Betrachtungen über die Kirchenlisten und insonderheit die Sterblisten der Residenzstadt Eichstätt im Jahre 1791

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Sch**r [Anonym]
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Betrachtungen über die Kirchenlisten und insonderheit die Sterblisten der Residenzstadt Eichstätt im Jahre 1791
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 6, S. 703-710
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Raw
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Nürnberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


|
VII.
Betrachtungen über die Kirchenlisten und insonderheit die Sterblisten der Residenzstadt Eichstätt im Jahre 1791.

Der Verfasser des Eichstättischen Intelligenz-Blattes fing erst den 23ten April oben bemeldten Jahres an, das Alter der Gestorbenen und andere Umstände mit zu bemerken, welche zum politischen Calcul unentbehrliche Ingredienzien sind – diese Betrachtungen schränken sich also auch nur auf den engen Zeitraum vom 23 April bis den letzten des Christmonats 1791 ein, werden aber von Jahr zu Jahr noch nachgetragen, und fortgesetzt, zugleich auch der Unterschied in der Sterblichkeit eines Jahres von dem andern mit angeführet werden.

 Nach den Wochenblättern wurden im obenbestimmten Zeitraume geboren 232 – getraut 60 Paar – gestorben sind Erwachsene 165 – Kinder 127 – in allem also 292. Es starben also mehr, als geboren wurden, 60. Das Verhältniß der gestorbenen Erwachsenen zu den gestorbenen Kindern ist beynahe, wie 6 zu 5, und wenn man die Bevölkerung der Stadt von 6815 Seelen zur Zahl der Verstorbenen hält, so starben| von 100 mehr, als 4, nämlich der 231/3 Mensch; eine starke Sterblichkeit!

Von diesen starben

männl.
Geschl.
weibl.
Geschl.
Sum­me.
unter 01 Jahre 33 33 66
unter 02 Jahren 4 3 7
zwischen 02 und 5 Jahren 3 4 7
zwischen 05 und 10 1 3 4
10 20 1 3 4
20 30 2 1 3
30 40 2 3 5
40 50 8 6 14
50 60 6 5 11
60 70 9 13 22
70 80 10 13 23
80 90 7 10 17
90 100 4 4
Summe 86 101 187

 Unter den 4 letzten in den 90er Jahren gestorbenen Frauen war eine 91 – die andere 96 – die dritte 97 – und die vierte, nämlich die Frau Hofkammerräthin Fuchsin, über 99 Jahre alt.

 Geboren wurden in gleicher Zwischenzeit 71 Knaben, 80 Mädchen, nebst diesen 3 uneheliche Kinder, und 2 Paar Zwillinge ohne Benennung des Geschlechts.

|  1. Selbst in großen Städten stirbt nur der 30te, höchstens 25te Mensch – und hier gar der 231/3. Aus einer so kurzen Zeit läßt sich freylich nicht viel richtiges schließen; doch mag die Ursache dieser großen Sterblichkeit wohl unter andern auch darin liegen, daß sich viele alte Leute vom Lande in die Stadt herein ziehen.
.
 2. Nimmt man allgemein an, daß bey Kindern ein Drittel wieder vor dem ersten Jahre sterbe, daß die Kinder, welche unter 4 Jahren sterben, die Hälfte aller Gestorbenen betragen, und daß im 10ten Jahre die Hälfte aller Kinder wieder tod sey. Hier starben unter 1 Jahre 14 über das Drittel: – dagegen war die Zahl der unter 4 Jahren gestorbenen just wieder um eben so viel geringer, als die Hälfte aller Gestorbenen; nach 10 Jahren aber von allen Gebornen nicht einmahl mehr die Hälfte, sondern 5 noch weniger übrig. Freylich sind die Kinder, eben je jünger und zärter sie noch sind, desto mehrern Gefahren des Todes ausgesetzt, und die Fraisen, das Zahnen, und die Pocken raffen deren viele weg. – Allein unter die Ursachen der großen Sterblichkeit unter Kindern darf man gewiß auch diese mitzählen,| daß eben nicht alle Doctoren sich auf Heilung der Kinderkrankheiten besonders legen, und die eigne Art, mit welcher kranke Kinder behandelt werden wollen, nicht allemahl ganz inne haben. Auch tragen die bekannten Sprüche: „Das Kind wäre gut aufgehoben, wenn es stürbe – der Tod wäre desselben beste Gutthat und größtes Glück – das unschuldige Kind wird ein Engel im Himmel“ zur Verwahrlosung manches Kindes sehr viel bey.

 3. Im Ganzen starben vom weiblichen Geschlechte 15 mehr, als von dem mänlichen, und das ist eben in den Städten der gewöhnliche – so wie auf dem platten Lande der umgekehrte Fall, weil weit mehrere Mägde, deren fast jede Familie wenigstens eine hat, als Pursche von dem Lande in die Stadt herein kommen.

 4. Ganz nach dem natürlichen Gange der Sterblichkeit starben die meisten unter 1 Jahr. Dann nahm die Sterblichkeit bis zum 40ten Jahr ziemlich stark ab, mit dem 40ten Jahr fing sie wieder an zu steigen, und anstatt daß sie mit dem 70sten Jahre, wie sonst gewöhnlich, wieder fiel, stieg sie da vielmehr bis zum 80ten auf das höchste unter allen hinauf, nur das erste Jahr des| menschlichen Lebens allein ausgenommen: ein evidenter Beweis, wie viele im Durchschnitte es hier auf ein hohes Alter bringen, und wie wenige zwischen dem ersten und 60ten Jahre sterben: weil vom 2ten bis 60ten Jahre nur 55, zwischen dem 60ten und 90ten Jahre des Alters aber 62 – folglich in den letzten 30 Jahren 7 mehr, als in den vorgehenden 59 starben.

 5. Daß von 60 an mehrere vom weiblichen, als vom männlichen Geschlechte, und in den 90er Jahren gar nur lauter Frauen starben, ist wieder ganz der Ordnung der Natur gemäß, nach welcher über das 40 Jahr hinaus mehrere Frauenspersonen als Männer leben.

 6. Die Zahl der gebornen Mädchen verhält sich zu jener der Knaben hier fast wie 8 zu 7, sonst aber wie 20 zu 21. Struyk. rechnet auf 51 Geburten 1 Paar Zwillinge – hier traf solches auf 77, und, wenn die uneheliche Kinder getreu, woran ich aber sehr zweifle, angegeben worden sind, so kommt auf mehr als 51 nur eines, deren in großen Städten 1 auf 10 eheliche gerechnet wird. Es darf aber einem dabey die Bemerkung nicht entgehen, daß gar viele Freudenmädchen zur Ablegung ihrer Bürde von hier verschickt| zu werden pflegen. Eben daher kommt es, daß man auf Jungfrauen, welche gereist sind, nicht viel, und noch weniger auf solche hält, welche in Augsburg kochen gelernt haben, weil dieses der gewöhnliche Vorwand derjenigen ist, welche der Geburt wegen sich entfernen.

 7. Von Unglücksfällen ereigneten sich zwey; eine ertrank, und der andere brach durch einen Sturz vom Gerüste den Hals. – Auch verdienet hier der Sohn des seligen Hofkammerraths und Hofkammer-Secretairs eine Meldung, welcher vom 22ten bis in das 70te Jahr seines Alters, folglich ganze 48 Jahre krank darniederlag.

 8. Von den Gattungen der Krankheiten ist in den Wochenblättern nichts angemerkt, ich kann also auch keine Reflexionen darüber anstellen, sondern nur den Wunsch äussern, daß die Aerzte aufgemuntert werden möchten, dieselben anzustellen, zu Zeiten Sanitätscollegien zu halten, die herrschenden Krankheiten vorzüglich ihrer Aufmerksamkeit zu würdigen, und über deren Ursachen, Symptome und Heilart sich gemeinschaftlich zu benehmen. – Auch wäre ich begierig zu wissen, die wievielste schwangere Frau, seitdem wir einen Geburtshelfer haben, in Kindsnöthen| gestorben sey, nachdem das Verhältniß, daß unter 70en gewöhnlich nur eine stirbt, Süßmilch in seiner göttlichen Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts so ziemlich bestimmt angegeben hat.
.
 Durch das Verhältniß der Gebornen und Gestorbenen, sowohl männlichen als weiblichen Geschlechts[WS 1], gegen die Anzahl der Lebenden, durch die Gattung der Krankheiten, die entweder alle Jahre bey Kindern oder Erwachsenen gewöhnlicher ist, oder in einem Jahre besonders geherrschet hat, durch das mehr oder minder hohe Alter der Verstorbenen, durch den Stand derselben, durch die Zahl der Wittwen und Wittwer erhält man nach Verlauf mehrerer Jahre Resultate, welche in der Kameral-Wissenschaft, allgemeinen und medicinischen Policey von größter Wichtigkeit sind. – Eben daher läßt sich aber auch einsehen, wie eine solche Sterblichkeitsliste, welche alle diese zur statistischen Kenntniß eines Landes erforderliche Nachrichten enthalten soll, beschaffen seyn müsse, und daß vorstehende Betrachtungen noch im hohen Grade unvollkommen und unvollständig seyen. So fehlen zum Beyspiel gleich noch ganze Rubriken, als da sind: von Copulirten, von todgebornen Kindern, von dem| Verhältniß der Kinder zu den Ehen. – Sollte das Intelligenzblatt in diesem Puncte eine richtigere und zweckmäßigere Einrichtung erhalten, so werden auch die folgenden Sterblisten einen höhern Grad von Vollständigkeit erhalten.
Sch**r. 


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Geschlchets