Papa und Mama

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Titel: Papa und Mama
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 219–220
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[219] Papa und Mama. „Ich bin eine deutsche Frau, nenne mich Mutter, mein Kind!“ So hörte ich einmal eine Mutter gegen das Wörtchen „Mama“ eifern. Als ob „Mama“ und „Papa“ Fremdwörter wären! Was sagt die Forschung dazu? Einige Gelehrten leiten den Ursprung der ersten Worte, mit denen wir unsere Eltern bezeichnen, vom Sanskrit ab. Das Wort „Mutter“ (im Sanskrit matâ) wird von ihnen auf eine Wurzel „ma“, die „bilden“ bedeutet, zurückgeführt, so daß Mama soviel wie die Bildnerin des Kindes heißen würde. Der andere Laut „Papa“ wird mit der Wurzel „pa“ = beschützen, unterhalten, ernähren in Verbindung gebracht. Wie interessant auch diese Ausführungen sind, so werden sie doch nicht allgemein anerkannt; denn nicht nur die Völker des indogermanischen Stammes bezeichnen ihre Eltern mit „Papa“ und „Mama“, sondern man findet diesen Brauch bei fast allen Völkern der Erde. „Mama“, „Imama“, „Himama“, „Pa“, „Baba“ und „Papa“ rufen die Negerkinder; „Amama“ und „Ababa“ heißen die Eltern bei den Eskimos der Hudsonsbai etc. Aus diesem Grunde dürfte die physiologische Erklärung der beiden Wörter zutreffender sein als die sprachgeschichtliche.

Die Physiologie, die sich in den letzten Jahrzehnten vielfach mit der Beobachtung der ersten Entwickelung des Kindes beschäftigt hat, weist nach, daß bei fast allen Kindern unter den Selbstlautern zuerst a, von den Mitlautern dagegen zuerst b, p und m von dem Kinde gebildet werden, so daß die Silben ba, pa und ma als Lallworte des Kindes gelten müssen. „Das lallende Kind,“ schreibt H. Ploß, „hat verschiedene Stufen des Sprachverständnisses zu ersteigen; denn es muß zunächst die Erfahrung erwerben, daß bei ma- oder ba-Uebungen entweder die Eltern herbeikommen oder den gegenwärtigen Freude bereitet wird. Dann erst wird der Laut von dem Kinde absichtsvoll geäußert; aber erst viel später und nicht ohne entgegenkommende Bemühung der Eltern gelingt es endlich, daß der eine Laut für den Vater, der andere für die Mutter als Lockruf angewendet wird. Monate, ja Jahre verstreichen, ehe hierauf die Erkenntniß durchbricht, daß ‚Mama‘ und ‚Papa‘ nicht Eigennamen sind, sondern für die [220] Kinder zunächst die Ernährer und Erzieher bezeichnen.“[WS 1] Die Lallworte „Papa“, „Baba“ und auch „Dada“, „Tata“ sowie „Mama“ sind uns so zu sagen von der Natur eingegeben, ihre Beziehung auf Vater und Mutter aber willkürlich festgestellt. So wird z. B. in Georgien „Mama“ für Vater und „Dada“ für Mutter, bei den Tuluva „Amme“ für Vater und „Appe“ für Mutter, in Chilian „Papa“ für Mutter etc. gebraucht.

So sind die Worte „Papa“ und „Mama“ weder deutsch noch französisch, sie sind international wie kaum irgend ein anderes Wort auf Erden – allgemein menschlich, kann man fast sagen. *

Anmerkungen (Wikisource)

  1. H. Ploss: Das Kind in Brauch und Sitte der Völker, 2. Auflage, Band 2, Berlin 1882, S. 280 Internet Archive