ADB:Samson, Bernhardin

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Artikel „Samson, Bernhardin“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 311–312, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Samson,_Bernhardin&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 14:54 Uhr UTC)
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Samson: Bernhardin S., Ablaßprediger in der Schweiz beim Beginn der Reformation. Er war geboren zu Mailand. Als Guardian des dortigen Franciscanerklosters wurde er, als Papst Leo X. den Ablaßhandel in der Schweiz dem Franciscanergeneral Cardinal Christoph de Forli übertrug, von diesem zum Untercommissar ernannt und mit dem Vertrieb der Ablaßzettel betraut. Seine Persönlichkeit scheint ganz zu solchem Geschäfte geeignet gewesen zu sein. Er wird als volksthümlich beredt, umsichtig, schlau und dreist, ja frech von den Zeitgenossen geschildert. Er wird sich hierin von seinen Berufsgenossen Tetzel und Arzimbold nicht unterschieden haben; nur fing er sein Geschäft noch pfiffiger an als sie, wenigstens lieferte er für die päpstliche Casse größere Beträge als jene. Dadurch gewann er auch die Mittel für seinen pomphaften Aufwand. Allmählich gewöhnte er sich bei seinem Auftreten so an Pracht und Glanz, daß er darin den fürstlichen Gesandten nicht nachstand. – Den erfolgreichsten Zug unternahm S. 1518. Trotzdem Luther’s Thesen im Jahre vorher durch ganz Deutschland bis Rom gedrungen waren und überall eine große Wirkung hervorgebracht hatten, war der Zulauf, welchen S. auf seinem Wege durch Uri, Schwyz, Luzern und Unterwalden fand, so groß, daß er oft kaum im Stande war, die Menge zu befriedigen. Trotz dem Verbote des Rathes gelang es ihm auf Umwegen mit großer List, auch in Bern Zutritt zu erhalten. Im Münster bot er nach Messe und marktschreierischer Predigt seine Waare aus. Arme erhielten sie billiger. Gemeinden, ja ganze Landstriche konnten sie summarisch erwerben. Dies Verfahren scheint am meisten gewirkt zu haben. Die Einnahmen wuchsen in der That ins Unglaubliche. Er rühmte sich, von diesem Zuge in die Schweiz 120 000 Ducaten nach Rom abgeliefert zu haben. – Von Bern zog er nach Solothurn und Aarau, immer in den größeren Orten Halt machend. In Baden im Aargau, dem Schauplatz der späteren Disputation, hatte er auf dem Kirchhofe sein Zelt oder seine Bude aufgeschlagen. Alle Morgen zog er mit einer Procession hierhin, hielt eine Messe ab und bot den Ablaß feil. Wie Tetzel pries er in allen möglichen Formen dem gaffenden Volke seine Waare an. Jetzt sei die Zeit gekommen, die armen Seelen um ein Weniges aus dem qualvollen Fegefeuer zu erlösen. Sobald man zahle, würden sie frei. Und begeistert und verzückt nach dem Himmel blickend und mit der Hand in bestimmter Richtung zeigend, rief er: Ecce volant, ecce volant (animae)! Es war natürlich, daß eine solche Frechheit endlich Aergerniß hervorrief und auf Widerstand stieß. Am meisten arbeitete ihm der Bischof von Constanz Hugo von Landenberg mit seinem Generalvicar Johann Faber (nachmals Bischof von Wien) entgegen. Der Bischof hatte für seine Diöcese selbst einen Ablaß ausgeschrieben und fühlte sich durch die Erfolge des päpstlichen Sendboten stark beeinträchtigt. Geschickt und vorsichtig ermunterte er daher, wo er es nur vermochte, unter der Hand zum Widerstande gegen S. Heinrich Bullinger’s Auftreten gegen S. scheint hierdurch veranlaßt worden zu sein; jedenfalls unterstützte er es durch seinen Einfluß und bewirkte, daß der Pfarrer von Bremgarten, von S. mit dem Banne bedroht, an die Schweizer Tagsatzung appellirte. Diese nahm sich ihres Landsmannes thatkräftig an. Sie beantragte durch ihren eben nach Rom abgehenden Gesandten beim heiligen Stuhle die Abberufung des dreisten Ablaßpredigers. Da die Curie, angesichts [312] der Aufregung, welche Tetzel’s Auftreten in Deutschland hervorgerufen hatte, nicht wagte, es auch noch zu einem Conflict mit der Schweiz kommen zulassen, aus der sie ihre Söldner und Kriegshauptleute bezog, sah sie sich gezwungen, den Wünschen der Schweizer Rechnung zu tragen. Am 30. April 1519 erließ sie ein Breve, durch welches der Ablaßpredigt ein Ende gemacht und S. zurückberufen wurde. Ob die in demselben verheißene strenge Untersuchung gegen S. wirklich stattgefunden hat, muß bezweifelt werden. Seitdem er aus der Schweiz verschwand, erfahren wir auch nichts mehr über seine persönlichen Schicksale.

Vgl. J. J. Hottinger, Helvetische Kirchengeschichte, 3. Th., Zürich 1708, S. 17 ff., 29 ff., 41 ff. – Bullingers Reformationsgeschichte, herausg. von J. J. Hottinger und H. H. Vögeli, Frauenfeld 1838, 1. Th., S. 133 ff. – Eidgenössische Abschiede, 3. Th., 2. Abth., S. 1141 f. – Bernh. Riggenbach i. d. Real-Encyclopädie für protest. Theol. und Kirche. 2. Aufl. XIII, S. 355 f.