RE:Bernstein

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
elektron, electrum, sucinum
Band III,1 (1897) S. 295 (IA)–304 (IA)
Bernstein in Wikisource
Bernstein in der Wikipedia
GND: 4005818-9
Bernstein in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register III,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|III,1|295|304|Bernstein|[[REAutor]]|RE:Bernstein}}        
Bernstein, ἤλεκτρον, electrum, sucinum. Der B., der den Völkern des Orients, wie die Funde ausweisen, schon in sehr frühen Zeiten bekannt geworden ist, führt bei den Griechen den Namen ἤλεκτρον und kommt unter diesem bereits bei Homer, wenn auch nur in der Odyssee, vor. Allerdings ist die Bedeutung, die das Wort bei Homer hat, nicht unbestritten; so wollte Hüllmann Handelsgesch. 66 darunter einen Edelstein erkennen, de Lasteyrie Rev. archéol. XVI 1859, 235 und Lagrange Recherches sur la peinture en émail dans l’antiqu., Paris 1856, Glasfluss (Smalte), Feys in der Revue de l’instruct. publ. de Belg. 1863, 461 Glas. Doch hat keine dieser Annahmen Wahrscheinlichkeit für sich, und nur darum kann es sich handeln, ob bei Homer sowie in einigen späteren Erwähnungen des ἤλεκτρον Β. oder die den gleichen Namen führende Goldlegierung (Silber mit Gold, vgl. den Art. Elektron) gemeint sei. Nun hat zwar Lepsius in den Abh. der Berl. Akad. 1871, 129 den Nachweis zu führen gesucht, dass in der älteren Sprache das Metall in der Regel ὁ ἤλεκτρος, der B. dagegen τὸ ἤλεκτρον genannt werde; doch kann dies für die Homerstellen nicht entscheiden, da dort das Geschlecht der Wörter nicht erkennbar ist. Od. IV 72 erscheint ἤλεκτρον mit Gold, Silber, Erz, Email (κύανος), Elfenbein zusammen als Material für Wandschmuck; XV 459 besteht ein [296] Halsband, mit dem ein phoinikischer Handelsmann die Amme des Eumaios besticht, aus Gold und Elektron; ein ähnliches wird XVIII 295 erwähnt, auch hymn. in Apoll. 103. Buttmann Lexilogus II 337 (wo eingehend über die Bedeutung von ἤλεκτρον gehandelt ist). Müller Homer. Mineralogie 26. Ukert Ztschr. f. Altertumsw. 1838 nr. 52ff. Müllenhoff Altertumskunde I 212 u. a. nehmen an allen den angeführten Stellen die Bedeutung B. an; doch ist dies keineswegs für alle sicher. Beim Halsschmuck ist, sowohl wegen des dabei gebrauchten Plurals ἠλέκτροισιν, der beim Metall auffallend wäre, während er bei dem nur in Stücken sich findenden B. sehr erklärlich ist, als wegen der an der einen Stelle berichteten Beziehung auf phoinikischen Handel, und endlich, weil Gold und Mattgold keinen solchen Gegensatz bilden, wie Gold und B., sicherlich an B. als Bestandteil des Schmuckes zu denken (vgl. Helbig D. Homer Epos² 269), zumal auch die Funde zahlreiche Analogien bieten (s. u.); dagegen bleibt es IV 72 zweifelhaft, da unter Umständen ebensogut wie Email auch kleinere B.-Stückchen, andererseits aber auch Goldsilber so gut wie die unlegierten Edelmetalle zur Wandincrustation verwandt werden konnte (vgl. Helbig a. a. O. 106f. und Osservaz. sopra il commercio dell’ ambra [Accad. dei Lincei 1876/77] 10). Ebenso bleibt ungewiss, welches Material bei Hes. scut. Herc. 141f. (Schild verziert mit τίτανος λευκός, ἐλέφας, ἤλεκτρον, χρυσός und κύανος), sowie in der Εἰρεσιώνη 10: αὕτη δ’ ἱστὸν ὑφαίνει ἐπ’ ἠλέκτρῳ βεβαυῖα gemeint ist; doch wird man an letzterer Stelle, da B. weniger geeignet erscheint, wohl eher mit Helbig Homer. Epos 116 an metallisches Elektron zu denken haben, als mit Ukert a. a. O. 427, 20 einen mit B. ausgelegten Fuss des Webstuhls annehmen. Auch bei Soph. Ant. 1037, wo τ’ ἀπὸ Σάρδεων ἤλεκτρον neben dem Ἰνδικὸς χρυσός als Wertsache erscheint, ist wohl Metall gemeint, obschon Jacob Artikel Elektron bei Daremberg-Saglio Dict. II 532 in allen diesen Stellen B. erkennen will. Über den Namen Elektron und seine Bedeutung sind ausser den bereits angeführten Schriften noch zu vergleichen Beckmann D. Bernsteinname Elektron, Berlin 1859 (aus der Ztschr. f. Gesch. u. Altertumskunde Ermelands) und Pierson Elektron, Berlin 1869, sowie die Specialschriften, die weiter unten noch angeführt sind.

Bei den Römern kommt als Bezeichnung B. electrum vornehmlich bei den Schriftstellern vor Plinius vor, doch ist der eigentliche Name im Latein sucinum. Waldmann Der Bernstein im Altertum (Progr. d. livländ. Landesgymn. f. 1882, Fellin 1883) 81 Anm. macht darauf aufmerksam, dass Plinius electrum ausschliesslich nur da gebraucht, wo er griechischen Quellen folgt, sucinum aber als nationales Wort demselben mit Geflissenheit entgegenstellt. Doch ist in unseren Quellen jene Bezeichnung überwiegend, und sucinum kommt ausser bei Plinius (nach diesem Solin. c. 2 u. 3 und Isid. XVI 8, 6) nur bei Tac. Germ. 45 (nach diesem Cassiod. var. V 2), Martial und Iuvenal vor (die Stellen s. u.). Im späteren Griechisch findet sich davon herübergenommen σούκινος, Artemid. II 5. Geop. XV 1, 29. Suid. s. v. Als Bezeichnung für B. [297] überliefern uns Tac. a. a. O. und Plin. XXXVII 42 glaesum, das man etymologisch mit Glas zusammen bringt; vgl. hierüber Müllenhoff a. a. O. 482 und Ztschr. f. dtsch. Altert. N. F. XI 23. Diefenbach Origines Europeae (Frankf. 1861) 356ff. Waldmann a. a. O. 17, 36.

Die Beschaffenheit des B. war im Altertum ebenso wie seine Herkunft vielfach nur ungenau bekannt (vgl. die Zusammenstellung aus der älteren Litteratur bei Plin. a. a. O. 32–40). Doch deutet immerhin die bekannte Sage von der Entstehung des B. aus den Thränen der ihren Bruder Phaethon beweinenden und in Pappeln verwandelten Heliaden (vgl. z. B. Eur. Hippol. 732. Apoll. Rhod. IV 602. Strab. V 215. Paus. I 4, 1. Ov. met. II 363 u. a. m.; vgl. Dilthey De electro et Eridano, Darmst. 1824) auf die richtige Erkenntnis hin, dass der Stoff ein Baumharz sei (vgl. Dahn Bausteine I 23), welche Ansicht denn von den Naturforschern auch mehrfach direct ausgesprochen worden ist, so von Aristot. meteor. IV 10 p. 388 b 18. Plin. a. a. O. 42 (dagegen nennt Theophr. de lapid. 29 den Β. λίθος); nur glaubte man, dass diese Harzbildung noch beständig fortdauere, und war über die B. erzeugenden Bäume durchaus im unklaren (vgl. Waldmann 12, 18). Ebenso waren über den Eridanos, den Fluss, an dessen Ufer die Sage die Verwandlung der Heliaden verlegte und den die spätere Mythendeutung als den Provenienzort des B. betrachtete, sehr verschiedene Ansichten verbreitet; Aischylos identifizierte ihn nach Plin. § 32 mit der Rhone, die er jedoch in Spanien suchte; den meisten galt er für den Po, den Euripides und Apollonios nach Plin. ebd. zusammen mit der Rhone ins adriatische Meer fliessen liessen, während Herod. III 115 die auch sonst verbreitete Ansicht mitteilt und bekämpft, dass der Eridanos in ein nördlich belegenes Meer fliesse. Waldmann 11 weist darauf hin, dass allen drei Deutungen etwas Wahres zu Grunde liege, insofern die Alten den B. von den Ufern der Rhone durch die Massilier und Ligurer, von denen des Po durch die Etrusker und Veneter erhielten, während in der dritten Ansicht eine richtigere Vorstellung von dem fernen B.-Lande im Norden durchschimmere. Moderne Forscher haben denn auch den Eridanos als einen wirklich im Norden zu suchenden Fluss betrachtet; man hat an Elbe, Weichsel, Düna u. a. m. (auch aus etymologischer Spielerei an die Radaune bei Danzig) gedacht, vgl. Werlauff Beitr. z. Gesch. d. nord. B.-Handels (im Neuen staatsbürgerl. Magaz. f. Schlesw.-Holst. 1840) 745ff. (nach Waldmann Anm. 15). Olshausen Verh. d. Berl. anthrop. Gesellsch. f. 1890 (Zeitschr. f. Ethnol. Bd. ΧΧII) 270 spricht sich für die Elbe aus.

Was die Herkunft des von den Alten verarbeiteten B. anlangt (hierüber ausführlich Waldmann 22ff.), so ist zwar die früher ganz allgemein verbreitete Ansicht, dass die Phoinikier den B. direct vom Samlande, von der preussischen Ostseeküste, wo heut die ergiebigste B.-Fischerei und -Baggerei besteht, geholt hätten (vgl. Heeren Ideen I 70), in neuerer Zeit mehr und mehr in Zweifel gezogen und namentlich von Müllenhoff a. a. O. I 213ff. 482 (vgl. Vorw. III) bestritten worden; letzterer meint vielmehr, dass der samländische B. erst seit der Mitte des 1. Jhdts. [298] n. Chr. directer Handelsgegenstand geworden sei, während die frühere Fundstätte und Handelscentrum die Nordseeküste gewesen sei; derselben Ansicht ist Lohmeyer Gesch. v. Ost- und Westpreussen I 5. Dagegen tritt Waldmann unter sorgfältiger Beurteilung der alten Nachrichten, der B.- und Münzfunde dafür ein, dass der B. der Alten in der That der von der Ostsee stammende gewesen sei. Die Nachrichten des Reisenden Pytheas von Massilia, der zuerst in seinen Berichten vom B.-Lande, und zwar als einer Insel im hohen Norden, sprach, sind bei Diod. V 23 nach Auszügen bei Timaios, ferner bei Plin. IV 94. XXXVII 35 erhalten; die moderne Forschung hat dieselben bald auf Ostpreussen, bald auf die cimbrische Halbinsel bezogen, doch ohne sichere Resultate, da ebensowohl die Etymologie der überlieferten Ortsnamen grösstenteils ganz in der Luft schwebt, als die geographischen Angaben, namentlich betreffs der Entfernungen jener Insel vom Festland, über ihre Grösse u. s. w. durchaus schwanken. Immerhin stimmen die meisten darin überein, dass Pytheas nicht über das Nordseegebiet hinausgekommen und dass seine B.-Insel die cimbrische Halbinsel nebst den dazu gehörigen Inseln gewesen, dass aber der B. auch dorthin von der Ostseeküste gekommen, sei; vgl. Müllenhoff 473. Waldmann 30f. und (von diesem citiert) Pierson a. a. O. Redslob Thule, die phoenic. Handelswege nach dem Norden (Leipz. 1855) 26. Abweichend Olshausen Verhandl. der Berl. anthropol. Gesellsch. 1891 (Ztschr. f. Ethnol. Bd. XXIII) 299, der der Ansicht ist, dass die Alten wirklich cimbrischen, nicht samländischen B. einhandelten, und für diesen Handel den Seeweg bestreitet, vielmehr annimmt, dass der B. auf dem Landwege, teils auf der Rhein-Rhonestrasse, teils die Elbe entlang geführt wurde. Dagegen sucht Kothe Neue Jahrb. f. Philol. CXLI (1890) 184 für den samländischen B. zwei Wege nachzuweisen: einen quer durch Europa zum Po, einen über Bornholm und Falster nach Holstein und von da durch Gallien nach Massilia. Dass, namentlich in der älteren Zeit, für den B. auch der Seeweg in Betracht kam, ist, obschon unbeweisbar, doch sehr wahrscheinlich, wenn auch eben in der Art, dass er von der Ostseeküste nach dem Westen zur See gelangte; dagegen ist die Hypothese, dass die Phoinikier, denen wir bei Homer als Händlern mit B.-Waren begegnen, selbst auf ihren Seereisen bis zur Ostsee vorgedrungen seien, sicher abzuweisen.

Die Frage, auf welchen Landwegen der baltische B. dem Süden zugeführt wurde, ist überhaupt schwer und nicht mit Sicherheit zu beantworten. Aus altgriechischen Funden im Norden (besonders dem Funde von Schubin bei Bromberg, s. v. Levezow Abh. Akad. Berl. 1833, 181) hat man schliessen wollen, dass schon im 5. Jhdt. v. Chr. eine Handelsverbindung, die vornehmlich auch B. betraf, zwischen der Ostsee und dem schwarzen Meere bestand; diese, neuerdings namentlich von Sadowski Handelsstrassen der Griechen 72 (vgl. 179); Congrés internat. préhistor. de Budapest I 413, dem sich Waldmann 31ff. anschliesst, näher begründete Hypothese hatte schon bei Humboldt Kosmos II 411 u. a. Billigung gefunden, vgl. Wilberg Einfluss [299] d. klass. Völker auf d. Norden (Hamburg 1867) 40f. Dagegen kommt Genthe Üb. die Beziehungen der Griech. u. Römer z. Balticum, Verhandl. der Karlsruher Philol. Versammlg. 17ff., durch sorgfältige Kritik aller einschlägigen nordischen Funde zu dem Resultat, dass zwar die physikalische Möglichkeit eines pontisch-baltischen Weges zu directem Handel zuzugeben, die thatsächliche Benützung dieses Weges aber geschichtlich unbeweisbar sei (vgl. Furtwängler Goldfund von Vettersfelde, Berl. 1883, 49); wohl aber erscheine die Thatsache eines lebhaften westlicheren, griechisch-baltischen Verkehrs seit dem 4. Jhdt. v. Chr. bis ins 2. Jhdt. n. Chr. durch die Funde gesichert; für diesen Verkehr nimmt Genthe die Strassenrichtung von Makedonien durch Serbien, Ungarn, Schlesien, Posen und Westpreussen an (S. 30). Ebenfalls sicher ist, teils durch etruskische Funde an der Ostseeküste, teils die B.-Gegenstände in den etruskischen Gräbern, die Verbindung zwischen Ostsee und Adria. Wenn die Autoren vor der Kaiserzeit hiervon nichts wissen, so will Waldmann 34 den Widerspruch zwischen den Fundthatsachen und der Überlieferung der Alten dadurch erklären, dass die Etrusker (wie nach seiner Ansicht auch die pontischen Griechen) im ausschliesslichen Besitz der Kunde vom eigentlichen B.-Lande gewesen wären und nur die Waren, nicht aber diese Kenntnis verbreitet hätten, während die griechischen Schriftsteller, die über das B.-Land schrieben, sich an Pytheas anschlossen. Erst bei Plinius und Tacitus finden wir deutlich die Kunde vom ostpreussischen B., Plin. XXXVII 45: DCM p. fere a Carnunto Pannoniae abesse litus id Germaniae ex quo invehitur percognitum est nuper, womit der samländische B. deutlich bezeichnet ist (obgleich Olshausen Ztschr. f. Ethnol. XXII 287 annimmt, Plinius habe die Nordseeküste gemeint) und Tac. Germ. 45: ergo iam dextro Suebici maris litore Aestiorum gentes alluuntur .... sed et mare scrutantur, ac soli omnium sucinum, quod ipsi glaesum vocant, inter vada atque in ipso litore legunt, wo man unter den Aestiern die (nicht germanischen) Altpreussen versteht, s. Baumstark Ausführl. Erläuterg. der Germania des Tac. (Leipz. 1880) 274. Diefenbach a. a. O. 357. Über die Landwege, auf denen der B. nach dem Süden kam, handeln besonders Sadowski a. a. O. Müllenhoff Altertumsk. I 211. 462. Genthe Etrusk. Tauschhandel n. d. Norden (Frankf. a. M. 1874) 65 und in der Monatsschr. f. rhein.-westphäl. Geschichtsforschg. II 1. Müller-Deecke Die Etrusker I 265. Waldmann 37ff., der vornehmlich die Rheinstrasse, die adriatisch-baltische und die (bezweifelte, s. o.) adriatisch-pontische behandelt. Die Ansichten von Kothe und Olshausen sind oben angeführt; letzterer stützt sich dabei vornehmlich auf die Hypothese, dass die in Gräbern sich findenden goldenen Spiralen das Tauschmittel für den B. abgegeben hätten, und dass darnach der Weg des B.-Handels, den er bis zur römischen Kaiserzeit von der Nordsee herkommen lässt, bestimmt werden müsse.

Eine sehr bestrittene Frage ist, inwieweit die Alten fossilen B. gekannt und verarbeitet haben. Theophr. lapid. 29 spricht von dem in Ligurien gegrabenen ἤλεκτρον, was Plin. § 33 citiert; ebd. [300] wird Philemon als Gewährsmann für fossilen B. angeführt, der in Skythien an zwei Stellen gegraben werde. Capellini Congr. internat. d’anthropol. de Stockholm (1873) 791 hat die Ansicht verfochten, dass die zahlreichen B.-Funde der italischen Gräber, namentlich bei Bologna, aus solchen fossilen (in der Emilia, in Lucanien, auf Sicilien vorkommenden) B. beständen; ferner hat J. Friedländer in der Arch. Zeitg. 1871, 49 auf antike Arbeiten aus ähnlichem, durch dunkelrote Färbung sich kennzeichnenden B. aufmerksam gemacht, ebenso Guardabassi im Bull. d. Inst. 1876, 97. Indessen hat Helbig Comm. d. ambra 2 sich offenbar mit Recht dagegen ausgesprochen, da die Beschaffenheit der in Rede stehenden B.-Funde durchaus dem Ostsee-B. entspricht, und ferner, weil die Litteratur der klassischen Zeit im allgemeinen von dem in Italien gefundenen B. schweigt, speciell auch Herodot den B. ganz ausdrücklich als Product der fernsten Oceansküste erklärt und nur Theophrast diesen fossilen B. erwähnt. O. Schneider Naturwissenschaftl. Beitr. zur Geogr. u. Culturgesch. (Dresden 1883) 179 weist nach, dass die fossilen Harze, die in Italien gefunden werden, kein eigentlicher B. sind, während die auf ihren Gehalt an B.-Säure untersuchten B.-Perlen der oberitalischen Gräber aller Wahrscheinlichkeit nach Ostsee-B. sind. Zu ähnlichen Resultaten hat die (von Helm ausgeführte) chemische Untersuchung von B.-Funden aus Mykenai geführt, die ebenfalls alle Eigenschaften des baltischen B. (worunter allerdings nicht nur der von der Ostseeküste, sondern überhaupt der von den Küstenländern der Ostseeprovinzen bis nach Holland hin vorkommende verstanden wird) aufweisen, s. Schliemann Tiryns 425.

Ganz fraglich ist die Beschaffenheit des sagenhaften Lyncuriums. Es wird ebenfalls von Theophr. a. a. O. 28 beschrieben: darnach wird es zu Siegelringen geschnitten, ist hart wie Stein hat dieselbe Anziehungskraft wie der B., ist durchsichtig und kalt; man finde es in der Erde, in der der Luchs, aus dessen Urin es entsteht, diesen vergrabe. Andere Stellen, die von diesem Stoffe handeln, sind Strab. IV 200 (λυγγούρια unter den nach Britannien importierten Sachen). 202 (bei den Ligyern πλεονάζει καὶ τὸ λιγγύριον, ὅ τινες ἤλεκτρον προσαγορεύουσι). Ael. n. an IV 17. Plin. XXXVII 52f., wonach die Autoren es vom Β. unterschieden; doch wurde es, wie Strab a. O. zeigt, auch mit diesem identificiert, ebenso von Demostratos bei Plin. § 34, ferner Hesych. s. v. Dieser Identifizierung, wonach λυγκούριον nur eine andere Bezeichnung für B. wäre, haben auch Neuere zugestimmt, s. die Abhandlung von Napione Sul lincurio, die mir unzugänglich ist (wie auch Helbig Commerc. d. ambra 5, 2), ferner Genthe Etrusk. Tauschhandel 105. Müller-Deecke Etrusker I 267. Freilich ist alles, was von diesem angeblichen Halbedelstein (bei Joseph. ant. Iud. III 168 kommt er anscheinend als λίγυρος unter anderen Edelsteinen vor) berichtet wird, so fabelhaft und auf Aberglauben beruhend, dass Helbig auf diese Notizen überhaupt keinen Wert legen will und die Möglichkeit, daraus die Verwendung fossilen italischen B.s zu belegen, ablehnt. Allein die von den oben Genannten angenommene Entstellung des Namens [301] aus λιγούριον = λιγυστικόν hat doch viel für sich, vgl. M. Schmidt Ztschr. f. vergl. Sprachforschg. XV (1860) 400. Waldmann 18, 39, und die Vermutung von Genthe a. a. O., dass der B. von italischen Händlern unter dem Namen λιγούριον δάκρυ, Ligurerharz, nach Griechenland gebracht worden sei, wohin es durch den Landhandel über Gallien kam, ist um so beachtenswerter, als Ligurien auch sonst von Schriftstellern als Heimat des B. angegeben wird (Theophr. a. a. O. 29. Plin. a. a. O. 23f.). Mindere Wahrscheinlichkeit hat die Ansicht von Schneider Naturwissensch. Beitr. 183, der, vom sicilischen B. handelnd, diesen für das Lyncurium erklären, den Eridanos im sicilischen Flusse Symaithos und in der Bezeichnung sacal, wie nach Plin. § 36 der B. in Ägypten hiess, die Beziehung auf Sicilien erkennen will.

Was den Gebrauch des B. anlangt, so hat Helbig a. a. O. 10ff. aus den Gräberfunden den interessanten Nachweis geführt, dass in der Wertschätzung dieses Materials bei den Alten gewisse im Lauf der Jahrhunderte eingetretene Wandlungen zu unterscheiden sind. Sehr geschätzt war er unzweifelhaft im homerischen Zeitalter, was sowohl aus den Erwähnungen bei Homer hervorgeht, als aus den Funden von Mykenai, unter denen der B. sehr zahlreich vertreten ist (in Troia und Tiryns fehlt er), sowie vom Kuppelgrab von Menidhi (Kuppelgr. 22. 37). Dagegen fehlen alle Anzeichen, dass er von der Zeit ab, wo griechische Kunst und Kunstgewerbe sich zu entwickeln anfingen, bis auf die römische Epoche in Griechenland irgendwie umfangreiche Verwendung gefunden habe. Die Naturforscher und Philosophen (schon Thales nach Diog. Laert. I 24) sprechen zwar von dem Material, dessen merkwürdige Eigenschaften, zumal die Anziehungskraft, sie interessierten (vgl. Plat. Tim. 80 C. Aristot. Theophr. aa. OO. u. h. pl. IX 18, 2), und die Dichter nennen ihn gelegentlich der Phaethon- und Heliadensage (s. o.); dass man ihn kannte, zeigen auch die Vergleiche, zu denen seine Farbe und Aussehen benützt wird, s. Hippocr. morb. vulg. III 535 K. Xenoph. anab. II 3, 15 (so auch Athen. XIV 651 B). Arist. an. gener. II 2, 736 a 5; und für gelegentliche Verwendung zur Zierrat spricht auch Arist. Equ. 531 (über diese Stelle, die Helbig anders auffasst, s. Blümner Technologie II 384, 2). Dass aber im allgemeinen der B. im Kunstgewerbe und Schmuck damals keine Rolle spielte, das geht ebensowohl aus dem Fehlen von Erwähnungen derart in der Litteratur jener Zeit, als aus den Gräberfunden hervor, in denen B. durchaus mangelt. Helbig führt dies darauf zurück, dass der B. sich für künstlerische Behandlung nicht gut eignet, wegen seiner glänzenden Oberfläche und Durchsichtigkeit. Ähnlich steht es mit der Verwendung des B. in Italien. In den Pfahldörfern der Poebene ist B. bekannt, scheint aber noch selten gewesen zu sein (vgl. Helbig Italiker in d. Po-Ebene 21); späterhin bildet der Appennin eine gewisse Grenzscheide, indem östlich davon der B. sich zunächst in denjenigen Schichten findet, in denen die sog. geometrische Decoration beliebt ist (Bologna bes. Villanova), dann aber auch in denen der folgenden Epoche (Certosa, Marzabotto), so dass sich hier B.-Funde mit [302] Vasen aus dem Ende des 5. und Anfang des 4. Jhdts. berühren. Anders westlich vom Appennin. In den Gräbern, die in der Kultur den Funden von Villanova entsprechen (z. B. vom Esquilin, von Alba Longa), ist B. fast gar nicht vertreten; dagegen sind reich daran die jüngeren Gräberfunde, die phoinikischen Import aufweisen, wie in Corneto, Veii (Grab Regulini-Galassi) u. s. w.; namentlich sind Schmucksachen, Fibeln, Schwert- und Messergriffe vielfach damit verziert. In denjenigen Gräbern dagegen, die griechische Vasen mit schwarzen oder roten Figuren aufweisen, fehlt westlich vom Appennin der B. beinahe ganz. Mit dem griechischen Einfluss verschwindet also im eigentlichen Etrurien, in Latium und Campanien der B.-Import. Es stimmt mit diesen Beobachtungen, dass die römischen Autoren jener Zeit, zumal die Komiker, den B. gar nicht erwähnen. Erst in der letzten Zeit der Republik beginnt er wieder als Material für Schmucksachen, Geräte u. dgl. beliebt zu werden, und in der Kaiserzeit muss er, worauf besonders die Schriftsteller hindeuten, ganz besonders geschätzt gewesen sein (s. die ausführlichen Belege hierfür bei Helbig Comm. d. ambra 12ff.; vgl. Martha L’art étrusque 81. 85. 558). Auch dies darf als Beweis für das Jahrhunderte hindurch andauernde Stocken im B.-Verbrauch Italiens gelten, dass allem Anschein nach Herkunft und Handelswege in dieser Zeit in Vergessenheit gerieten, so dass Plin. § 45 sagen konnte, dieselben seien erst neuerdings näher bekannt geworden, vornehmlich durch einen römischen Ritter aus der Zeit Neros, der damals die B.-Küste und die Händler dort aufsuchte; und weiter stimmt dazu der Umstand, dass auf den Handelsstrassen nach dem Samland sich Münzen aus der republicanischen Zeit so gut wie gar nicht, solche aus der ersten Kaiserzeit sehr selten, dagegen seit dem Ende des 1. Jhdts. n. Chr. in immer zunehmender Menge finden, s. Waldmann 55; vgl. Sadowski Handelsstrassen 186, der die Zeit Vespasians als die des lebhafter werdenden B.-Handels betrachtet, v. Ritter Mitt. d. k. k. Centralcommission 1889, 106. Dazu Plin. § 41: in ea re quae cotidie invehatur atque abundet vgl. mit Tac. a. a. O.: diu quin etiam inter cetera eiectamenta maris iacebat, donec luxuria nostra dedit nomen.

Was die Arten des B. betrifft, so war nach Plin. § 47 zu seiner Zeit der weisse und wachsfarbene (cerinum) ohne Wert und wurde nur zum Räuchern benützt. Für Schmucksachen bediente man sich vornehmlich des rötlichen (fulvum) und schätzte bei diesem wieder ganz besonders die durchsichtige Gattung (während heut der wolkige, undurchsichtige der teuerste ist); die beste Sorte hiess Falerner, wegen der Ähnlichkeit mit der Farbe dieses Weines. Zu künstlicher Färbung diente Abkochen in Honig (s. Blümner a. a. O. 386, 1), ferner Bockstalg, färbende Ochsenzunge (Anchusa), Meerpurpur (Plin. § 48); heute ist Kochen in siedendem Öl üblich (Runge Bernstein in Ostpreussen 67). Auch liebte man es, durch solche Färbemittel dem B. das Aussehen von Edelstein, besonders des Amethysts, zu verleihen (Plin. § 51).

Verarbeitet wurde der B. vornehmlich zu Schmucksachen und kleineren Geräten. Seine Verwendung [303] für Frauenschmuck hebt Ovid. met. II 366 hervor; vgl. Verg. Cir. 434 (neben Korallen). Plin. § 30: in deliciis, feminarum tamen adhuc tantum. So waren besonders die Halsketten aus B.-Perlen, wie die bei Homer (vgl. Etym. M. p. 425, 15) erwähnten, nach Plin. § 44 bei den Transpadanorum agrestibus feminis monilium vice beliebt, und zwar maxime decoris gratia, sed et medicinae, creditur quippe tonsillis resistere et faucium vitis; solchen Halsketten gehören grösstenteils die in Gräber gefundenen B.-Perlen an, so von Mykenai, Schliemann Mykenae 235. 283. 353. Ferner fertigte man daraus Ringe (Theophr. lap. 28. Artemid. On. II 5; vgl. Bull. d. Inst, 1861, 66. v. Ritter a. a. O. 154). Besatz oder Verzierung von Spangen, Fibeln, Brustschilden u. dgl. (Heliod. Aeth. III 3. Genthe Etrusk. Tauschh. 37. 48. 139 u. s.), an Griffen von Schwertern oder Messern (Plin. § 45. Eustath. ad Dion. Perieg. 288. Genthe 19. 154. Bull. d. Inst. 1875, 219), Anhängsel, die zugleich als Amulette dienten, vgl. Plin. § 51 (solche z. B. Bull. d. Inst. 1842, 37 und vgl. Jahn Ber. d. Sächs. Gesellsch. 1855, 44), kleinere Gefässe (σκεύη ἠλέκτρινα, Dio Chrys. or. XIV p. 434 R.) und Geräte (Iuv. 5, 37, wohl auch 14, 307. Apul. met. II 19. Dig. XXXIV 2, 32, 5 kann auch an das metallische electrum gedacht werden, wie auch Hist. Aug. trig. tyr. 13; ungewiss bezüglich der Verwendung Mart. IV 12. VI 15), Messer zum Herrichten der Pilze (Plin. XXII 99), Spinnwirtel (ebd. XXXVII 37: in Syria), Kugeln, die die Römerinnen zur Abkühlung oder des Wohlgeruchs wegen in den Händen trugen (Mart. III 65, 5. V 37, 11. XI 8, 6. Iuv. 6, 573. 9, 50). Bildliche Darstellungen finden sich natürlicherweise nur in kleineren Stücken, vgl. Plin. § 49: taxatio in delicis tanta ut hominis quamvis parva effigies vivorum hominum vigentiumque pretia exsuperet; eine bernsteinerne εἰκών des Augustus zu Olympia erwähnt Paus. V 12, 7 (vgl. dazu Schubart Rh. Mus. XV 103); erhaltene figürliche Darstellungen s. Bull. d. Inst. 1842, 37. 1876, 97. Ann. d. Inst. VI 1834, 271. Panofka Musée Pourtalés p. 220. v. Ritter a. a. O. 155. 244, aus Aquileia, u. a. m. Abgesehen von dieser Verwendung für Schmuck und Geräte bediente man sich des B. zum Räuchern, vgl. Plin. § 47, woher wohl auch der Name der einen Sorte bei Plin. § 40: thium kommen könnte; doch hat die Hypothese v. Ritters a. a. O. 153, dass die auf metallene Nadeln aufgereihten B.-Perlen in Gräbern (s. die Abb. ebd. 250) dazu gedient hätten, vom Stab abgestreift in die Flamme des Opfers oder des Scheiterhaufens geworfen zu werden, wenig Wahrscheinlichkeit. Auch in der Medicin fand der B. häufig Anwendung, vgl. Plin. § 44. 50f. Diosc. I 110 (113). II 100. Galen. XIII 86 K. Oribas. V 131. 872 Daremb. Mich. Psell. π. λίθ. δυνάμ. XIV 36.

Über den Β. im Orient vgl. J. Oppert L’ambre jaune chez les Assyriens, Recueil d. trav. rélat. à la philol. et à l’archéol. égypt. II (1880) 33ff. K. G. Jacob B. im Orient, ZDMG XLIII (1889) 353. Nur dem Namen nach ist mir bekannt geworden (ausser einigen der oben angeführten Schriften) Henry Martin Du succin, de ses noms divers et de ses variétés, Paris 1860. Literaturzusammenstellungen [304] bieten Baumstark Ausführl. Erläuterg. d. Germania d. Tacitus 267ff. Waldmann a. a. O. 5f.; Zusammenstellung von Funden ebd. 85. A. Jacob in Daremberg-Saglio Dictionn. des antiqu. II 534, 56.