerathen. Flacius hatte vom Rostocker Rathe Bücher aus den eingezogenen Klosterbibliotheken geliehen erhalten, wahrscheinlich waren darunter die genannten von R., welche weder Namen, noch Ort, noch Jahr trugen. Die Sage vom „Poßkeller“ läuft zunächst von Ketter-Angermünde (Angermunde haereticum) und dessen speluncae subterraneae seit 1391 über Stralsund, dann über R. hinweg bis auf Joachim Slüter. Sie stammt aus den geheimen waldensisch-hussitischen Andachten an kirchlich nicht geweihten Orten, was die Kirche stets für ketzerisch erklärte. In Zusammenhang brachte schon Krey die Nachricht des Predigers zu Jena, Reinhart von Eivelstadt, von 1524, daß ihm 1521 der „junge Hans Kaffmeister“ zu Rostock, bei dem er geherberget, aus dem nachgelassenen alten Bücherschatze eines früheren Predigers, heylsame (hussitische) Bücher gegeben, die er aber nicht bei dessen Lebzeiten aus Furcht vor dem päpstlichen Ketzermeister Joachim Ratstein (1526 [61] Lesemeister der Dominicaner) drucken lassen solle. Reinhart nennt jenen nun 1524 „in die ruhe gottis erfordert“, also todt. Auffälliger Weise finden wir aber 1527 einen Hans Kaffmeister in Riga mit als Bürgen für den in Riga eingesperrten Franciscaner Bomhower, der nachher bei ihm wohnte und sich zur lutherischen Lehre mit Ausnahme der Lehre von der alleinigen Gnade bekannte, der dann aber 1527 wegen dieses letzteren Mangels von Andreas Knopken in den Bann gethan und dann verschollen ist. Fast scheint danach die Legende von R. zum Theil so entstanden, daß er mit der Universität nach Wismar (in der Domfehde) auswich, nachher aber, zumal sein Schüler Pegel zum Erzieher des kindlichen Bischofs von Schwerin vom Herzog berufen wurde, unangefochten lehrte und um 1514, da von seinem Nachlaß die Rede ist, in Ruhe starb. Daß er mit der Kirche trotz reformatorischer Lehren nicht absolut verfeindet war, geht daraus hervor, daß er in seinem Testamente eine Commende aus dem Ertrage zweier Hopfengärten gründete, welche 1535 noch vom Niedergericht als zu Recht bestehend anerkannt wurde. Die Verfolgungen Kaffmeister’s, namentlich wenn er nicht 1524 gestorben, sondern derselbe sein sollte, der 1527 in Riga erscheint, hätten das Uebrige dann hinzugefügt. Der von Flacius erwähnte niederdeutsche Druck wurde 1846 von Prof. Julius Wiggers auf der Rostocker Universitätsbibliothek wiedergefunden; nach des Verfassers Ausdrücken war das Werk nur zum Abschreiben bestimmt; gedruckt ist es nach den Untersuchungen von Prof. Neumann und Dr. Hofmeister vom Lübecker Mohnkopfdrucker, Mattheus Brandes; also noch im 15. Jahrhundert. Es sind aber drei getrennte Werke: 1) „Van deme rêpe“, ein Tractat, den Dr. Franz Jostes für durchaus rechtgläubig-katholisch erklärt, und den Dr. K. Nerger vor kurzem heraus gab. Dieses Tau (rêp) zur Rettung der in Sünden Ertrinkenden wird aus 3 Strängen (Glaube, Hoffnung, Liebe), jeder dieser wieder aus 3 Fäden gesponnen, in Anschluß an Pred. Salomon. 4, 12: „eine dreifältige Schnur reißt nicht leicht“, auch an den dreifachen Fadenstrang des Dochtes in den Kirchenkerzen. Diese Bezeichnungen führten Flacius zu dem irrigen Titel „de triplici funiculo“, später übersetzt „Von den drei Strängen“. 2) Das größere Werk, fast katechetischer Art, welches die hussitisch anklingenden Lehren enthält, behandelt in 95 Capiteln die Glaubensartikel, die Gebote und das Gebet des Herrn und gibt dazu ein (leider defectes) ausführliches Register. 3) Ein kleiner Traetat: „Dit is wedder de, dede van deme loven willen treden, edder willen nicht loven, dat jhesus is des waren godes sone effte de ware messias“.

J. Wiggers in Ilgen-Niedner, Zeitschr. f. d. historische Theol., 1846, S. 171 ff., mit Auszügen in hochdeutscher Uebersetzung (Wiechmann, Hofmeister und Nerger citiren: 1850). – Ders. in Lisch’ Jahrb. XII (1847), S. 501 ff., mit niederdeutschen Proben. – Geffcken, Bildercatechismus u. s. w. (1855), I, Beil. 17. – Wiechmann, Mecklenburgs altniedersächs. Litt. I, S. 9–14. – Krey, Beiträge u. s. w. II, S. 175–186. – Wiechmann-Hofmeister, Mecklenb. Altnieders. Lit. III, S. 183–187. – Karl Nerger, Des Mag. Nicolaus Rûtze Bôkeken van deme Rèpe Rostock. Gymn.-Progr. 1886, Nr. 594. – Jostes im Korr.-Bl. niederd. Sprachfosch. XI, Nr. 4, S. 63 f. – Was Lesker (Mag. Nic. Rutze im Katholik, Jahrg. 1887, II, S. 98 f.) und Dr. Herm. Haupt (Husitische Propaganda in Deutschland, in W. Maurenbrecher, Histor. Taschenbuch, VI. Folge, 7. Jahrg., S. 233 bis 304) mehr zu wissen scheinen, ist nur aus Flaccius, Wiggers, Wiechmann und Nerger ohne Beweis geschlossen. – Dr. Theod. Schiemann, Histor. Darstellungen und archiv. Forschungen, Hamb. und Mitau 1886, S. 41–48. – Ueber „Puskeller“ und Waldenser im Norden s. Zeitschr. f. Preuß. Gesch. u. [62] Landeskunde, 19. Jahrg., 1882, S. 632 ff. – Wattenbach, Abh. Preuß. Akad. d. W., 1886, S. 77 ff. – Ders. Sitzungsberichte, 1886.