RE:Rom

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt
Band I A,1 (1914) S. 10081061
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Rom.

Geschichte. Wenn Livius für das römische Volk ganz besonders das Recht in Anspruch nimmt, consecrare origines suas et ad deos referre auctores (I praefat.), so muß man staunen über die Klarheit, mit der er die Sachlage erkannt hat. Wie etwa die deutsche Kaiserchronik des 12. Jhdts. mit den goldenen Fäden der Sage die Taten der Kaiser umsponnen hat, so ist auch die Überlieferung der ältesten römischen Geschichte ein buntes Gemisch, in dem [1009] Mythus, Sage und hier und da ein Kern wirklicher Tatsachen durcheinander gewoben sind. Vielleicht ist die Sage von Romulus und Remus dennoch ein italischer Dioskurenmythus, der von den griechisch-spartanischen Götterjünglingen durch Vermittlung der Etrusker in sehr früher Zeit verdrängt wurde, so daß diese schon am Anfange des 5. Jhdts. v. Chr. auf dem Forum einen Tempel erhielten und als Indigetes betrachtet wurden (W. Schwartz Der Ursprung der Gründungssage Roms, Jena 1878. Myriantheus Die Açvins od. arische Dioskuren, München 1873). Denn da die Letten, die Germanen und besonders die Kelten, die den Italikern doch am nächsten stehen, hohe Verehrer der Dioskuren waren (Diod. IV 56: τοὺς παρὰ τὸν Ὠκεανὸν κατοικοῦντας Κελτοὺς σεβομένους μάλιστα τῶν θεῶν τοὺς Διοσκούρους, nach Timaios), so ist es nicht glaublich, daß die Italiker ursprünglich nicht auch ihre eigenen Dioskuren gehabt hätten. Auch erinnert die Aussetzung des germanischen Wolfdietrich (Grundriß der german. Philolog. III 1900, 674) und die Geburt des Kastor und Pollux im wilden Taygetos (Preller Griech. Mythol.³ II 93) stark an die Aussetzung der römischen Zwillinge. Ihre Zweiheit aber auf das Consulat zurückzuführen (Mommsen Herm. XVI 1), geht nicht an, da ja die ähnlichen Divi fratres von Tibur und Praeneste (Preller Röm. Mythol. II 339. 342. Verg. Aen. VII 670. Serv. Aen. VII 678) ebenfalls gedoppelt erscheinen. Dem Livius hat seine Erkenntnis wenig genützt, wie allen römischen Forschern; die Wolke, die vor der Wirklichkeit lagerte, war zu undurchdringlich. In der neueren Zeit ist daher die Überlieferung mit immer scheelerem Blick betrachtet und für die ältere Zeit fast ganz über Bord geworfen worden; nur so konnte man zur Wahrheit gelangen. Wissowa hat das Verdienst, den Versuch gemacht zu haben, auf dem Gebiete der italischen Religion das Altitalische von dem Etruskischen und Griechischen, die Indigetes von den Novensides zu sondern. Doch auf allen Gebieten lagern die Schichten in gleicher Weise über- und ineinander, wie es wohl am klarsten W. Schulze an der Verquickung der römischen Namen (Zur Gesch. d. lat. Eigennamen, Abh. d. König. Ges. d. Wiss. zu Göttingen V 5, 1904) dargetan hat. Freilich manchmal ist man in der Geringschätzung der Überlieferung auch wohl zu weit gegangen. Daß eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Taten des Tarquinius Priscus und Superbus vorliegt, kann man Pais (Storia di Roma I 1898, 347. 466) getrost zugestehen; aber daraus folgt noch nicht, daß die beiden Gestalten identisch sind, wieviel Legenden auch an sie angeknüpft sein mögen. Gerade weil die römischen Annalisten so wenig sichere Nachrichten hatten, entstanden solche Ähnlichkeiten. Da aber das Geschlecht der Tarquinier in Etrurien so ausgebreitet war, so spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß es R. mehrere Herrscher geliefert hat. Wie geeignet auch das Werk von Pais ist, das kritische Gewissen zu schärfen, so hat er seinerseits dennoch viel Willkürliches geschaffen, da er die Ausgrabungen zu wenig beachtet. Hätten ihm schon Pinzas hervorragende Untersuchungen (Monum. [1010] ant. d. Lincei XV 1905) vorgelegen, so würden seine Zweifel oft andere Form angenommen haben. Denn in allen diesen Fragen können nur die Ausgrabungen eine feste Richtschnur geben. Allerdings sind die Ergebnisse für die Frühzeit R.s spärlich, da man meist bei einer bestimmten Tiefe halt gemacht hat, ohne bis zur Terra vergine hineinzuleuchten. Könnte man in R., wie in Pompeii, ungehindert durch moderne Bauten, bis auf den Fels dringen, würde das Bild auch der ältesten Zeiten ein viel bestimmteres werden. So aber wird das Dunkel, das die älteste Geschichte R.s verhüllt, wohl noch lange über demselben lagern.

Literatur: Ann. d. Inst. = Annali dell’ Istituto di Corrispondenza Archeologica, Rom bis 1885. Binder Plebs = Die Plebs, Untersuchungen zur röm. Rechtsgeschichte 1909. Bull. com. = Bullettino della Commissione Archeologica Comunale di Roma. Rom. Bull. d. Inst. = Bullettino dell’ Istituto di Corrispondenza Archeologica, Rom. CIL = Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin. Durm Baukunst² = Die Baukunst der Römer, 2. Aufl. 1905. Feldmesser = Schriften der römischen Feldmesser, herausg. von Lachmann, Rudorf, Mommsen I 1848. II 1852. Gardthausen Aug. = Augustus und seine Zeit, Leipzig 1891 u. 1904. Gilbert Topogr. = Geschichte u. Topographie der Stadt Rom im Altertum. 3 Bde. 1883–1890. Gregorovius Gesch. = Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter I⁵ 1910. Hülsen I 3 = Topographie der Stadt Rom im Altertum von Jordan I 3, 1907. Hülsen Form. Urb. = Formae Urbis Romae antiquae delin. Kiepert-Hülsen² 1912. Jordan Topogr. = Topographie der Stadt Rom im Altertum I 1 und 2. II 1871–1885; Form. Urb. = Forma Urbis Romae Regionum XIV, Berlin 1874. Lanciani Ruins = The Ruins and Excavations of ancient Rome 1897. Mommsen St.-R. = Römisches Staatsrecht 3. Bd. 1887ff. Mon. d. Lincei = Monumenti antichi publicati per cura della R. Accademia dei Lincei, Milano 1890ff. Niese Röm. Gesch.³ == Grundriß der römischen Geschichte³, München 1906. Not. scav. = Notizie degli Scavi di Antichità communicate alla R. Accademia dei Lincei, Roma-Milano 1876ff. Pais Stor. = Storia di Roma I 1 und 2, 1898/99. Platner Topogr.² = The Topography and Monuments of Ancient Rome², Boston 1911. Richter Topogr.² = Topographie der Stadt Rom⁵, München 1901; Beiträge = Beiträge zur römischen Topographie, Berlin 1903–1910. Schiller Röm. Gesch. = Geschichte der römischen Kaiserzeit I und II, Gotha 1883 u. 1887. Seeck Gesch. = Geschichte des Untergangs der antiken Welt I–IV, Berlin 1897–1911. Schneider = Das alte Rom, Leipzig 1896. Urlichs Cod. top. = Codex Urbis Romae topographicus, Wirceburgi 1871. Wissowa Ges. Abh. = Gesammelte Abhandlungen zur röm. Religions- und Stadtgeschichte 1904.

Die Einteilung der Geschichte R.s ergibt sich aus dem Zusammenhange seiner Entwicklung mit den weltgeschichtlichen Ereignissen. Danach erhält man für das Altertum drei große Perioden:

[1011] 1. Die Königszeit bis etwa 500 v. Chr.; 2. Die republikanische Zeit bis 31 v. Chr.; 3. Die Kaiserzeit 31 v. Chr. bis in das 6. Jhdt. n. Chr. Die besondere Gliederung dieser Perioden, die verschieden vorgenommen werden kann, muß bei den einzelnen Abschnitten betrachtet werden.

I. Rom in der Königszeit.

Unsere Topographen pflegen in der Entwicklung R.s unter den Königen vier Stufen zu unterscheiden: 1. Die Roma quadrata auf dem Palatin; 2. Die Septimontialstadt; 3. Die Stadt der vier Regionen; 4. Die servianische Stadt. Dabei ist aber die wichtigste Teilung, die nicht nur für R., sondern auch für Latium, Etrurien, ja sogar ganz Norditalien maßgebend ist, nicht berücksichtigt. Denn in diesen Landstrichen folgt überall auf die voretruskische Zeit, die man in Latium lazialisch nennt, die Zeit der etrus-kischen Herrschaft. Auch auf R. muß man daher diesen wichtigsten Grundsatz der Teilung anwenden.

A. Rom in voretruskischer (lazialischer) Zeit.

1. Die Palatinstadt. Darin, daß der älteste Kern R.s eine Siedlung auf dem Palatin gewesen sei, ist die antike Überlieferung (Varro de l. l. V 164. Fest. s. Romam 266 M. 362 Thew. Tac. ann. XII 24. Plut. Rom. 3. Dionys. I 87. Liv. I 7. Gell. XIII 14) mit den meisten modernen Forschern einig (Niebuhr Röm. Gesch. 1843, 235. Schwegler Röm. Gesch. I 441. Mommsen Röm. Gesch.⁹ 1903, 47. Becker Topogr. = Handbuch d. röm. Altertümer I 93. Jordan Topogr. I 1, 162. Pohlmann D. Anfänge Roms 1881, 40. Gilbert Topogr. I 36. Richter Topogr.² 30. Hülsen Topogr. I 3, 35 und Form. Urb.² Taf. I Nebenkarte). Erst jüngst hat man gegen diesen Satz in dieser und jener Hinsicht Einspruch erhoben. Pinza löst die Stadt in Einzeldörfer auf, die auf den Hügelkuppen gelegen hätten (Mon. d. Lincei 1905, 747), so daß der Palatin dann seinen Vorrang verliert. Nissen (Ital. Landeskunde² II 1902, 495) meint, daß die älteste Siedlung auf dem Esquilin gelegen habe. Die Tatsache, daß es in Tibur eine Porta Esquilina gab (CIL XIV 3679 a, vgl. Binder D. Plebs 1909, 9; dagegen Hülsen I 3, 255), muß man wohl zugestehen. Aber der weitere Schluß ist bedenklich, da es ja auch in Tibur eine Vorstadt Esquiliae gegeben haben kann und der Name viel späteren Ursprungs sein kann. Degering (Philolog. Wochenschrift 1903, 1645ff.) und ähnlich Kornemann (Klio 1905, 89, 2) verlegen die älteste Siedlung auf den Quirinal, und das hat insofern etwas für sich, als die älteste Salzstraße, die Via Salaria, vom Quirinal mehr beherrscht wurde als vom Palatin. Doch die Gründe sind nicht durchschlagend, da die Ausgrabungen auf dem Palatin die Siedlung als zum mindesten in der Villanovazeit vorhanden erweisen.

In jene ferne Zeit, als einst die Ahnen der Latiner in jene Gegenden einzogen und mit den ligurischen Urbewohnern zusammenstießen, leuchtet kein Strahl hinein. Aber wenn Varro (r. r. in 1) sagt: fuit tempus, cum rura colerenlt homines neque urbem haberent; ... quo agri [1012] coli sunt coepti atque in casis et tuguriis habitabant, nec murus nec porta quid esset sciebant, so hat er den damaligen Zustand richtig geschildert, sei es, daß man die Italiker als Einzelsiedler betrachtet (Kornemann Klio 1905, 79. Rudorf Feldmesser II 238. Marquardt Röm. St.-V. I 3. Schulten Philologus LIII 656) oder als Dorfsiedler (Mommsen St.-R. III 120. Pöhlmann Anfänge Roms 31. Ed. Meyer Gesch. d. Altertums II 294. 517) oder als beides (Nissen Landeskunde² II 13). Die Bevölkerung wohnte in pagi, Gaubezirken. Vicus war noch das Bauernhaus, auch tribus bezeichnete wohl noch, wie im Oskischen, Altnordischen und einigen keltischen Dialekten, das Gehöft, oder wie im Gotischen das Ackerland (Holder Altkelt. Sprachsch. II 1904 s. trebo. Alois Walde Lat. etymol. Wörterbuch s. tribus). Eine Stadt urbs gab es damals noch nicht ) (Carter Röm. Mitt. 1910, 76). Steinmauern kannte man noch nicht, wohl aber Erdwälle mit Palisaden. Die Bewohner der pagi hatten einen Ringwall als Zufluchtstätte, ein oppidum, wie es Caesar (bell. Gall. V 21, 3) bei den Britanniern gesehen hatte, ähnlich den altgermanischen Ringwällen; denn oppidum bedeutete ja nichts anderes als Befestigung (= carceres noch bei Naevius, Varro de l. l. V 153; vgl. Kornemann Klio 1905, 85). Eine solche Pfahlburg war zu allererst auch der Palatin. Es ist zu beachten, daß Ennius (Varro de l. l. VII 45) dem Worte Pālatualis, das man schwerlich von Palatium (Fest. s. Palatualis flamen 245 M. 284 L.) oder von Palatuar (Fest. 348 M. 476 L., vgl. Pinza Mon. d. Lincei 1905, 785) trennen kann, ein langes a in der ersten Silbe gibt. Und wenn Naevius Palatium mit balare in Verbindung brachte (Varro de l. l. V 53: itaque Naevius Balatium appellat. Fest. 220 M. 1245 L.: Palatium ... quod ibi pecus pascens balare consueverit), so kann es keine Frage sein, daß er mit Ennius in der Aussprache genau übereinstimmte, die dem Verrius Flaccus bekannt gewesen sein muß. Noch Martial folgt derselben Regel (I 70, 5: Inde sacro veneranda petes Pālatia clivo). Daß Ovid und viele Dichter jener Zeit im Verse sich anders mit dem schwerzubezwingenden Eigennamen abfanden, kommt neben so alten Zeugen gar nicht in Betracht, mögen sie auch noch so viele Nachtreter gehabt haben. Dann aber kann Pālatium aus paxtatium entstanden sein und bedeutet nichts anderes als Pfahlburg. Dieser Ringwall ist der erste Kern der Stadt R. geworden.

Dafür, daß diese Gauburg auf dem Palatin der Ausgangspunkt der Entwicklung war, spricht auch die vermutlich sehr alte Sage vom Lupercal, wo die beiden Zwillinge, ursprünglich die italischen Dioskuren, von der Wölfin genährt wurden (Dionys. I 79. Serv. Aen. VIII 343. Ovid. fast. II 375. Vellei. I 15. Hülsen Topogr. I 3, 37. Richter Topogr.² 35. 133). Dionysios berichtet sogar, daß man das Lupercal, das jetzt unter haushohem Schutt in der Nähe der Scalae Caci begraben liegt, noch gezeigt habe (I 79: τὸ δὲ ἄντρον ... τῷ Παλλαντίῳ προςῳκοδομημένον δείκνυται). Und Ovid sagt, daß von der Ficus ruminalis, unter der die Wölfin gelegen [1013] hatte, noch Spuren vorhanden seien (fast. II 375: remanent vestigia). Ferner macht das Fest der Luperci, die durch ihren Umlauf um den aus Cermalus und Palatinus bestehenden Hügel eine Entsühnung jährlich am 15. Februar vornahmen, einen sehr altertümlichen Eindruck (Varro de l. l. VI 34. Dionys. I 80. Plut. Rom. 21). Und wenn es auch zwei Gruppen von Luperci gibt, die Fabiani und Quinctiales (Paul. 87 M. 78 L. Fest. 257 M. 308 L. CIL VI 1933. Ovid.: fast. II 377; vgl. Binder Plebs 114), von denen die Fabiani ihr Opfer auf dem Quirinal vollzogen (Liv. V 46), so ist der Beweis, daß die Luperci Collini die älteren waren, nicht zu erbringen. Überhaupt scheint die Beziehung der Luperci zu jenen Geschlechtern späteren Ursprungs zu sein, wie auch Paulus (87 M. 78 L.) sie herleitet a Fabio et Quintilio praepositis suis (vgl. Fest. 257 M. 308 L. Binder Plebs 117). Nur das ist sicher, daß auch der Quirinal seine Luperci hatte.

Wenn freilich unsere Topographen (Richter Topogr.² 32) auf jene erste Stellung des Palatin die Worte des Varro beziehen oppida condebant Etrusco ritu (de l. l. V 143) oder des Cato (Serv. Aen. V 755: quem Cato in originibus dicit morem fuisse. Conditores enim civitatis taurum in dextram, vaccam intrinsecus iungebant et ita sulco ducto loca murorum designabant), so vergessen sie, daß jene Urburg, wie die Ausgrabungen zeigen, lazialisch war, also einer Zeit angehört, in der es noch gar keine Etrusker in Latium und auch wohl noch nicht in Italien gab (Kornemann Klio 1905, 85. Körte Art. Etrusker o. Bd. VI S. 743). Auch den Namen Roma quadrata darf man nicht in so frühe Zeit zurückversetzen; derselbe ist vielmehr jung (Degering Philol. Wochenschr. 1903, 1645). Noch Ennius versteht unter Roma quadrata nur den mundus des Palatin und setzt ihn symbolisch für die ganze Stadt (Fest. 258 M. 312 L.: Quadrata Roma in Palatio ante templum Apollinis dicitur, ubi reposita sunt, quae solent boni ominis gratia in urbe condenda, adhiberi . .. Ennius ... Et quis est erat [exstiterit] Romae regnare quadratae?). Ursprünglich waren die Umrisse des Palatin viel unregelmäßiger; auch trennte eine tiefe Senkung den eigentlichen Palatin vom Cermalus, der westlichen Kuppe. Entstehen konnte die Bezeichnung Roma quadrata für den Gesamthügel erst, als auch der Name Palatinus auf beide Kuppen des Berges sich ausgedehnt hatte. Das aber war noch nicht einmal eingetreten zur Zeit, als die Argeerurkunde im 3. Jhdt. v. Chr. abgefaßt wurde (Wissowa Ges. Abh. 224); denn in derselben wird der Cermalus noch vom Palatin geschieden.

Noch viel weniger ist es möglich zu wissen, wie das Pomerium (Jordan Topogr. I 1, 163. Richter Topogr.² 32. Hülsen I 3. 55) jener ältesten Siedlung oder Pfahlburg auf dem Palatin ausgesehen hat. Es ist nicht einmal sicher, ob überhaupt ein Pomerium im späteren Sinne vorhanden war. Alles spricht eher für das Gegenteil. Wenn Varro (de l. l. V 143) und andere mit Recht das Pomerium mit dem ritus Etruscus in Verbindung bringen, so würde [1014] wiederum eine Zurückversetzung etruskischer Sitte in voretruskische Zeit vorliegen. Man streitet also um des Kaisers Bart, wenn man lange Abhandlungen schreibt über ein Pomerium, das damals noch gar nicht vorhanden sein konnte. Weder Tacitus (ann. XII 24) noch Gellius (XIII 14, 1) konnten für eine Sache, die von ihnen um ein Jahrtausend getrennt war, irgend eine sichere Quelle haben. Die Grenzsteine, auf welche Tacitus sich beruft (ann. XII 24: inde certis spatiis interiecti lapides per ima montis Palatini ad aram Consi, mox ad curias veteres, tum ad sacellum larum forumque Romanum), waren gesetzt worden, damit der Umlauf der Luperci sicher geregelt sei. Oben am Rande des Felsens konnten die Priester doch nicht laufen. Es sieht ja fast so aus, als ob der erste Gründer bei der Festlegung der Grenze schon auf die Ceremonie der Luperci habe Rücksicht nehmen sollen; das ist widersinnig. Im stärksten Gegensatz zu der Umgrenzung dieses Pomeriums, das Tacitus beschreibt, steht die Nachricht des Varro bei Solinus (I 17: Romam condidit Romulus ... ea incipit a silva, quae est in area Apollinis et ad supercilium Scalarum Caci habet terminum). Danach reichte die Stadt oder Befestigung nur bis zum oberen Rande der Scalae Caci, was auch an sich natürlich ist. Die Ausgrabungen haben diese Nachricht bestätigt. Denn wenn auch westlich der Scalae Caci sehr alte lazialische Hüttenböden von elliptischer und rechteckiger Form zu Tage getreten sind, so können einige rechteckige Gräben in dem Treppenaufgang selbst nur als Gräber betrachtet werden, da sie für Hüttenböden viel zu klein sind, z. B. ein Graben, in dem ein bucchero des 7. Jhdt. lag (Not. scav. 1907, 186 Fig. 2, 11). Damals muß also jener Teil der Scalae Caci noch außerhalb gelegen haben. Denn da schon die Terramare der Poebene ebenso wie faliskische Nekropolen der Villanovazeit (Pinza Bull. di Paletnolog. ital. 1898, 51. Pigorini Not. scav. 1895, 13) die Totenstadt außerhalb anlegten, scheint dieser Brauch seit den ältesten Zeiten bei den Italikern gegolten zu haben.

Von höchster Wichtigkeit nicht nur für die älteste Geschichte des Palatin, sondern auch für die Erkenntnis der Folgezeit sind die Ausgrabungen des J. 1907 an den Scalae Caci geworden, über die Dante Vaglieri einen leider widerspruchsvollen Bericht gegeben hat (Not. scav. 1907, 183ff. 264ff. 444ff. 529ff.). Wie der Perserschutt auf der Akropolis von Athen über viele Tatsachen des 6. Jhdts. v. Chr. Licht verbreitet hat, so haben jene Grabungen auf dem Palatin ungeahnte Aufschlüsse gegeben. Da sind zu Tage gekommen: 1. Spuren einer uralten voretruskischen Siedlung, ärmliche Hütten aus der Villanovazeit. Die Vertiefungen, die westlich dicht an den Scalae Caci in dem Tuff ausgehöhlt sind (S. 186 Fig. 2 nr. 1. 2 a-z), darf man mit Sicherheit als Reste von runden und elliptischen Hütten betrachten; die Bruchstücke (S. 198 Fig. 14 und S. 199 Fig. 17) werden mit Recht dem 10. und 9. Jhdt. v. Chr. zugewiesen. Ebenso alt kann die Ansa lunata sein (S. 448 Fig. 12 und 13), die bei den zum Teil rechteckigen Hüttenböden noch etwas weiter westlich (S. 531 [1015] Fig. 48 nr. 9–24) gefunden worden ist. Dasselbe Alter haben einige Funde aus der Nekropole des Forums, die Urna capanna (Not. scav. 1911, 169 Fig. 18), eine zweite (Mon. ant. d. Lincei 1905 nr. 176 Fig. 112 b), ein echter Villanovakrug (Not. scavi 1911, 178 Fig. 22 a). Am altertümlichsten ist das Gefäß Fig. 24 b (Not. scavi 1911, 181), das bronzezeitliche Formen hat (Pinza Mon. d. Lincei 1905, 19 Fig. 6 Krug aus Cantalupo-Mandela; vgl. O. Montelius Civilis, primitive en Italie 1904 II 2 Taf. 128, 5). Danach kann es nicht mehr zweifelhaft sein, daß schon im 10. Jhdt. v. Chr. auf dem Palatin eine ärmliche lazialische Siedlung bestanden hat, lange bevor die Etrusker kamen. R. ist viel älter, als selbst die Römer glaubten.

2. lernen wir aus jenen Funden eine neue, zweite Periode der Entwicklung kennen, in der die etruskische Kultur eindringt und sich bald mächtig ausbreitet; und man wird danach die Vorgeschichte R.s, wie es oben geschehen ist, besser einteilen in 1. die lazialische Periode, 2. die etruskische Periode, nicht in die von den Topographen gewählten Abschnitte. Durch Vermittlung der Etrusker waren wohl gebracht die protokorinthischen Vasen (Not. scav. 1911, 200 Fig. 19; 8. oder 7. Jhdt.), ebenso der Bucchero (Grab nr. 11 S. 186 Fig. 2). Vor allem haben sie die beiden großen Zisternen gebaut, von denen Pinza (Mon. d. Lincei 1905, 787) die eine nach den auf dem Grunde gefundenen Scherben dem 7. Jhdt. zuwies, während die andere noch umfangreichere (Not. scav. 1907, 539 Fig. 58 A, S. 265 Fig. 3 F) nach den Scherben (S. 271 Fig. 11–14) dem 6. Jhdt. angehört.

Sehr bemerkenswert sind ferner, was hier vorweggenommen werden soll, die von einem Tempel des 6. Jhdts. herrührenden architektonischen Bruchstücke, ein Akroterion, Randleiste, Antepagment (mit Kinderprozession S. 274 Fig. 15), Vollrelief vom Giebel (Pferd und Wagen S. 451 Fig. 230). Es ist wohl möglich, daß jene altertümliche Mauer a’–b’ (S. 265 Fig. 3), die genau von Osten nach Westen orientiert ist, dem alten Tempel zugehörte, wie Vaglieri meint (S. 270). Dadurch fällt ein Licht auf eine Nachricht des Dionysios (I 23, 5; vgl. Hülsen Topogr. I 3, 27, 32), der nach Nennung des Lupercal von einem euandrischen Tempel der Victoria spricht. Nur müssen wir an Stelle des Euander die etruskischen Könige setzen. Hier haben die Ausgrabungen einmal eine dunkle Kunde in wunderbarer Weise gerechtfertigt. Sogar die Geschichte des Tempels ist noch zu erkennen, da die dort gefundenen architektonischen Bruchstücke drei Perioden, dem 6., 4. und 2. Jhdt. angehören (Vaglieri 454). Die Annahme von Richter (Topogr.² 135) über die Lage des Victoriatempels wird dadurch vollkommen bestätigt.

Auch von den Mauern, die dort an den Scalae Caci unter tiefem Schutt lagen, können einige der etruskischen Zeit angehören. Die Mauer v–x (S. 268. 270), ebenso wie Mauer p–q und g–h (S. 265 Fig. 3) bestehen aus dunkel-grauem Palatintuff. Ihre Quadern oder Platten haben eine geringere Höhe von etwa 1’ oskisch (= 0,276 m); sie sind völlig ähnlich einem Mauerrest, den Delbrück untersucht hat und [1016] mit dem Fundament des kapitolinischen Iuppitertempels verglich (D. Kapitol von Signia 1903, 9 u. 12). Es scheint, daß in jener frühen Zeit der Toraufgang zwischen Mauer v–x und p–q im rechten Winkel nach Osten abbog, wie etwa in Tiryns der Weg des Aufgangs eine rechteckige Biegung macht.

Noch eine andere Tatsache der Überlieferung findet durch die Ergebnisse der Palatingrabungen D eine Bestätigung. Unter dem Grabe, das einen Skyphos des 4. oder 5. Jhdts. barg (Not. scav. 1907, 186 Fig. 6; vgl. 189. 191. 201), liegt eine Schicht schwarzbraunen Tones, der die älteste Siedlung wie ein Tuch bedeckt. In derselben fanden sich Reste des 6. Jhdts. und früherer Zeit, die des 6. Jhdts. selten, die der früheren Zeit aber häufiger (450. 457). Daß diese zähe, abschließende Tonschicht durch einen Brand geschaffen sei, vermutet schon Dante Vaglieri. Der Brand muß am Ende des 6. oder Anfang des 5. Jhdts. stattgefunden haben, da ja die jüngsten darin enthaltenen Reste dem 6. Jhdt. angehören. Wir stehen auf Porsennas Spuren (Vaglieri 450 gli Etruschi). Wie sehr auch die römische Überlieferung diese Tatsache zu verschleiern versucht, blickt dennoch die Wahrheit hindurch. Ganz offen wählt Tacitus in bezug auf jene Belagerung die Worte dedita urbe (hist. III 72), und Plinius erzählt: in foedere quod expulsis regibus Populo Romano dedit Porsena, nominatim comprehensum videmus, ne ferro nisi in agriculturam uterentur (n. h. XXXIV 39; vgl. Plut. quaest. Rom. 18. Niese Röm. Gesch.3 34). Bei dieser Eroberung wird denn wohl der Palatin von einer Feuersbrunst verheert worden sein, so daß jene schwarze, einhüllende Schicht sich über den Trümmern der früheren Zeit ablagerte.

Somit haben uns die letzten Ausgrabungen auf dem Palatin eine überaus wichtige Tatsache vor Augen geführt. Genau so wie in den Städten Etruriens sind auch in R. zwei große Perioden für die Frühzeit festgestellt: 1. Die lazialische (voretruskische) Zeit ca. 1000–700 v. Chr. 2. Die Zeit der etruskischen Herrschaft ca. 700–500 v. Chr.

Diese Teilung ist ganz sicher und ist daher mehr wert als die üblichen von den Topographen gewählten Abschnitte. Die etruskische Zeit schließt mit einer Eroberung durch die Etrusker ab; doch war das nur der Anfang der Freiheit, die sich die Latiner gegen die fremden Eindringlinge erzwangen.

Auch die Frage, wann zum erstenmal der Quirinal eine Besiedlung erhalten hat, ob das älteste R. aus einer Doppelstadt erwachsen ist, kann nur mit Hilfe der Ausgrabungen entschieden werden. Die Überlieferung schreibt die Besiedelung des Quirinal den Sabinern zu (Varro de l. l. V 51. Plut. Num. 14. Dionys. II 50; vgl. Binder Plebs 139). Am merkwürdigsten ist die Nachricht des Festus: Sacrani appellati sunt Reate orti, qui ex Septimontio Ligures Siculosque exegerunt; nam vere sacro nati erant (321 M. 424 L.). Der Name Quiris und Quirites wird in den ältesten Formeln gebraucht: bei Leichenbegängnissen (ollus Quiris leto datus Fest. 254 M. 304 L. Mommsen St.-R. [1017] III 6, 1), bei Ankündigung der Kompitalfeier (Die noni Populo Romano Quiritibus compitalia erunt, Gell. X 24), bei der Wahl der Virgo Vestalis (Fabius Pictor bei Gell. I 12), bei Verwünschungen (Liv. VIII 9), bei der Kriegserklärung der Fetiales (Liv. I 32, 13), in den Arvaltafeln (Mommsen St.-R. III 6). Daher ist Quirites eine voretruskische Bezeichnung des Volkes, während Romani erst von dem etruskischen Namen Roma abgeleitet ist (Pais Storia I 276. W. Schulze Eigennamen 580. Skutsch s. o. Bd. VI S. 774). Ob nun Quiris mit dem Namen der Stadt Cures in Verbindung steht (Varro V 51. Fest. 49 M. 43 L. Macrob. Sat. I 9, 16) oder mit dem Worte curis ,Lanze‘, jedenfalls galt er sabinischen Ursprungs (Fest. 254 M. 304 L). Die wichtigsten Kulte des Quirinal, des Quirinus (Hülsen Topogr. I 3, 407), des Semo Sancus (Hülsen I 3, 400), der Salus (Hülsen I 3, 403), des Sol (Hülsen I 3, 406) werden als sabinisch betrachtet (Varro de l. l. V 74. Binder Plebs 148ff.). Dabei darf man freilich nicht vergessen, daß die römischen Altertumsforscher vieles als sabinisch ausgeben, das allgemeinitalisch war und nur in R. und vielleicht auch in Latium infolge eines schnelleren Fortschrittes veraltet oder verschwunden war. Auch der Quirinal hatte seine Salii, die Salii Collini oder Agonenses (Varro de l. l. VI 14: in libris Saliorum, quorum cognomen Agonensium. Serv. Aen. VIII 285. Dionys. II 79), die Binder sogar für die älteren hält (Plebs 124, Anm. 126). Die Luperci Fabiani hatten ihr Opfer auf dem Quirinal darzubringen (Liv. V 46. Binder Plebs 115). Also in sehr früher Zeit, so darf man danach annehmen, hat der Quirinal eine Ansiedlung der Sabiner getragen. Jene Stadt freilich zu umgrenzen (Binder Plebs 42), ist gewagt. Den Viminalis und Capitolinus müßte man jedenfalls hineinziehen.

Über die Zeit, wann die Besiedlung des Quirinal begann, können nur die Funde wiederum sichere Auskunft geben. Das Kammergrab auf Piazza Magnanapoli (CLXX bei Pinza Mon. d. Lincei 1905, 261. Not. scav. 1877, 81) kann dem 6. Jhdt. angehören (Klio 1911, 118). Die Stips von S. Maria della Vittoria (Bull. com. 1878, 64) und von Palazzo Hüffer (Bull. Inst. 1880, 234. Annal. Inst. 1880, 158) weist Pinza (Mon. d. Lincei 1905, 260. 779) dem 7. Jhdt. zu. Die drei Gräber der Villa Spithoever, in denen die Skelette in Baumsärgen lagen, rechnet Pinza (a. a. O. 240. Gatti Bull. com. 1896, 17. Hülsen I 3, 397) noch in die erste Phase der Eisenzeit, die er bis etwa 700 v. Chr. ausdehnt. Doch ganz in die Villanovazeit zurück reichen einige Stücke, die bei dem Museo Agrario gefunden worden sind (Not. scav. 1907, 513 nr. 7 Fig. 16; nr. 1 Fig. 10 S. 513; nr. 9 Fig. 18 S. 514). Vor allem fehlt dort importierte Ware, etruskische oder griechische. Somit, hat dort eine italische Siedlung schon in voretruskischer Zeit etwa im 9. oder 8. Jhdt. v. Chr. bestanden, so daß der Quirinal dem Palatin kaum nachsteht. Eine Doppelstadt muß für die voretruskische Zeit als vorhanden gelten. Daß diese Doppelstadt nicht unbedeutend war, lehrt die große Ausdehnung der esquilinischen Nekropole, [1018] die zum größten Teile, soweit sie innerhalb des servianischen Ringes liegt, voretruskisch ist. Wieviel von diesem uralten Friedhofe der Quirinalstadt zugehört, kann natürlich niemand entscheiden.

2. Die sogenannte Septimontial-Stadt. Dieselbe ist eine Erfindung deutscher Topographen. Zuerst hatte Niebuhr (Röm. Gesch. I 318. 430) aus dem Feste des Septimon-tium (Fest. 348 M. 474 L. 340 M. 458 L.) eine besondere Stadtform erschlossen, und ihm haben sich die Folgenden angeschlossen (Schwegler Röm. Gesch. I 482. Mommsen Röm. Gesch.⁹ I 48; St.-R. III 114 u. VIII. Schneider D. alte Rom, Plan 2. 3. Gilbert Topogr. I 221. Richter Topogr.² 36. Wissowa Ges. Abh. 230. Hülsen Form. Urb.² I Nebenkarte. Binder Plebs 6). Nur Jordan (Topogr. I 1, 199) hielt seine Bedenken nicht zurück. Doch in neuester Zeit haben sich die Zweifel stark gemehrt (Degering Philol. Wochenschr. 1903, 1645. Pinza Mon. d. Lincei 1905, 754. Kornemann Klio 1905, 87, 4. Carter Americ. Journal of Archaeology 1908. 172. Platner Topogr. 1911, 44).

Große Schwierigkeiten macht vorerst schon die Umgrenzung dieser vermeintlichen Siebenhügelstadt. Nur einen ganz kleinen Teil des Caelius, der dicht südlich vom Colosseum liegt, nimmt Schneider (D. alte Rom 1896 Taf. 2) hinein, dagegen den ganzen westlichen Teil des Caelius Richter (Topogr.² 36 Taf. 3) und Platner (Topogr.² 39 Fig. 4). Da aber diese Abgrenzung, wie man Hülsen (Forum² 2) zugestehen muß, topographisch unmöglich ist, haben Hülsen selber (Form. Urb.² I Nebenkarte) und Wissowa (Ges. Abh. 249) den ganzen Caelius hineingezogen.

Dabei sind sie nun genötigt, die Subura als Succusa für die älteste Zeit auf dem Caelius zu suchen. Man stützt sich dabei auf die Nachricht des Festus, daß einst im Pagus Succusanus eine Besatzung gegen Angriffe von Gabii her gelegen habe (309 M. 402 L.: Suburam Verrius alio libro a pago Succusano dictam ait ... a stativo praesidio, quod solitum sit succurrere Esquilis, infestantibus eam partem Urbis Gabinis); denn daraus ergebe sich, daß der Pagus Succusanus auf dem Caelius gelegen habe. Diese Annahme ist nicht berechtigt. Die alte Straße, die von Praeneste über Gabii nach R. führte, mündete in der Porta Esquilina. Dort also im Westen war ein Angriff, da die Straße genau von Westen kommt, am meisten zu erwarten. Natürlich konnte der Angreifer auch schon vorher nach Südwest abbiegen; aber zuerst fürchtet man einen Angriff immer auf der nächsten Linie. Eine Notwendigkeit, den Pagus Succusanus aus diesem Grunde auf dem Caelius zu suchen, liegt also keineswegs vor. Ferner fragt es sich, welches die tatsächliche Anschauung ist, von der Varro und Verrius ausgingen. Nun sagt Varro: Pagus Succusanus, quod succurrit Carinis (de l. l. V 49); die Lage der Carinae auf dem Oppius an Stelle von S. Pietro in vincoli ist sicher (Hülsen I 3, 263), wie ja auch die Subura als sub muro terreo Carinarum genannt wird (Varro de l. l. I 48). Varro hat also den [1019] Pagus Succusanus in Zusammenhang mit dem Oppius und der damaligen Subura gedacht, nicht auf dem Caelius. Es wäre ja widersinnig, eine für die Unterstützungen der Carinae bestimmte Besatzung auf dem Caelius unterzubringen, da dann ein tiefes Tal dazwischen lag. Ungefähr auf dasselbe laufen des Verrius Worte quod succurrit Esquilis hinaus. Sowohl Varro als Verrius denken also den Pagus Succusanus, von dem sie doch eine Anschauung hatten, in der Nähe der bekannten Subura, was Paulus (408 M. 403 L.) unzweideutig angibt: Subura a pago Succusano vocabulum traxit, quod ei vicinum fuit. Auch die Turris Mamilia, an den die Suburani im Falle des Sieges den Kopf des Oktoberrosses annagelten, dachte Verrius im Bezirke der ihm bekannten Subura (Paulus 131 M. 117 L.: Mamilia turris intra Suburae regionem a Mamilio nomen accepit). Daher kann man der Vermutung, daß der Pagus Succusanus auf dem Caelius gelegen habe, nicht beistimmen, und die Verlegung der Subura auf den Caelius ist hinfällig. Dadurch aber wird weiter auch die ganze Südlinie der Septimontialstadt wieder zweifelhaft.

Aus topographischen Gründen ist ebenso die Nordwestseite der Septimontialstadt den gleichen Bedenken ausgesetzt (Schneider Röm. Mitt. 1895, 169). Dort soll die Mauer von dem Ende des Cispius nach der Spitze des Oppius, dann an der Velia vorbei zur Ecke des Palatin geführt haben. Sie hätte demnach größtenteils im Tal gestanden, über das drohend das Ende des Quirinalis und der Capitolinus herabschaute. Kurz, die Umgrenzung der Septimontialstadt ergibt eine ibrida cinta (Pinza Mon. d. Lincei 1905, 757), die wie ein Proteus den Händen entschlüpft.

Daher ist man berechtigt, die Glaubwürdigkeit des Antistius Labeo, der völlig allein steht, in Frage zu stellen. Zunächst ist es sicher, daß der ältere Varro (de l. l. V 41: Ubi nunc est Roma Septimontium nominatum ab tot montibus, quos postea urbs muris comprehendit. VI 24: Septimontium .. . ab his septem montibus, in quis sita urbs est) den Begriff Septimontium auf die bekannten sieben servianischen Hügel bezog in dem Umfange der damaligen Stadt, ebenso Cicero, dessen ἄστυ ἑπτάλοφον doch nur eine Übersetzung von Septimontium ist (ad Att. I VI 5, 2), ferner Verrius (321 M. 424 L.: Sacrani . . ., qui ex Septimontio Ligures Siculosque exegerunt), und Plutarch (quaest. Rom. 69: Σεπτιμούντιον). Besonders wichtig ist, daß Valerius Messala in einer Abhandlung, in der er gerade die Erweiterungen des Pomeriums betrachtete (Gell. XIII 14, 2), von dem Palatinpomerium sofort übergeht zu der Erweiterung des Servius Tullius, dessen Pomerium sich mit dem der Vierregionenstadt deckt; und dabei zieht er auch die sieben servianischen Hügel in Betracht. Ihm müssen also die Labeonischen Hügel unbekannt gewesen sein, da er sonst in jenem Zusammenhange sie hätte erwähnen müssen. Als Augur hatte er Einsicht gehabt in das etwas geheim gehaltene Archiv der Augures und die Libri augurum benutzt (Gell. XIII 14). Da nun die Augures die Aufsicht über das Pomerium [1020] und die Grenzsteine hatten (Cic. de div. II 75. CIL VI 1233), so sind die Libri augurum die einzig maßgebende Quelle. Cicero, der ja auch Augur gewesen war, tut sich auf seine Kenntnis der Auguralweisheit viel zugute (Cic. de div. II 75). Varro muß die Libri augurum eingesehen und studiert haben, da er altertümliche Worte (de l. l. V 21: terra; VII 52: tempestatem) daraus anführt. Also drei Zeugen, denen sicher die einzig maßgebende Quelle zugänglich gewesen war, darunter Varro, der beste Kenner der römischen Altertümer, wissen nichts von den Labeonischen Hügeln. Daß Labeo selber zu dem Archiv der Augures Zutritt gehabt hat, ist nicht erwiesen. Unter diesen Umständen wird von vornherein gegen die Nachricht des Labeo Mißtrauen erweckt.

Dazu kommt, daß tatsächlich das Fest Septimontium von der gesamten Stadt gefeiert wurde. Wenn Domitian an dem Dies septimontialis dem Senat, den Rittern und der Plebs ein Epulum bietet (Suet. Dom. 4), so hat er niemanden ausgeschlossen. Wissowa (Ges. Abh. 233) räumt diese Tatsache ein, meint aber, daß das Fest von den Labeonischen Hügeln auf die späteren übertragen sei; doch das ist nur eine Vermutung, die sich nicht beweisen läßt. In jedem Falle hat Labeo aus dem Umfange, den das Fest damals tatsächlich hatte, seine Nachricht nicht erschließen können.

Auch wenn man die Frage an sich erwägt, erheben sich Bedenken. Daß das spätere R. eine Siebenhügelstadt war, ist bekannt. Aber daß eine frühere Entwicklungsstufe der Stadt schon einmal auch gerade sieben Hügel umfaßt hätte, ist zwar an sich möglich, aber wenig glaublich. Es müßte ein seltsamer Zufall gespielt haben, der der Stadt R. zweimal die Eigenschaft einer Siebenhügelstadt verliehen hätte.

Jüngst hat man, um die Septimontialstadt zu erweisen, eine noch aus republikanischer Zeit stammende Inschrift herangezogen, die auf dem Oppius gefunden worden ist: magistrei et flamines montani Montis Oppi .. . coeraverunt (CIL VI 32455. Bull. com. 1887, 156. Hülsen Röm. Mitt. 1889, 278, 2. Mommsen St.-R. p. VIII). Daraus schließt Wissowa (Ges. Abh. 235), daß diese montani montis Oppi Angehörige der sieben Berggemeinden gewesen seien. Das ist zu viel geschlossen. Freilich jene montani bildeten eine Kultgemeinschaft, die sich wahrscheinlich auf den Kult der Kompitallaren bezog. Doch es fehlt in der Inschrift jeder Hinweis darauf, daß es nur gerade sieben solche Kultgemeinschaften waren und daß diese sieben eine zusammengehörige, geschlossene Einheit bildeten. Es gab eben im alten R. viele solche Kultgemeinschaften wie etwa die Sacravienses (Fest. 178 M. 194 Thew.). die Capitolini (Cic. ad Quint. frat. II 5, 3), die Aventinenses (Jordan Topogr. I 1, 278, 43) und andere. Daher kann jene Inschrift des Oppius nicht als Beweis für das einstmalige Vorhandensein der Septimontialstadt gelten. Wenn die Agonalia, deren Beziehung zum Quirinal bezeugt ist (Paul. 10 M. 9 L. Fest. 254 M. 304 L.), dem Septimontialfest sicher gleichständen (Pinza Mon. d. Lincei 1905, 758), so würde ein direkter [1021] Beweis gegen die Labeonische Nachricht vorliegen. Doch Wissowa (Ges. Abh. 233) hat die Berechtigung dieser Gleichsetzung stark erschüttert, so daß man diesen Grund besser bei seite läßt.

Endlich ist es notwendig, die ganze Richtung der Studien Labeos ins Auge zu fassen, von dem es heißt, daß er sehr viele Neuerungen getroffen habe (Pompon. Digest. I 2, 2, 49: plurima innovare instituit). Danach wird der Hergang wohl folgender gewesen sein. Labeo sah, daß einige Forscher schon von Romulus die sieben bekannten Hügel R.s alle oder zum Teil in den Stadtring einbezogen sein ließen (Serv. Aen. VI 783). Diesen Irrtum konnte leicht jeder durchschauen, der auch nur ein wenig die römischen Altertümer durchforscht hatte. Doch soviel glaubte Labeo davon gelten lassen zu müssen, daß R. auch damals eine Siebenhügelstadt gewesen sei. Außerdem sah er, daß es in R. eine große Zahl von Sonderkulten gab, die kleinere Bezirke umfaßten wie die Suburani, Sacravienses, Montani montis Oppi, Aventinenses, Capitolini das Collegium des Vicus Iovis Fagutalis (CIL VI 452. Varro de l. l. V 152. Plin. n. h. XVI 37. Paul. 87 M. 77 L.) und manche andere. Darunter mußten die ältesten diejenigen sein, die um den Palatin sich gruppierten. Aus diesen war es leicht, sieben zusammenzufassen, die mit ihrem geringeren Umfange besser in die älteste Zeit paßten. Das war nicht einmal eine eigentliche Fälschung, da viele der Romulusstadt sieben Hügel zuwiesen (Verg. Aen. VI 783). Er glaubte sich berechtigt, auf dieser allgemeinen Annahme stehend, sieben andere Hügel für jene alte Zeit zu suchen. Wir aber werden in dem so geschaffenen Umkreis eine innovatio des gelehrten Juristen sehen, die man nun wieder auf sich beruhen lassen kann.

B. Rom unter den Etruskern.

3. Die Vierregionenstadt. Die Argeerurkunde (Varro de l. l. V 45), aus der man die Vierregionenstadt erschlossen hat, ist seit langem ein vielumstrittener Gegenstand. Seitdem aber Wissowas Untersuchung (Art. Argei o. Bd. II S. 689 = Ges. Abh. 1904, 211) darüber vorliegt, sind doch gewisse Punkte festgelegt. Galt die Urkunde früher als uralt (Mommsen St.-R. III 122), so ist dieser Schein jetzt zerstört. In ihrer Form hat sie wenig Altertümliches. Abgesehen von den Zahlworten auf -ceps, der Form moerum und ouls (Hs. ouis Spengel 20) ist kaum eine Abweichung von der Sprache Ciceros vorhanden. Nicht einmal die Endungen -os und -om sind bewahrt, die erst am Ende des zweiten Punischen Krieges auftreten. Also muß Varro die Form seiner Zeit angepaßt haben. Daher glaubte Wissowa, die Urkunde in die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Punischen Krieg setzen zu müssen.

Von der Zeit, in der die Urkunde ihre Fassung erhielt, muß man natürlich die Zeit der Entstehung des Festes sorgsam scheiden. Wissowa (Ges. Abh. 228) meint zwar, daß auch das Fest erst im 3. Jhdt. v. Chr. durch sibyllinische Sprüche eingeführt worden sei. Diels (Sibyllin. Blätter 1890, 43, 2) läßt vorsichtigerweise die Möglichkeit offen, daß durch jene Sprüche ein [1022] altes, aus der Königszeit stammendes Fest umgestaltet worden sei. Dafür spricht die Teilnahme der Pontifices (Liv. I 21. Dionys. I 38), der Flaminica Dialis (Gell. X 15, 30), der Vestales (Ovid. fast. V 621). Auch der Pons sublicius, von dem die Binsenmänner hinabgestürzt wurden, weist in frühe Zeit (Schneider Röm. Mitt. 1895, 160). Der Gedanke, daß ein letzter Nachklang an Menschenopfer vorliegt, ist nicht von der Hand zu weisen (Diels Sibyllin. Blätter 85. Furtwängler Antike Gemmen III 229). Sogar altindogermanische Bräuche können zur Vergleichung herangezogen werden (Mannhardt Antike Wald- und Feldkulte 265). Die Strohpuppen, die man am 16./17. März in den Kapellen aufhing, um sie am 14. Mai (Dionys. I 38. Mommsen St.-R. III 123) von dem Pons sublicius hinabstürzen zu lassen, sind Symbole für wirklich geopferte Menschen. Diese in der Sonne bleichenden Puppen sind auch der Grund der ursprünglichen Benennung (Wurzel arg- Jordan Topogr. II 286; vgl. Mommsen St.-R. III 123, 6. Wissowa a. a. O. 218). Die Beziehung zu den Argivi ist erst später durch Volksetymologie und Priesterklügelei hinzugebracht worden. Das Fest selber aber stammt aus der Königszeit.

Der Weg der Prozession paßt sich dem Umkreis der vier Regionen oder städtischen Tribus an, d. h. dem Pomerium, das, in der Königszeit entstanden, bis Sulla oder gar Claudius unangetastet blieb. Dieses gibt also den Terminus post quem für das Fest, nicht umgekehrt (Wissowa a. a. O. 223). Auch ist wohl zu beachten, daß Varro gar nicht die Absicht hat, eine Stadteinteilung zu beschreiben, ja nicht einmal den Weg der Prozession; er will dort vielmehr etymologische Deutungen von Einzelnamen geben, wobei das andere Nebensache ist. Darum ist die Annahme, daß die Prozession einer ganz besonderen, nur ihr geltenden Stadtform entspreche, hinfällig (Wissowa a. a. O. 219). Vielmehr ist es die aus der Vereinigung der Palatin- und Quirinalstadt hervorgegangene Viertribusstadt (Binder Plebs 75).

Aus diesen Gründen ist es auch so schwierig, die Grenzen des Weichbildes zu bestimmen, dem die Prozession sich anpaßt. Sie sind viel unsicherer, als es auch nach den Plänen der Topographen (Hülsen Form. Urb. I. Richter Topogr. Taf. 3. Gilbert Topogr. III 307) den Anschein hat. Der Aventin war ausgeschlossen (Gell. XIII 14). Das Kapitol muß in die Mauer der Viertribusstadt einbegriffen gewesen sein, wenn, wie wahrscheinlich, eine Mauer vorhanden war (Binder Plebs 73. Jordan Topogr. I 1. 279. Hülsen I 3, 152). Die Nordecke des Quirinal auszuscheiden, liegt kein Grund vor. Denn die Gräber der Villa Spithoever (Pinza ) Mon. d. Lincei 1905 nr. 165–167) gehören dem 8. Jhdt. v. Chr. an, als an einen συνοικισμός noch nicht zu denken war.

Im Innern der Stadt zog man früher die Subura zur Regio Suburana (Elter Forma Urb. 1891 X). Dagegen legt man jetzt die Subura zur Regio Collina (Richter Topogr. Taf. 3. Hülsen Form. Urb.² I). Dem widerspricht nicht nur die Darstellung Varros, sondern auch [1023] die Argeerurkunde selber. Varro, der doch eine Anschauung von den vier Tribus hatte, rechnet zur Regio Suburana den Caelius, dann die Carinae (de l. l. V 47: cum Caelio coniunctum Carinae). Da aber die Carinae auf der Höhe von S. Pietro in vincoli sich mit dem früheren Fagutal zum größten Teile deckten (Hülsen I 3, 263. 255), so zog er auch das Fagutal zur Regio Suburana. Das bestätigt auch das Folgende: Secundae regionis Esquiliae . . . Huic origini magis concinunt loci vicini, quod ibi lucus dicitur Facutalis (V 49). Denn obwohl er schon den Namen der nächsten Regio Esquilina genannt hat, so zählt er den Lucus facutalis unter den loci vicini (scil. regioni Esquilinae) auf. Was aber benachbart ist, das ist nicht die Gegend selbst, wie ja auch das Larum Querquetulanorum sacellum (Hülsen Topogr. I 3, 221. Silva Querquetulana bei Tac. ann. IV 65) nur auf dem Caelius, dem Mons Querquetulanus, gesucht werden kann. Dazu stimmt die Argeerurkunde selber: Oppius Mons princeps Esquilis ouls (Hs. ouis. Jordan Topogr. II 242. Gilbert Topogr. I 162, 7) lucum facutalem. Denn wenn das Heiligtum jenseits der Fagutalkuppe lag, hat es nicht auf ihr selber gelegen. Damals hieß eben die Höhe von S. Pietro in vincoli noch Mons Fagutalis. Erst später hat der Name Oppius den Gesamtberg in Besitz genommen, wie ja nach der Urkunde damals im 3. Jhdt. v. Chr. auch Mons Quirinalis nur die nördlichste Kuppe des ganzen Rückens bezeichnete. Wenn aber der Mons Fagutalis, damals noch vom Oppius geschieden, zur Regio Suburana gehörte, so liegt kein Grund vor, die bekannte Subura nördlich von den Carinae aus der Regio Suburana auszuscheiden. Denn daß die Grenzen der vier Regionen gradlinig verliefen und sich in einem Punkte schnitten, ist nicht erwiesen. Die frühere Umgrenzung der Regio Suburana, wie sie etwa Elter (a. a. O.) gibt, ist also vorzuziehen.

Von Wichtigkeit ist es, die Zeit zu bestimmen, wann der Umkreis der Viertribusstadt zuerst geschaffen worden ist. Eine Handhabe dazu bietet die Nekropole des Esquilin. Denn als die Befestigungslinie mitten hindurchgezogen wurde, muß nach dem oben Bemerkten (Pigorini Not. scav. 1895, 13. Pinza Bull. di Paletnol. Italian. 1898, 51) in dem nun innerhalb gelegenen Teil des Friedhofes ein Stillstand eingetreten, sein, während der äußere Teil weiterbenutzt wurde. Vereinzelte Ausnahmen kommen dabei nicht in Betracht (Klio 1911, 120). Es muß also möglich sein, durch Vergleichung des inneren und äußeren Teiles jener Nekropole festzustellen, wann jene Grenze durch den συνοικισμός zuerst geschaffen worden ist.

Gefäße vom echten Villanovatyp kommen nur innen vor, nicht außen: Pinza Mon. d. Lincei 1905: Grab nr. 18 (Taf. V 7); nr. 11 (IV 16); nr. 20 (IV 2); nr. 36 (vgl. IV 15); nr. 58 (IV 3); nr. 63 (IV 15); nr. 65 (Fig. 53 c); nr. 68 (vgl. IV 15). Dazu vom Forum: Fig. 22 a (Not. scav. 1911, 178); Fig. 24 b (1911, 179). Nur ganz vereinzelt kommen ebenso alte Gräber außen vor (Pinza a. a. O. nr. 112 Taf. IV 9).

Nur innerhalb gefunden ist das Barattolo a rete rilevata, das mit Hüttenurnen zusammen [1024] vorkommt (Pinza Grab nr. 194 S. 342. Fig. 125 S. 334) oder mit Ansa cornuta (nr. 174), niemals aber mit griechischen Vasen oder Bucchero. In R.: Grab nr. 24 (Taf. VI 19); nr. 43 (VI 17); nr. 67 (Fig. 54 S. 122); nr. 92; nr. 174.

Auch die Tazza ad ansa bifora hat ihre Blüte in der Villanovazeit: zusammen mit Hüttenurnen in Grab nr. 112; nr. 176. GG (Not. scav. 11911, 169). JJ (179). Mit Villanovagefäßen Grab nr. 57. 65. 68. Es fehlt in allen Gräbern des Forums (nr. 179–182), die Pinza der zweiten Phase der Eisenzeit (700–600) zuweist. Die eleganten Formen der eingeführten Ware haben dieser Tasse den Untergang gebracht. Es ist bezeichnend, daß man diese Tazza innen in etwa 70 Gräbern, außen in etwa 10 Gräbern antrifft. Danach müßte der συνοικισμός um 650 v. Chr. etwa eingetreten sein.

Die etruskischen Bronzedreifüße trifft man nur außerhalb an: Grab nr. 107. 108. 127. Pinza 536. Ebenso die Tombe a camera, die die Römer von den Etruskern zu bauen gelernt haben: Grab nr. 125. 126. 170. Die etruskischen Königsgräber, denen das Bernardini-Grab von Praeneste ähnlich ist, setzt Karo (Bull. di Paletnol. ital. 1898, 152) in die zweite Hälfte des 7. Jhdts. v. Chr. Also vor 600 v. Chr. ist danach die innere Nekropole des Esquilin abgetrennt worden.

Lehrreich ist das Auftreten der protokorinthischen Vasen, die Karo (a. a. O. S. 147) ins 7. Jhdt. hineinreichen läßt. Sie kommen innen vor, aber äußerst selten: Grab AA Not. scav. 1911, 157. Grab G Not. scav. 1903, 389. Pinza Mon. d. Lincei 1905 nr. 180. Dagegen außen viel häufiger: bei Pinza Mon. d. Lincei 1905, Grab nr. 74. 75. 118. 123. 125. 126. 128. 129. 130. 150. 12 Gräber auf Piazza Victorio Emanuele, Pinza 210. Es hatte der fremde Import also eben erst angefangen, als die Esquilinnekropole durchschnitten wurde. Damit steht im Einklang, daß auf dem Forum eine Zahl Gräber (Pinza nr. 179–182. Boni Not. scav. 1911, 157 Grab AA) den Stil der zweiten Phase der Eisenzeit aufweisen, die Pinza (323) 700–600 v. Chr. rechnet.

Die innerhalb der Vierregionenstadt liegenden Nekropolen beginnen also mindestens mit der Villanovazeit und reichen bis in die Zeit, als die griechische und etruskische Ware eben anfing sich auszubreiten. Die spätesten Gräber des Forums treten nach Pinza (a. a. O. 764) voll ein in die zweite Phase der Eisenzeit (700–600 v. Chr.). Man wird also kaum irren, wenn man den συνοικισμός um 650 v. Chr. ansetzt. In der Vierregionenstadt haben wir die erste Gestalt der Urbs Roma (Binder Plebs 76) vor uns, die, wie der etruskische Name (W. Schulze Eigennamen 580) und die Funde zeigen, von den Etruskern geschaffen worden ist (Kornemann Klio 1905, 89. Ed. Meyer Hermes 1895, 12). Um 700 v. Chr. mögen die Etrusker gekommen sein, und etwa 50 Jahre später gelang ihnen die Zusammenfassung der Doppelstadt des Palatin-Esquilin.


(4. Die servianische Stadt. Das Pomerium der Vierregionenstadt ist der servianischen [1025] Stadt geblieben, wie es überhaupt bis Sulla oder Claudius nicht geändert wurde. Eine Erweiterung hat freilich die servianische Stadt erfahren, indem der Aventin in den Mauerring hineingezogen wurde, wenn auch nicht in das Pomerium (Gell. XIII 14). Daß die Nordecke des Quirinal, soweit sie innerhalb der Mauer liegt, nicht auch schon dem Umkreis der Vierregionenstadt zugehörte, ist, wie oben bemerkt, durch nichts zu erweisen. Der Umkreis der servianischen Stadt ist durch die zahlreichen, auf dem ganzen Ringe liegenden Mauerreste gesichert, wie er von den Topographen gezeichnet wird ( Richter Topogr.² Taf. 6. Platner Topogr.² Fig. 6 S. 47. Hülsen Form. Urb.² I. Jordan Topogr. I 1, 201. Lanciani Annal. Instit. 1871, 56). Schwierig ist dabei die Ansetzung der Tore. Die Porta Quirinalis und Collina sind nicht identisch, wie Wissowa (Herm. 1895, 137 = Ges. Abh. 141) zuerst bewies. Bei der Ansetzung der vier Tore am Quirinal ist eine Tatsache nicht beachtet, auf die Hülsen aufmerksam macht, daß nämlich außer den Einschnitten auf Piazza Magnanapoli, bei Via Dataria und Quattro Fontane noch ein vierter tief in den Berg eindrang an der Stelle, wo der Quirinaltunnel jetzt seinen Ausgang hat (Topogr. I 3, 395, 21). Wenn daher die Porta Quirinalis in der Via Quattro Fontane hinaufführte, so muß die Salutaris in der Vallicula am Tunnelausgang gelegen haben. Dann bleibt für die Sanqualis und Fontinalis Porta die Via Dataria und Piazza Magnanapoli übrig. So entspricht jedem Sonderhügel und jedem Einschnitt ein Tor, und die Porta Ratumenna kann am Nordabhang des Kapitols ihren Platz haben.

Wann ist nun die servianische Stadt und die servianische Mauer geschaffen worden? Früher betrachtete man die servianische Mauer als völlig aus der Königszeit stammend, wie noch jetzt Nissen (Ital. Landeskunde II² 1, 63). Richter hat zu erweisen versucht, daß die Mauer erst nach der Gallierkatastrophe 378 v. Chr. entstanden sei (Topogr.² 43; Über antike Steinmetzzeichen 49; Beiträge 1903, 15), während die Befestigungslinie und der Stadtumfang schon von den Königen so bestimmt wurde. Dagegen Carter (Röm. Mitt. 1911, 83) glaubt, daß Umkreis und Mauer erst um 378 v. Chr. entstanden seien.

Da der bei weitem größte Teil der Mauer eine Quaderhöhe von 2’ römisch (297, 7 mm) hat, der römische Fuß aber, soweit man jetzt weiß, von den Decemvirn 450 v. Chr. eingeführt wurde (Klio 1911, 88), so ist dadurch ein Terminus post quem gegeben. Aber einige Teile der Mauer besonders in tieferen Lagen haben eine Quaderhöhe von 2’ oskisch (276 mm). Diese müßten vor 450 v. Chr., also wahrscheinlich in der Königszeit gelegt worden sein. Auch vereinzelte Steinmetzzeichen haben sehr altertümliche Form, die zu dieser Zeit paßt (Klio 1911, 114). Danach könnten einige Teile der Mauer noch der Königszeit angehören.

Eine Stütze erhält diese Ansicht in den Ausgrabungen am Museo agrario (Not. scav. 1907, 505) und in den Untersuchungen von Boni (Not. scav. 1911, 157). Dort liegen oder lagen – denn jetzt ist alles bis auf einen Rest zerstört [1026] – drei Mauern von außen nach innen parallel hintereinander, alle auf Terra vergine, also in ursprünglicher Lage; eine doppelte Mauerflucht war schon vorher in der Vigna Spithoever und am Palazzo Antonelli von Lanciani festgestellt worden (Bull. municip. 1876, 37. Pinza Mon. d. Lincei 1905, 248).

Nun hat es Boni durch seine scharfsinnige Untersuchung der am meisten nach außen gelegenen Mauer sehr wahrscheinlich gemacht, daß dieselbe um 378 v. Chr. gebaut worden ist. Dieses Mauerstück ist in Technik und Steinmetzzeichen völlig gleichartig der großen Ruine an der Porta Viminalis, die Richter aus den angegebenen Gründen mit Recht in dieselbe Zeit setzt. Ganz gleichartig aber ist auch die jüngst auf dem Palatin ans Licht gebrachte Mauer (Not. scav. 1907, 186 Fig. 2, 4-4 und 10–10). Diese steht über einem Grabe, in dem ein Skyphos des 5. Jhdts. lag, und über ihr breitet sich der Schutt aus, der um 200 v. Chr. bei der Anlage des Templum Magnae Matris angehäuft wurde (a. a. O. 186). Daher muß sie 400–200 v. Chr. etwa errichtet sein. Es kann nur 378 v. Chr. geschehen sein, wie auch Dante Vaglieri (a. a. O. 205) annimmt. Denn daß der Palatin noch im Hannibalkriege eine so starke Befestigung erhielt, ist unglaublich. Wenn daher auch die gleichartige, am Museo agrario am meisten nach außen gelegene Mauer 378 v. Chr. gebaut wurde, dann müssen die dort mehr nach Innen gelegenen Mauerlinien früher entstanden sein, wahrscheinlich in der Königszeit; denn von Porsena bis zur Gallierzeit hat R. wahrscheinlich keine starke Befestigung gehabt (Niese Röm. Gesch.³ 43. Pinza Mon. d. Lincei 1905, 749). Dadurch gewinnt die Annahme, daß einzelne Stücke der servianischen Mauer, die wir noch jetzt sehen, dennoch aus der Königszeit herrühren, eine Unterstützung. Somit hat die servianische Stadt, wie ja auch fast allgemein angenommen wird, ihren Umfang in der Königszeit erhalten. Den Abschluß der Königszeit bildet die Eroberung durch Porsena, die Rom zwar tief demütigte, aber dennoch eine neue Zeit heraufführte.


II. Rom in der republikanischen Zeit.

Die politischen Ereignisse haben mehrfach auf die Entwicklung der Stadt nicht in derselben Weise gewirkt wie auf den Staat. Die Niederlage an der Allia und die folgenden Angriffe der Gallier sind nur ein schnell vorüberziehendes Gewitter gewesen, das dem aufstrebenden Staate kaum eine bemerkbare Hemmung gebracht hat; aber in der Entwicklung der Stadt ist es von einschneidender Bedeutung. Während die Eroberung von Latium in R. nur geringe Änderungen hervorrief, hat die Eroberung von Tarent stärkere Wirkungen gehabt, da die Bildung von Großgriechenland nun anfing, nach R. zu ziehen. Und in dem Zeitraum bis 146 v. Chr., als der Erdkreis unterworfen wurde, ist R. immer mehr eine Allerweltstadt geworden, der die Reichtümer und die Anregungen von allen möglichen Seiten zuströmten. Die Zeit von den Gracchen bis Augustus ist nur eine Vorbereitung auf das Kaisertum.

1. 500–390 v. Chr. Nachwehen der etruskischen Herrschaft.

[1027] Wie die Vertreibung der Könige vor sich ging, wissen wir nicht, da der Bericht der Annalisten eine zu stark romanhafte Färbung hat, um als geschichtlich gelten zu können. Es ist möglich, daß der Umschwung gar nicht so gewaltsam war, sondern allmählich stattfand (Niese Röm. Gesch.³ 29). Vielleicht ist Servius Tullius der letzte König gewesen (Niese 21), und seine Centurienverfassung bedeutet den Übergang vom Königtum zur republikanischen Zeit. Wenn die römische Plebs aus den Latinern, die durch die Etrusker zu Fronbauern herabgedrückt worden waren, hervorgegangen ist, so enthält die Centurienverfassung die Bauernbefreiung, die von den XII Tabulae vorausgesetzt wird (Binder Plebs 221. Neumann Die Grundherrschaft, Die Bauernbefreiung usw., Straßburg 1900, 15). Es ist vermutet worden, daß diese Bauernbefreiung erst 471 v. Chr. erfolgte Neumann a. a. O. 16. 37). So erklärt sich das Bündnis mit den Latinern, denn nicht nur R., sondern Latium war von den Etruskern geknechtet gewesen. Die Latiner hatten die besten Helfer in den Griechen, den gefährlichen Nebenbuhlern der Etrusker in jenen Meeren. Sollte doch die Befreiung R.s sogar mit Hilfe der Chalkidier unter Führung des Tyrannen Aristodemos erfolgt sein (Liv. II 14. Dionys. VII 5. Niese Röm. Gesch.³ 39). Überhaupt wird der Einfluß der Griechen auf R. in jener Zeit immer stärker. Griechische Künstler hatten 493 v. Chr. den Tempel der Ceres, Liber, Libera am Aventin geschaffen und ihre Namen in griechischer Schrift angeschrieben (Plin. XXXV 154: Plastae laudatissimi fuere Damophilus et Gorgasus iidem pictores, qui Cereris aedem Romae ad Circum Maximum utroque genere artis suae excoluerunt ... ante hanc aedem Tuscanica omnia in aedibus fuisse auctor est Varro; vgl. Tac. ann. II 49. Dionys. VI 17. Hülsen I 3, 115. Gilbert Topogr. III 242). Es ist durchaus glaublich, daß die Decemviri die Gesetze der Zwölftafeln nach athenischem Vorbilde schufen (Liv. III 31. Strab. XIV 642. Plin. XXXIV 21. Niese Röm. Gesch.³ 53). Die attische Oktaeteris hatten sie bei der Änderung des Kalenders benützt (Mommsen Röm. Chronologie 1859, 30. Macrob. Sat. I 16. 21). Von ihnen ist der attisch-olympische Fuß offiziell eingeführt worden (Mommsen Herm. XXI 419, Klio 1911, 84) an Stelle des altitalischen oder oskischen Fußes (Lehmann Actes du 8me congrès d. Orientalistes II 1893, 234. 244). Die Gesetze der Zwölftafeln, die auf dem Comitium aufgestellt wurden (Diod. XII 26 δώδεκα χαλκοῦς πίνακας προςήλωσαν τοῖς πρὸ τοῦ βουλεθτηρίου τότε κειμένοις ἐμβόλοις), haben vermutlich den ersten Anlaß gegeben, daß man von der linksläufigen zur rechtsläufigen Schrift überging. In den griechischen Vorbildern, wenn sie solche benutzten, fanden sie die letztere Richtung schon vor. Es wird freilich noch längere Zeit gewährt haben, ehe die Änderung ganz durchdrang. Die rechteckigen Kupferbarren mit der Legende Romanom um 350 v. Chr. (Dressel Berlin. Münzkatalog III 1 p. IX) haben jedenfalls rechtsläufige Schrift.

Es ist überaus schwer, sich ein Bild zu [1028] machen von dem Aussehen der Stadt in dieser Zeit. Denn niemand weiß, wieviel Schaden die Eroberung Porsenas gebracht hat. Vom Kapitol schaute mit breiter, tuskanischer Front der Iuppitertempel herab, dessen Fundamente noch jetzt im Garten des Palazzo Caffarelli liegen (Delbrück Der Apollotempel auf dem Marsfeld 1903, 12. Richter Beiträge 1903, 24. Jordan Topogr. I 273. II 68). Er war von den Tarquiniern zuerst erbaut worden. Aber auch auf der nördlichen Kuppe des Kapitols muß schon damals ein Tempel gestanden haben auf der sog. Arx; der Antifix, der im Garten von S. Maria in Araceli gefunden ist, gehört dem 5. Jhdt. v. Chr. an (Pinza Mon. d. Lincei 1905, 763 Fig. 153). Auch der Quirinal trug sehr alte Tempel, die Pinza nach der Stips von S. Maria della Vittoria und von Palazzo Hüffer (a. a. O. 779. 780) sogar ins 7. Jhdt. v. Chr. hinaurückt. Der Antifix, der auf dem Cispius bei S. Antonio gefunden ist, erweist, daß im 6. Jhdt. v. Chr. auch dort ein Tempel gestanden hat (Pinza Mon. Lincei 1905, 513. 784 Fig. 152). Auf dem Forum wurde nach der Überlieferung 497 v. Chr. der Tempel des Saturn errichtet auf italischem Podion (Liv. II 21. Varro de l. l. V 41. Dionys. VI 1. Jordan Topogr. I 2, 360. Hülsen Röm. Mitt. 1902, 66). Zwischen dem Volcanal mit seinem Altar (Liv. IX 46. Dionys. II 50. Plut. Poplic. 16. Hülsen Forum² 76) stand schon die Inschriftensäule, die einer der letzten Könige hatte setzen lassen (Hülsen Forum² 100). Oberhalb des rechteckigen, nach Süden orientierten Comitium (Jordan Topogr. I 2, 318. Hülsen Forum² 103. Petersen Comitium, Rostra, Grab des Romulus 1904) befand sich der sog. Carcer Mamertinus, damals ein Tullianum, ein Brunnenhaus, wie das von Tusculum. Auf der südöstlichen Seite des Forums neben der Regia und dem Tempel der Vesta erhob sich der 484 v. Chr. vollendete Tempel des Castor (Liv. II 42. Dionys. VI 13). Sieben Lagen graugrünen Tuffs, die tief im Innern des Podion liegen (Delbrück Der Apollotempel 1903, 14), rühren wohl von dem ältesten Bau her. Da die Quadern alle eine Höhe von 27–28 cm = 1’ oskisch haben, müssen sie vor den Decemvirn behauen worden sein. Auf dem Forum hatte man längst aufgehört zu bestatten, nur der Name Doliola war geblieben als dunkle Kunde von den Tongefäßen, die die Asche der Toten bargen (Varro de l. l, V 157. Boni Not. scav. 1911, 190). Schon die etruskischen Könige hatten den an Stelle der Cloaca maxima fließenden Bach erweitert und vertieft und so die feuchte Niederung erst brauchbar gemacht. Die Sage von der Virginia setzt das kleine Rundtempclchen der Venus Cloacina voraus (Liv. III 48. Plin. XV 119. Hülsen Forum² 126). Die beiden Langseiten des Forums waren besetzt mit den Tabernae veteres und novae, in denen die Fleischer in ihren Tabernae lanienae ihrem Gewerbe oblagen. Aus einer derselben hatte der Vater der Virginia das Messer herausgerissen, mit dem er seine Tochter tötete (Gilbert Topogr. III 203). Erst 100 Jahre später ist den Fleischern das Recht entzogen worden, dort ihre Ware auszustellen (Jordan Topogr. I 2, 379. [1029] Gilbert Topogr. III 206). Der große Einfluß, den die Griechen in jener ganzen Periode auf die Römer ausübten, zeigt sich in der Tatsache, daß sie nach einer Seuche dem Apollo auf dem Marsfelde 433 v. Chr. (Liv. IV 25: aedes Apollini pro valetudine populi vota est) einen Tempel weihten und zwei Jahre später vollendeten (Hülsen I 3, 535. Gilbert Topogr. III 69. Delbrück Der Apollotempel auf dem Marsfelde 1903). Die Ruine unter Piazza Campitelli kann wegen ihrer tiefen Lage dem ersten Bau zugehören. Denn wenn auch der Tempel, weil er dem Kapitol so nahe lag, sicher 390 v. Chr. von den Galliern zerstört worden ist, so ist das massive Podion schwerlich dabei zugrunde gegangen.

Diese Periode findet ihren Abschluß mit der Eroberung von Veii. Solange noch dieses Bollwerk der Etrusker so nahe im Norden drohte, konnte man in R. jeden Augenblick eines Angriffs gewärtig sein. Doch die etruskische Macht, von Kelten, Griechen und Römern zugleich angegriffen, erlahmte. Die Römer sandten nach Vernichtung der gefährlichen Gegnerin ein Weihgeschenk nach Olympia, das im Schatzhaus der Massalioten aufgestellt wurde (Diod. XIV 93), als ob sie hätten andeuten wollen, daß ihnen die Besiegung der Gegner nur mit Hilfe der Griechen gelungen sei.

2. Bis zur Unterwerfung Latiums 390–338 v. Chr. Der Sturm des Gallierangriffs, der bald nach der Bezwingung von Veii von Norden daherbrauste, hat das Aufblühen der römischen Macht kaum aufgehalten, wie groß auch anfangs der Schrecken vor den wilden Horden war. Die Tatsache, daß die Sieger schon drei Tage nach der Schlacht in die Stadt einzogen, verlangt eine Erklärung. R. kann damals nicht eine starke, zu einem vollen Ringe geschlossene Befestigung gehabt haben (Pinza Mon. d. Lincei 1905, 749. Niese Röm. Gesch.³ 43); die Mauer muß stark verfallen gewesen sein. Denn daß gar keine Mauer dagewesen sei, ist nicht glaublich. Sonst hätten die Römer nicht noch zwölf Jahre nach dem Unglück verstreichen lassen, bis sie 378 v. Chr. daran gingen, eine neue starke Befestigung herzustellen (Liv. VI 32, 1: murum a censoribus locatum saxo quadrato faciendum). Im wesentlichen hat man dabei die Linie der alten aus der Königszeit stammenden Mauer, von der damals sicher noch Reste übrig waren, innegehalten. Nur an einigen Stellen wurde die Linie etwas hinausgerückt, so am Palazzo Antonelli, am Museo Agrario und in der Vigna Spithoever (Pinza Mon. Lincei 1905, 248. Lanciani Bull. mun. 1876, 37. Dante Vaglieri Not. scavi 1907, 504). Aber man begnügte sich nicht mit der Herstellung des Außenringes, auch der Palatin erhielt wieder eine starke Sonderbefestigung, die in Technik, Quaderhöhe und Steinmetzzeichen dem Außenring völlig ähnlich war (Not. scav. 1907, 186. Fig. 2, 4–4 und 10–10). Für das Kapitol hatte man schon vorher gesorgt (388 v. Chr. Liv. VI 4: Capitolium saxo quadrato substructum est, opus vel in hac magnificentia urbis conspiciendum). Ausbesserungen am Außenringe wurden schon wieder 353 v. Chr. vorgenommen [1030] (Liv. VII 20: reliquum anni muris turribusque reficiendis consumptum). Als die Gallier später wiederkehrten 360 und 348 v. Chr. (Liv. VII 25. Polyb. II 18, 7. Gell. IX 11. Niese Röm. Gesch.³ 46, 8), wagten sie es nicht, R. selber anzugreifen. Die Stärke der inzwischen errichteten Mauer muß sie doch von einem Sturm abgeschreckt haben. Da die Gallier 390 v. Chr. sieben Monate lang in der eroberten Stadt gehaust hatten (Polyb. II 22, 5), wird die Zerstörung, die sie wenigstens an Privatgebäuden hinterließen, ziemlich groß gewesen sein. So groß freilich, wie die Überlieferung glauben machen will (Liv. V 55. Diod. XIV 116), ist die Zerstörung schwerlich gewesen (Thouret Jahrbüch. f. Philol. Suppl. XI 98. Gilbert Topogr. III 32). Die Engheit und Winkligkeit der Straßen, an der die Stadt später litt, auf das Gallierunglück zurückzuführen, geht nicht an. Die Privathäuser, die man eilig wieder erneuerte, werden nicht sehr glänzend ausgesehen haben, da man keine Zeit und keine Mittel hatte, auf Schönheit zu achten (Varro bei Nonius XLVIII 9: antiqui nostri in domibus latericiis paululum modo lapidibus suffundatis, ut humorem effugerent, habitabant. Cic. de div. II 99: in latere aut in caemento, ex quibus urbs effecta est. Dio XXXIX 61: αἱ οἰκίαι ἐκ πρίνθων συνῳκοδομημέναι). Die Dächer waren mit Holzschindeln gedeckt (Plin. XVI 36: scandula contectam fuisse Romam ad Pyrrhi usque bellum annis CCCCLXX Cornelius Nepos auctor est). Die Schäden an den Tempeln wurden erst nach und nach wieder ausgebessert. Der Apollotempel in pratis Flaminiis, der in Flammen aufgegangen war, wurde erst 353 v. Chr. wieder gebaut (Liv. VII 20, 9: aedes Apollinis dedicata est). An vielen andern sakralen Bauten war der Schaden auch nicht gar so schlimm gewesen, so daß man sie leichter in Stand setzen konnte (Liv. V 50: senatusconsultum facit fana omnia, quod ea hostis possedisset, restituerentur, terminarentur expiarenturque). Als wichtigster neuer Tempel kam in jener Zeit hinzu die Aedes Concordiae. Camillus hat ihn 366 v. Chr. zum Andenken an die endlich errungene Eintracht der hadernden Stände auf dem Platz des alten Senaculum errichtet (Liv. IX 46. Ovid. fast. I 637. Plut. Camill. 42. Hülsen For.² 86. Jordan Topogr. I 2, 232. Richter Topogr.² 78). Derselbe Mann hat auch den Tempel der Iuno Moneta 344 v. Chr. auf der Arx des Capitolinus erbauen lassen (Liv. VII 28. Plut. Camill. 27. Ovid. fast. VI 183. Jordan I 2, 108. Richter Topogr.² 121. Hülsen Form. Urb.² 18). Doch war die Verehrung der Göttin an jener Stätte wahrscheinlich uralt. Ja sie hat vielleicht sogar schon zuvor dort einen Tempel gehabt. Denn es ist im Garten von S. Maria in Araceli ein Antifix des 5. Jhdts. v. Chr. gefunden worden (Pinza Mon. d. Lincei 1905, 763 Fig. 153), der doch nur von einem dort einst stehenden Tempel herrühren kann. Der Vertrag, den Karthago 348 v. Chr. mit R. abschloß (Liv. VII 27. Polyb. III 21. Diod. XVI 69. Mommsen Röm. Chronolog. 320. Niese Röm. Gesch.3 82), läßt erkennen, wie hoch das Ansehen der aufblühenden Stadt gestiegen war. [1031]


3. Bis zur Eroberung Italiens 338–265 v. Chr. Die Unterwerfung von Latium mußte R. einen kräftigen Aufschwung verleihen, da es nun zum erstenmal Hauptstadt eines größeren Gebietes wurde. Der Besieger der Latiner C. Maenius gab dem Forum ein neues Aussehen. Er schmückte die Rednerbühne, die damals ihre Stirnseite nach dem Comitium zukehrte, mit den Schiffsschnäbeln der besiegten Antiatenflotte aus (Liv. VIII 14, 12. Plin. XXXIV 20. XVI 8. Varro de l. l. V 155. Hülsen For.² 8. Richter Topogr.² 81. Gilbert Topogr. III 153). Die Schnäbel waren wohl an der damaligen Rückseite der Rednerbühne angebracht, so daß sie auf das Forum blickten. Noch wichtiger war die Einrichtung der sog. Maeniana, von denen man schwer eine Anschauung gewinnen kann. Es waren Gallerien oder balkonartige Vorbauten, angebracht auf den Tabernen zu beiden Langseiten des Forums, von wo aus Zuschauer den Spielen auf dem Platze zuschauen konnten (Fest. 134 M. 120 L.: Maeniana appellata sunt a Maenio censore, qui primus in Foro ultra columnas tigna proiecit, quo ampliarentur superiora spectacula. Isid. orig. XV 3, 11: in foro proiecit materias, ut essent loca, in quibus spectantes insisterent. Hülsen For.² 8. Jordan Topogr. I 2, 379. Richter Topogr.² 85. Gilbert Topogr. III 206). Es ist eine ansprechende Vermutung von Jordan (I 2, 379), daß bei dieser Umgestaltung des Forums auch die alten Fleischerscharren (Tabernae lanienae) beseitigt wurden und an ihre Stelle die Tabernae argentariae traten. Denn 310 v. Chr. waren schon die Argentarii dort in ihren Läden (Liv. IX 40. Gilbert Topogr. III 204, 2). Zum Danke für alle Verdienste ist dann dem Maenius auf dem Comitium die Columna Maenia gesetzt worden, welche westlich von der Curia stand (Plin. XXXIV 20. Jordan Topogr. I 2, 345, 43. Gilbert Topogr. III 213, 1). Vergleichen kann man mit dieser Ehrensäule die Columna rostrata des Duilius vom J. 260 v. Chr., die näher an der alten Rednerbühne stand (Serv. Georg. III 29 in rostris. Jordan I 2, 231. Lanciani Ruins 256. Gilbert Topogr. III 73, 1. Richter Topogr.² 81). Die Inschrift, wie die Säule (CIL VI 1300) ist wahrscheinlich in der Zeit des Kaisers Claudius (Ritschl Opusc. IV 204) erneuert worden.

Der Fortsetzer des Maenius war Appius Claudius Caecus. Er legte 312 v. Chr. die Via Appia an, die R. mit den kampanischen Städten verband (Hülsen s. o. Bd. II S. 238–242. Tomassetti Campagna I 35. Richter Topogr.2 341). War die Straße damals auch noch nicht gepflastert, sondern nur mit Kieslage bedeckt (Pais Stor. II 558), so bedeutete sie dennoch einen gewaltigen Fortschritt in der Art des römischen Wegebaus. Noch wichtiger für das Wohl der Stadt selber war die Anlage der Aqua Appia 312 v. Chr., die das Wasser aus den Albanerbergen unterirdisch heranführte. Dann, nachdem sie ad Spem veterem in die Stadt eingetreten war (Frontin. de aquaed. II 65), leitete sie es in tiefem Stollen durch den Caelius und weiter durch den Aventin, wo in der [1032] Nähe der Porta Trigemina die Verteilung begann (Liv. IX 29. Plin. XXXVI 121. Front. de aquaed. I 5. II 65. Jordan Topogr. I 1, 462. Lanciani Acque 34). An das Emporium und die Navalia, die dort südlich am Tiber lagen, muß schon damals eine starkbewohnte Vorstadt sich angesetzt haben. Erst nach dem Pyrrhuskriege folgte 272 v. Chr. die zweite große Leitung, der Anio vetus, der in der Gegend von Tibur seinen Ursprung hatte (Front. de aquaed. 16. Lanciani Acque 43. Jordan Topogr. I 1, 463. Gilbert Topogr. III 267. Hülsen s. o. Bd. I S. 2215).

Unter den in dieser Periode neu errichteten Tempeln ist bemerkenswert der des Aesculap von 292 v. Chr. auf der Tiberinsel. Infolge einer Seuche hatten die Libri Sibyllini (Diels Sibyllin. Blätter 1890, 62, 3) die Überführung des Kultes von Epidaurus geboten (Liv. X 47. Dionys. V 13. Plin. XXIX 72. Hülsen I 3, 633. Gilbert Topogr. III 72). Auch dieser fremde Kult mußte mit einem außerhalb des Pomerium gelegenen Platze vorlieb nehmen, wie einst Apollo auf dem Marsfelde untergebracht worden war. Dagegen der Tempel der Victoria auf dem Palatin in der Nähe des Lupercal von 294 v. Chr. (Liv. X 33, 9) kann kein Neubau gewesen sein, da die neuesten Ausgrabungen (Not. scav. 1907, 274) die Nachricht des Dionysios (I 23) völlig bestätigt haben. Ebenso muß der Kult der Salus auf dem Quirinal uralt gewesen sein. Der später bekannte Tempel der Salus in der Nähe der Porta Salutaris ist freilich erst 311 v. Chr. gelobt, 306 verdingt, 304 mit den berühmten Wandgemälden des Fabius Pictor ausgeschmückt worden (Liv. IX 43. Plin. XXXV 19. Hülsen I 3, 403. Gilbert I 279. III 371. Richter Topogr.² 289. Platner² 488). Solche Malereien waren für R. damals etwas Neues. In Bezug auf den Tempel des Iuppiter Stator, dessen Fundamente man in den Ruinen in der Nähe des Titusbogens südlich vom Aufgang zur Porta Mugonia wiederzuerkennen meint, hat Pais (Stor. I 2, 425) und andere zweifellos recht, wenn die romulische Gründung für mythisch gehalten wird. Der Tempel ist 295 v. Chr. von Atilius Regulus gebaut (Liv. X 36. 37. Dionys. II 50. Hülsen For.² 203. I 3, 20, 48. Richter Topogr.² 139. Platner Topogr.² 313. Lanciani Ruins 200). Die Legende der Annalisten von der uralten Gründung ist vermutlich aus dem Namen herausgesponnen.


4. Bis zur Erlangung der Weltherrschaft 265–146 v. Chr. Das Ringen um die Weltherrschaft ist für R. mit dem Hannibalkriege entschieden. Die Wirkung der politischen Ereignisse auf die Entwicklung der Stadt tritt daher in der ersten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. am stärksten hervor. Die angehende Hauptstadt des Erdkreises tut sich kund in der Sorge, die man dem Verkehr und Handel widmet. Zwischen dem ersten und zweiten Punischen Kriege wurde die Via Ostiensis hergestellt nach der Inschrift von Malafede (C. Cincio[s] aidile[s] pleib[is] probavero. Hülsen Röm. Mitt. 1895, 298). Vor Beginn des zweiten Putschen Krieges 220 v. Chr. war die Via Flaminia [1033] angelegt worden von dem Besieger der oberitalischen Kelten (Liv. epit. 20: C. Flaminius viam Flaminiam munivit et Circum Flaminium struxit. Varro de l. l. V 154. Jordan Topogr. I 1, 415. Hülsen I 3, 484. Gilbert Topogr. II 279), und dazu gehörig der Pons Mulvius, zunächst als Holzbrücke (Ammian. Marc. XXVII 3, 9. Jordan I 1, 408. Delbrück Hellenistische Bauten in Latium 1907, 6). Etwas später, 179 v. Chr., ließen die Censoren M. Aemilius Lepidus und M. Fulvius Nobilior wenigstens die Steinpfeiler des Pons Aemilius legen (Liv. XL 51: portum et pilas pontis in Tiberi, quibus pilis fornices post aliquot annos P. Scipio Africanus et L. Mummius censores locaverunt imponendos. Jordan Topogr. I 1, 432, 45. Gilbert Topogr. III 258. Delbrück Hellen. Bauten nr. III), während die Brücke als völliger Steinbau erst von Scipio Africanus und Mummius ausgebaut wurde.

Endlich fing man jetzt auch an, die Straßen in der Stadt zu pflastern 174 v. Chr. unter den Censoren Q. Fulvius Flaccus und A. Postumius Albinus (Liv. XL 27: Censores vias sternendas silice in urbe, glarea extra urbem substruendas marginandasque primi omnium locaverunt. Gilbert Topogr. III 55. Pais Stor. II 558). Doch war das natürlich nicht mit einem Schlage getan (Mommsen Herm. XII 487). Jedenfalls der Clivus Capitolinus gehörte zu den gepflasterten Wegen und wird wohl einer der ersten gewesen sein (Liv. XLI 27: clivum Capitolinum silice sternendum). Die Via Appia soll einen gepflasterten Bürgersteig schon 296 v. Chr. erhalten haben (Liv. X 23: semitam saxo quadrato a Capena porta ad Martis straverunt) und bis Bovillae 293 v. Chr. gepflastert worden sein (Liv. X 47: via a Martis silice ad Bovillas perstrata est). Das bezieht sich wahrscheinlich nur auf den Bürgersteig, da die Pflasterung der Straße selber bis zum Marstempel erst 189 v. Chr. vorgenommen wurde (Liv. XXXVIII 28: viam silice sternendam a portu Capena ad Martis locaverunt). Auch den Hafenanlagen wandte man damals lebhaft die Aufmerksamkeit zu. Wenn auch der Korn- und Salzhandel dort schon in sehr früher Zeit seinen Stapelplatz hatte (Jordan Topogr. I 1, 431. Hülsen I 3, 172), so wurden daran doch 192 und 174 wesentliche Verbesserungen vorgenommen (Liv. XXXV 10. XLI 27: emporium lapide straverunt stipitibusque saepserunt ... gradibusque adscensum ab Tiberi in emporium fecerunt; vgl. Hülsen I 3, 173, 53). Auch der Holzhafen erhielt eine Verschönerung (Liv. XXXV 41: M. Tuccius et P. Iunius Brutus aediles porticum extra portam Trigeminam inter lignarios fecerunt. Hülsen I 3, 174).

Die Zahl der Wasserleitungen wurde im 2. Jhdt. v. Chr. vermehrt durch die Aqua Marcia 144 v. Chr. (Frontin. de aquaed. 17. Jordan I 1, 465. Hülsen I 3, 228. Gilbert III 268) und die Aqua Tepula 125 v. Chr. (Frontin. I 8. Jordan I 1, 466. Gilbert III 269). Zugleich wurde das unterirdische Netz der Wasserkanäle erweitert und ausgebaut. Die Cloaca Maxima, die noch zu Plautus Zeit auf dem Forum ein offener, aber vielleicht schon gemauerter Wasserlauf war (Plaut. Curcul. 476: [1034] in medio (foro) propter canalem ostentatores meri; vgl. Jordan Herm. 1880, 129), erhielt damals ihre noch jetzt bestehende Gestalt (Richter Antike Denkmäler 1889, 27 Fig. 3; Topogr.² 108 Plan 11 b). Sehr heilsam war die Erbauung des Macellum auf dem Forum piscatorium durch Aemilius Lepidus und Fulvius Nobilior 179 v. Chr. (Liv. XL 51. Jordan Topogr. I 2, 432. Gilbert Topogr. III 209. Varro de l. l. V 147). Denn eine solche Markthalle hielt die bösen Gerüche doch etwas von dem Forum fern, wohin sie vorher von dem Forum piscatorium und Cuppedinis hinübergeweht sein mögen.

Auch die hellenistischen Bauformen der Porticus und Basilicae traten damals zuerst in R. auf: 193 v. Chr. eine Säulenhalle, die von der Porta Fontinalis nach der Ara Martis auf dem Marsfelde sich erstreckte (Liv. XXXV 10, 12: alteram (porticum) a Porta Fontinali ad aram Martis perduxerunt, Hülsen I 3, 488. 475, 12), 179 v. Chr. Porticus Aemilia an der Porta Trigemina (Liv. XL 51. Hülsen I 3, 143). Auch die Porticus deorum consentium ist schon 174 v. Chr. angelegt worden; denn die von Livius (XLI 27) genannte Halle porticum ab aede Saturni ad Capitolium kann nur jene Porticus sein, die zwischen Clivus Capitolinus und Saturntempel eingeklemmt ist. In der Nähe des Circus Flaminius entstand 168 v. Chr. die Porticus Octavia (Plin. XXXIV 13. Vellei. II 12. Hülsen I 3, 489), ebenso auf dem Marsfelde die Porticus Metelli von 143 v. Chr. etwa (Vitruv. III 2, 5. Hülsen I 3, 539) und die Porticus Minucia 110 v. Chr. (Vellei. II 8. Hülsen I 3, 546). Um das Forum gruppierten sich die neuen Basilicae: 184 v. Chr. die Porcia (Liv. XXXIX 4. Jordan I 2, 344. Gilbert III 211. Hülsen Röm. Mitt. 1893, 84), 179 v. Chr. die Fulvia-Aemilia (Liv. XL 51. Varro de l. l. VI 4. Hülsen For.² 110. Jordan I 2, 391. Gilbert III 213), 170 v. Chr. Sempronia (Liv. XLIV 16. Hülsen Röm. Mitt. 1893, 84), 122 v. Chr. Opimia (Varro de l. l. V 156. Cic. p. Sestio 67, 140. Jordan I 2, 338. Gilbert III 64). Alle diese Hallenbauten verliehen dem Comitium und Forum ein würdigeres Aussehen. Von dem lebendigen Treiben, das dort herrschte, gibt Plautus in der Parabase des Curculio (Jordan Herm. 1880, 129) ein anschauliches Bild.

Die sakralen Bauten dieses Zeitraumes bekunden ein mächtiges Hereinfluten fremder Kulte. Freilich die Kybele oder Magna Mater, deren Tempel 204 gelobt und 191 v. Chr. geweiht wurde (Liv. XXXVI 36. Hülsen I 3, 51. Gilbert III 104), galt infolge der Äneassage als einheimisch und erhielt ihren Platz sogar auf dem Palatin. Die Schaffung eines freien Platzes in der Südwestecke des Palatin durch eine Aufschüttung, welche nun die älteren Denkmäler verhüllte und bedeckte, ist für jene Zeit durch die Ausgrabungen (Not. scav. 1907, 188. 456) festgestellt. Die übrigen fremden Götter erhielten ihre Tempel extra pomerium, wie z. B. das Templum Herculis et Musarum 179 v. Chr. auf dem Campus Flaminius errichtet wurde (Plin. XXXV 66. Macrob. Sat. I 12, 16. Hülsen I 3, 544). Die übrigen Sakralbauten [1035] dieser Zeit behandelt gut Gilbert (Topogr. III 57).

Die Bauart der Tempel blieb zwar zunächst die gleiche wie früher. Die Bauglieder wurden hergestellt aus Tuff oder Peperin, der mit Stuck verkleidet wurde, wie man es an dem mit Wahrscheinlichkeit der Mater Matuta zugewiesenen Tempel ionischen Stils (S. Maria Egiziaca) auf dem Forum boarium sieht (Hülsen I 3, 143, 76), oder an dem Tempel der Victoria auf dem Palatin ( Richter Topgr.² 135). Nur vereinzelt wurde damals schon Travertin (Lapis Tiburtinus) verwendet (Jordan I 1, 7. Richter Topogr.² 27). Aber die Ausschmückung der Tempel verrät griechischen Einfluß. Eine statua aurata sah man in dem Tempel der Pietas, den M.’ Acilius Glabrio 191 v. Chr. errichtet hatte (Fest. 209 M. 252 Thew. Liv. XL 34. Hülsen I 3, 510. Gilbert III 94). Zahlreiche griechische Kunstwerke bargen die Tempel des Iuppiter Stator und der Iuno Regina, die Q. Caecilius Metellus bald nach 149 v. Chr. durch den griechischen Baumeister Hennodor aus Salamis am Circus Flaminius errichten ließ. Sie zeichneten sich dadurch aus, daß sie als erste in R. ganz aus Marmor bestanden (Plin. XXXVI 35. 40. Vitruv. III 2, 5. Vellei. I 11, 3. Hülsen I 3, 540. Gilbert III 86). Indem sie so in ihrem Material der Augustischen Zeit vorgriffen, verraten sie deutlich, wie stark damals der Einfluß der griechischen Kunst in R. geworden war.

In derselben Zeit fand auch eine den Römern wohl seit alters eigentümliche Bauform des Arcus oder, wie man damals noch sagte, des Fornix eine mehr künstlerische Gestaltung. Schon 208 v. Chr. hatte Scipio Africanus auf dem Kapitol einen Fornix errichtet, in dem vergoldete Bildwerke standen (Liv. XXXVII 3, 7. Jordan I. 2, 64). Nicht lange danach, 196 v. Chr., folgte der Fornix des Stertinius im Circus Maximus (Liv. XXXIII 27, 4. Hülsen I 3, 121) und auf dem Forum boarium (Jordan I 2, 484). In der Zeit der Gracchen muß schon der Fornix Calpurnius vorhanden gewesen sein (Oros. V 9. Jordan I 2, 63. Richter Topogr.² 119). Am längsten hat bestanden der Fornix Fabianus in der Nähe der Regia von 121 v. Chr., der auf Fabius Allobrogicus zurückgeht (CIL VI 1303. 1304. 1407. Jordan I 2, 209. Gilbert I 310). Er hat sich sicher der Form der späteren Triumphbogen am meisten genähert und kann als Vorläufer derselben gelten.

Die Bevölkerung R.s muß in dieser Zeit, wo es sich zur Hauptstadt des Erdkreises ausbildete, stark zugenommen haben. Der Raum des Comitium war für die Volksmenge zu eng geworden. Daher fand 145 v. Chr. eine Wendung der Rostra statt, so daß sie fortan ihre Stirnseite dem Forum zuwandte, nicht mehr dem Comitium wie früher (Varro r. r. I 2, 9: eiusdem gentis C. Licinius, tribunus plebis cum esset, post exactos reges annis CCCLXV primus populum ad leges accipiendas in septem iugera forensia e comitio eduxit. Cic. Lael. 25, 96. Gilbert Topogr. III 151, 4). Es ist das ein wichtiges Ereignis in der Entwicklung der Rednerbühne, auf das nicht genügend Gewicht gelegt worden ist.

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5. Vorbereitung auf die Kaiserzeit 146–31 v. Chr. Die wilden Kämpfe, die den Gracchen folgten, eine Zeit, in der Italien von dem Blute seiner eigenen Kinder triefte, waren für eine gleichmäßige Entwicklung der Stadt ungünstig. Die Aufmerksamkeit war zu sehr durch die Parteileidenschaft gefesselt. Aber sobald einer der nacheinander hervortretenden Militärdiktatoren die Macht sicher in der Hand hielt, richtete er seinen Blick sofort auf die inneren Verhältnisse der Hauptstadt. Sulla soll sogar das Pomerium erweitert haben (Senec. de brevit. vit. 13, 8: audivi quemdam referentem Sullam ultimum Romanorum protulisse pomerium. Tacit. ann. XII 23. Gell. XIII 14. Dio XLIII 50. Hülsen CIL VI 4, 2 p. 3106. Herm. 1887, 615. Detlefsen Herm. 1886, 497). Aber wie das von Caesar und Augustus ohne Grund berichtet wird (Dio XLIII 50. LV 6, vgl. Hülsen CIL VI 4, 2 p. 3106. Mommsen St.-R. II 1072. 694), so scheint auch Sulla nur durch Mißverständnis dazu gekommen zu sein. In der Zeit des Claudius, als die Erweiterung wirklich stattfand, suchte man nach früheren Vorgängern, um den Eingriff des Kaisers in das sakrale Recht zu rechtfertigen. Die Worte des Seneca audivi quemdam referentem klingen wenig vertrauenerweckend. Jener Unbekannte des Seneca hat die Sache erfunden. Anlaß war für ihn die Tatsache, daß Sulla Staatsländereien, die im Campus Flaminius lagen, an Privatleute verkauft hatte (Oros. V 18: loca publica, quae in circuitu Capitolii pontificibus, auguribus, decemviris et flaminibus in possessionem tradita erant, cogente inopia vendita sunt. Gilbert Topogr. III 9, 3). Auch hat damals sicher eine starke Ausdehnung des Weichbildes stattgefunden. Nachdem die Italiker römische Bürger geworden waren, trat ein lebhafter Zuzug nach R. ein, und es hatten sich ausgedehnte Vorstädte gebildet (προάστεια bei Dio XL 64. XLII 23. XLIV 19. LIV 25. Dionys. IV 13: ἀλλ’ ἔστιν ἅπαντα τὰ περὶ τὴν πόλιν οἰκούμενα χωρία). Seit Sulla war der servianische Umkreis völlig ausgefüllt (Richter Topogr.² 52. Niese Röm. Gesch.³ 169), und die Häuser lehnten sich vielfach an die Mauer an (Dionys. IV 13: τῷ τείχει δυςευρέτῳ μὲν ὄντι διὰ τὰς περιλαμβανούσας αὐτὸ πολλαχόθεν οἰκήσεις). Aber erhalten war sie immer noch derart, daß sie die Stadt vor einer Eroberung schützte, wie der mißlungene Angriff der Italiker 82 v. Chr. (Appian. bell. civ. I 93) zeigt.

Was die bauliche Tätigkeit des Diktators anlangt, so hat er den am 6. Juli 83 v. Chr., sei es durch Brandstiftung, sei es durch Zufall eingeäscherten Tempel des Iuppiter Capitolinus durch Lutatius Catulus wiederherstellen lassen (Cic. Catil. III 4, 9. Dionys. IV 62. Tac. hist. III 72. Jordan Topogr. I 2, 20), und sogar dazu Säulen vom athenischen Olympieion holen lassen (Plin. XXXVI 45: Athenis templum Iovis Olympii, ex quo Sulla Capitolinis aedibus advexerat columnas). Vollendet wurde der Neubau erst 78–69 v. Chr. (Plut. Poplic. 15. Jordan Topogr. I 2, 21, 18). Derselbe Catulus hat auch wohl das Tabularium, wenn es auch schon von Sulla geplant wurde, zu Ende gebracht (CIL VI [1037] 1313. 1314. Jordan I 2, 135. Gilbert III 165). Prächtiger war das erste steinerne Theater, das die Hauptstadt zierte, 55 v. Chr. von Pompeius auf dem Marsfelde errichtet (Plut. Pomp. 52. Vellei. II 48. Plin. VII 158. Hülsen I 3, 524. Gilbert III 322). Es war umgeben von geräumigen Säulenhallen, den Porticus Pompeianae, die noch später allgemeine Bewunderung erregten (Vitruv. LIX 1. Hülsen I 3, 530).

Doch niemand hat nachhaltiger auf das Stadtbild von R. eingewirkt als Caesar, der genialste Mann, den das Römertum hervorgebracht hat. Viele von seinen weitschauenden Plänen kamen nicht zur Ausführung, so die Austrocknung der Pontinischen Sümpfe, der Ausbau von Ostia (Niese Röm. Gesch.³ 229), die Ableitung des Tiber, wodurch der Ager Vaticanus zum Marsfeld geschlagen werden sollte (Cic. ad Att. XII 33, 4: sermo ... de augenda urbe: a ponte Mulvio Tiberim duci secundum montis Vaticanos, campum Martium coaedificari, illum autem campum Vaticanum fieri quasi Martium campum. Jordan I 1, 299. 2, 394. Hülsen I 3, 493. Gilbert III 38). Aber für das Forum und die sich später anschließenden Kaiserfora hat Caesar die Linien gezogen, nach denen sich alle gerichtet haben. Die Rednerbühne, bis dahin Comitium und Forum trennend, wurde an die Nordwestseite vor das Volcanal verlegt (Richter Topogr.² 82; Arch. Jahrb. 1889, 1–17; Beiträge 1903. Hülsen Forum² 66). Dabei fand eine Planierung und Erhöhung des Bodens, in der Mitte des Forums um 1,50 m, statt, so daß viele alte Denkmäler, wie der Cippus unter dem Lapis niger, unter der Aufschüttung verschwanden. Die alte Curia Hostilia, 54 v. Chr. abgebrannt (Cic. Milon. 33), erstand neu als Curia Iulia, vollendet allerdings erst 29 v. Chr. (Res gestae Div. Aug. Mommsen² IV 1 p. 78: Curiam et continens ei Chaleidicum ... feci. Dio LI 22: τὸ βουλεθτήριον τὸ Ἰουλιεῖον .... καθιέρωσεν. Hülsen For.² 105. Richter Topogr.² 94. Gilbert Topogr. III 168). Zwischen dem Tempel des Saturn und des Kastor mußten die Tabernae veteres und die Basilica Sempronia dem Bau der Basilica Iulia 54 v. Chr. weichen, deren Pracht Cicero anstaunte (ad Att. IV 16, 14: illam autem quam locavit [basilicam], facit magnificentissimam), noch unvollendet 46 v. Chr. geweiht (Hülsen For.² 56. Richter Topogr.² 84. Gilbert III 222). Auch auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes verschwanden damals die Tabernae vor dem näher herangerückten Neubau der Basilica Aemilia, die 54 v. Chr. von L. Aemilius Paulus mit Cäsars Geld (Plut. Caes. 29) errichtet wurde (Cic. ad Att. IV 16, 14: Paulus in medio foro basilicam iam paene texuit. Hülsen For.² 116. Gilbert III 221). Durch diese beiden zweistöckigen Hallenbauten hatte das Forum einen herrlichen Schmuck erhalten, und vor allem waren die Richtlinien gegeben, in denen die spätere Entwicklung fortschritt. Ebenso hat das Forum Iulium, schon 54 v. Chr. geplant (Cic. ad Att. IV 16, 14), mit dem Tempel der Venus genitrix 46 v. Chr. eingeweiht (Dio LIII 22), den Plan festgelegt, nach dem die späteren Fora der Kaiser orientiert worden sind, [1038] wenn auch Caesars Absicht, eine bequeme Verbindung zwischen Forum und Marsfeld zu schaffen, erst durch Traian zur Ausführung gebracht wurde.


III. Rom in der Kaiserzeit.
1. Die Glanzperiode des Augustus und des Claudisch-Iulischen Hauses. Auf dem Wege, den Caesar eingeschlagen hatte, ist Augustus fortgeschritten und hat durch seine klugen und wohlüberlegten Einrichtungen eine glückliche Zeit über R. heraufgeführt, so daß man ihn den Neugründer R.s nennen kann. Wenn Vergil (Bucol. IV 4) sagt: Ultima Cumaei venit iam carminis aetas, so feiert er ihn fast als einen Gott, der das goldene Zeitalter erneuert habe.

Auch Augustus nannte man später unter denen, die das Pomerium erweitert haben sollten (Tac. ann. XII 23. Dio LV 6. Hist. aug. Aurel. 21). Doch ist das eine Erfindung der späteren Zeit, als man nach Präzedenzfällen suchte (Hülsen CIL VI 4, 2 p. 3106. Mommsen St.-R. II 1072. Detlefsen Herm. 1886, 515. Gardthausen Aug. II 557). Allerdings hat Augustus, ohne das sakrale Pomerium anzutasten, eine Eingemeindung aller Vorstädte vollzogen. Im Auftrage des Kaisers hatte Agrippa eine Vermessung des Reiches vorgenommen und seine große Weltkarte geschaffen, die dann in der Porticus Vipsania (Plin. III 17. Hülsen I 3, 458. Gardthausen Aug. I 935) nach Agrippas Tode Aufstellung fand. Zum Zwecke der Verwaltung wurde Italien in 11 Regiones (Nissen Ital. Landeskunde I 81. Mommsen Feldmesser II 189. Marquardt St.-V.² I 29. Elter De form. urb. 1891, XIV) eingeteilt, die Hauptstadt aber, die natürlich für sich allein stand, wurde 12–7 v. Chr. in die 14 Bezirke zerlegt (Preller D. Regionen d. Stadt Rom 1845, 83), die von den konstantinischen Regionariern nach dem zu ihrer Zeit vorhandenen Bestande benannt und beschrieben werden: I. Porta Capena, II. Caelimontium, III. Isis et Serapis, IV. Templum Pacis, V. Esquiliae, VI. Atta Semita, VII. Via Lata, VIII. Forum, IX. Circus Flaminius, X. Palatium, XI. Circus Maximus, XII. Piscina publica, XIII. Aventinus, XIV. Trans Tiberim. Jede Regio zerfiel wieder in Vici. Die Oberleitung lag in Augustus Zeit in den Händen der Volkstribunen, Ädilen und Prätoren (Dio LV 8. Mommsen St.-R. II 329). An der Spitze der einzelnen Vici standen je 4 Magistri vicorum, Freigelassene, mit ihren Ministri, Sklaven. Beschränkte sich die Befugnis der Magistri vicorum auch im wesentlichen auf die Leitung des Larenkultes, den der Kaiser durch Hinzufügung des Genius Augusti neu belebt hatte (Suet. Aug. 31. Mommsen St.-R. II 516). so hatte diese Stadteinteilung doch noch andere wichtigere Zwecke. Sie sollte eine Zollgrenze schaffen, der polizeilichen Aufsicht und vor allem dem Feuerlöschwesen dienen. Dazu hat Augustus (Dio LV 26) die 7 Cohortes vigilum geschaffen (Dig. I 15, 3: Septem cohortes opportunis locis constituit, ut binas regiones urbis unaquaeque cohors tueretur), die in 7 Stationes und 14 Excubitoria untergebracht waren (CIL VI 2959–3090. Jordan [1039] I 1, 306. Hülsen Rhein. Mus. 1894, 417. Mommsen St.-R. II 1054. Gardthausen Aug. I 952. Gilbert Topogr. III 195). An der Spitze dieser die Stadtbesatzung vermehrenden Truppe stand der Praefectus vigilum, dessen einflußreiches Amt dem Ritterstande vorbehalten war (Gardthausen Aug. I 954. II 566). Die Kaisergarde selber betrug unter Augustus nicht mehr als 3 Kohorten (Suet. Aug. 49: nunquam plures quam tres cohortes in urbe esse passus est easque sine castris). Hand in Hand mit dieser Neuordnung des Weichbildes, die ohne Ver-messungen nicht durchgeführt werden konnte, ging eine Termination des Tiberufers, die schon Caesar ins Auge gefaßt hatte (Gardthausen Aug. II 561, 43). Die Consuln des J. 8 v. Chr. Asinius Gallus und Marcius Censorinus (CIL VI 1, 1234–1242. Jordan I 1, 427) erhielten diesen Auftrag, der aber erst 7 v. Chr. zu Ende gebracht wurde (Gardthausen Aug. I 949). Die erhaltenen Steine reichen von Ponte Molle bis S. Paolo fuori. Durch sie ist ein Streifen am Ufer des Stromes dem Verkehr entzogen worden, damit bei einer Überschwemmung Regulierungen ungehindert möglich seien. Eine ganze Zahl der Terminalcippen des Augustus sind an Ort und Stelle vorgefunden worden (Gardthausen Aug. II 561, 48).

Den Einrichtungen des Verkehrs und der Volkswohlfahrt wandte der Kaiser ebenso lebhaft seine Sorge zu. Die großen Heerstraßen waren in der Zeit der Bürgerkriege vernachlässigt worden. Jetzt nahm Augustus eine gründliche Ausbesserung vor, zunächst an der Via Flaminia (Mon. Anc. Mommsen² 86: Consul septimum viam Flaminiam ab urbe Ariminum feci). Die Erneuerung anderer Straßen überließ der Kaiser gern seinen Heerführern, indem er ihnen die Ehre des Triumphes dafür gewährte, wie 28 v. Chr. C. Calvisius Sabinus die Via Latina herstellte (CIL X 6895. Gardthausen Aug. I 989). Dabei wird die Pflasterung, wo sie noch nicht vorhanden war, fortgesetzt worden sein (Suet. Aug. 30: reliquas (vias) triumphalibus viris ex manubiali pecunia sternendas distribuit).

In der Stadt selber wurden die Kloaken und Wasserleitungen teils wiederhergestellt, teils neu gebaut (Mon. Anc. IV 10: rivos aquarum compluribus locis vetustate labentes refeci). Schon 33 v. Chr. vollendete Agrippa die Aqua Iulia (Jordan I 1, 466. Gilbert III 270. Gardthausen Aug. I 944. Lanciani Acque 83). Bald folgte die Aqua Virgo 19 v. Chr. (Jordan I 1, 471. Lanciani Acque 58) und 2 v. Chr. die Aqua Alseatina (Frontin. de aquaed. I 4, 11. Jordan I 1, 472. 479. Lanciani Acque 130). Über die Zeit, wann die einzelnen Cloacae, die ein weitverzweigtes Netz unter der Stadt bildeten, zuerst entstanden und die jetzt vorhandene Form erhielten, herrscht immer noch Unsicherheit. Von Agrippa heißt es, daß er 33 v. Chr. eine gründliche Reinigung der Wasserläufe besorgte (Dio LIX 43: τοὺς ὑπονόμους ἐξεκάθηρε καὶ ἐς τὸν Τίβεριν δι’ αὐτῶν ὑπέπλευσε. Plin. XXXVI 104). Aber da die Cloaca maxima noch zu Plautus Zeit auf dem Forum ein offener, wenn auch wohl längst gemauerter Kanal war [1040] (Curculio 476), so ist es möglich, daß die Cloaca, in die man jetzt unter der Basilica Iulia hineinsteigen kann, die volle Überwölbung dort erst unter Augustus erhielt, wenn sie auch in ihren Hauptteilen dem 2. Jhdt. v. Chr. angehört und ihre Anfänge in die Königszeit hineinreichen.

Es ist die Eigentümlichkeit aller Monarchen, die nach einem Umsturze am Anfange einer Dynastie stehen, in ihrer Hauptstadt viel zu bauen, um dem Volk Beschäftigung und Verdienst zu geben. Aber Augustus hat eine so staunenswerte Bautätigkeit entfaltet, daß er darin wohl einzig dasteht. Nicht weniger als 82 Tempel, die im Jahrhundert der Bürgerkriege vernachlässigt worden waren, hat er erneuert, wozu ihm 28 v. Chr. durch Senatsbeschluß der Auftrag gegeben wurde (Mon. Anc. M. 86 IV 17: Duo et octoginta templa deum in urbe consul sextum ex decreto senatus refeci nullo praetermisso, quod eo tempore refici debebat. Liv. IV 20. Suet. Aug. 30). Unter seinen Neubauten war am berühmtesten der Apollotempel auf dem Palatin, 36 v. Chr. geplant (Vellei. II 81, 3) und 28 v. Chr. vollendet (Dio LIII 1. Hülsen I 3, 66. Gilbert III 107. Richter Topogr.² 146). Derselbe war benachbart seinem eigenen, verhältnismäßig einfachen Wohnhause (Suet. Aug. 72: aedibus modicis ... in quibus porticus breves essent Albanarum columnarum et sine marmore ullo aut insigni pavimento conclavia. Hülsen I 3, 64. Gardthausen Aug. I. 58). Auf dem Forum an der Stätte, wo die Leiche Cäsars aufgebahrt gewesen war, entstand 29 v. Chr. das Templum Divi Iulii. von dem die Fundamente noch erhalten sind (Hülsen For.² 137). Auf dem Kapitol entfaltete der Tempel des Iuppiter tonans vom J. 22 v. Chr. (Dio LIV 4. Mon. Anc. IV 5) eine solche Pracht, daß man fürchtete, er werde den Haupttempel überstrahlen (Suet. Aug. 91); er sollte daher nur als Ianitor des großen Tempels gelten. Die meisten Beziehungen zu des Kaisers eigenen Taten hatte der Tempel des Mars Ultor auf dem Forum Augustum, dessen Vollendung sich sehr lange hinzog bis 2 v. Chr. (Mon. Anc. IV 21: In privato solo Martis Ultoris templum forumque Augustum ex manibiis feci. Vellei. II 10), weil die Enteignungen in dem engbebauten Stadtviertel Schwierigkeiten machten (Suet. Aug. 56). In dem Tempel, von dem noch drei korinthische Säulen am Arco dei Pantani aufrecht stehen, waren die von den Parthern zurückgegebenen Feldzeichen untergebracht (Mon. Anc. V 42: Ea autem signa in penetrali, quod est in templo Martis Ultoris, reposui). Der Marmorfußboden des Forum Augustum liegt 6 m tiefer als die heutige Via Bonella. Dort steht auch noch ein Teil der ungeheuren, aus Peperinquadern hergestellten Umfassungsmauer, durch welche der schöne Platz mit seinen wertvollen Denkmälern nach außen hin gegen Feuersbrünste geschützt werden sollte.

Die stärkste Umgestaltung hat durch Augustus und seine Freunde das Marsfeld erfahren und die Grundzüge für seine spätere Entwicklung erhalten, wenn freilich auch hier schon Caesar mit den erst 26 v. Chr. vollendeten (Dio LIII 21), für die Comitia centuriata bestimmten [1041] Saepta Iulia (Hülsen I 3, 588) vorangegangen ist. Schon 28 v. Chr. hat Augustus (Suet. Aug. 100. Strab. V 3, 8) im nördlichen Teil des Marsfeldes am Tiber sich das Mausoleum errichtet (Hülsen I 3, 614), in dem noch vor ihm die meisten seiner Verwandten beigesetzt wurden (Gardthausen Aug. I 981. Hülsen I 3, 615). Man erschrickt fast, wenn man sieht, daß sich jetzt dort ein Theater eingenistet hat. Etwas nördlich vom Monte Citorio ragte seit 10 v. Chr. ein aus Ägypten hergeschaffter Obelisk auf (Ammian. Marc. XVII 4, 12. Plin. XXXVI 72. Hülsen I 3, 611), als riesiger Sonnenzeiger für das dort befindliche Horologium. Etwas östlich nach der Via Flaminia zu lag die Ara Pacis Augustae vom J. 9 v. Chr. (Mon. Anc. II 39: Cum ex Hispania Galliaque ... Romam redii ... aram Pacis Augustae senatus pro reditu meo consecrari censuit ad campum Martium. Hülsen I 3, 613. Richter Topogr.² 251. Durm Baukunst² 424), deren wundervolle Reliefzeichnungen, wo wir sie in Museen finden, wir noch jetzt bewundern (v. Duhn Annal. Instit. 1881, 302. Petersen Röm. Mitt. 1894, 171). Den mittleren Teil des Marsfeldes bedeckten die Schöpfungen des Agrippa, das Pantheon seit 27 v. Chr. (CIL VI 896: M. Agrippa cos. tertium fecit. Dio LIII 27. Hülsen I 3, 581. Richter Topogr.² 233). Daran schlossen sich südlich seine Thermen an, die erste derartige Anlage in R. (25 v. Chr. Dio LIII 27. Hülsen I 3, 576. Platner Topogr.² 386), die aber wohl erst seit Vollendung der Aqua Virgo 19 v. Chr. ganz in Tätigkeit treten konnten. Der Plan ist erst seit der letzten Arbeit von Hülsen (Die Thermen des Agrippa, Rom 1910) klar erkannt worden, wenn auch die Benennung der einzelnen Räume nicht so sicher ist, wie Hülsen annimmt (Berlin. Philol. Wochenschr. 1912, 1291). Noch reicher wurde der südliche Teil des Marsfeldes mit Bauwerken ausgestattet. Nicht weit von der Porticus Octaviae (23 v. Chr. Hülsen I 3, 541. Platner Topogr.² 376. Richter Topogr.² 217), von deren südlichem Haupteingang noch die Trümmer stehen, ragt noch jetzt die Rundung des Theatrum Marcelli, vollendet 11 v. Chr. (Plin. VIII 65) oder 13 v. Chr. (Dio LIV 26). Die mächtigen Travertinquadern sind so verwittert, als habe in das Antlitz eines Menschen das Alter seine Furchen gegraben. In dieselbe Gegend verlegt man auch das erste Amphitheater R.s, von Statilius Taurus 31 v. Chr. gebaut (Suet. Aug. 29. Tac. ann. III 72. Dio LI 23. Hülsen I 3, 496. Platner Topogr.² 325. Richter Topogr.² 243). Seine Lage konnte bisher nicht sicher festgestellt werden.

Wie sehr man auch staunt über die Fülle der Denkmäler, die der Zeit des Augustus ihre Entstehung verdanken, so ist noch viel wichtiger der Umschwung in der Bauart und dem Baumaterial. Früher verwendete man für Privatbauten im allgemeinen Luftziegel, lateres (Cic. de div. II 47, 99: in latere et in caemento, ex quibus urbs effecta est. Dio XXXIX 61. Jordan Topogr. I 1, 13. Gilbert III 37. Platner² 24). Unter Augustus oder nicht lange vorher lernte man den Backsteinbau; die Stempel solcher gebrannten [1042] Ziegel (tegulae) beginnen erst unter Augustus, wenigstens in R. (Jordan Topogr. I 1, 15, 26. CIL XV). Auch die Art, Mauern aus Gußwerk, aus Mörtel und Steinbrocken herzustellen, vervollkommnete sich damals insofern, als man die Außenseiten der Wände aus viereckigen, schräg gelegten Steinen zusammenfügte, so daß ein netzartiges Aussehen sich ergab; aus dem Opus incertum wurde das Opus reticulatum (Vitruv. II 8, 1: structurarum genera sunt haec, reticulatum, quo nunc omnes utuntur, et antiquum, quod incertum dicitur. Jordan Topogr. I 1, 21. Platner Topogr.² 28). Über die Entwicklung des Mörtels, des Kalkes, überhaupt der Bindemittel, deren die Römer sich bedienten, liegen keine genauen Untersuchungen vor. Die servianische Mauer ist ohne Bindemittel hergestellt, abgesehen von der Ruine an der Porta Raudusculana, wo ein reiner, weißer Kalk verwendet ist, wie am Grabmal der Scipionen an der Via Appia. Den ersten Fall, bei dem die Römer Mörtelwerk anwendeten, bieten, soweit man weiß, die Mauern von Alba Fucens um 300 v. Chr. (Delbrück D. Kapitol von Signia 1903, 17).

Zu den Tempelbauten nahm man in republikanischer Zeit Tuff (tofus) oder Peperin (lapis Albanus, Gabinus); die Säulen waren mit Stuck beworfen. Dagegen ist Peperin, was hier hinzugefügt werden mag, schon in sehr früher Zeit in R. verwendet worden. Das Grab nr. 95 der Esquilinnekropole (Pinza Mon. d. Lincei 1905, 151) hat ein Überkragungs-Gewölbe von Lapis Gabinus mit genauem Fugenschluß und sorgsam behauenen Quadern. Der Inhalt, vor allem eine geometrisch verzierte Weinkanne (a. a. O. 323. 540. Taf. IX 12), verbietet das Grab weiter herabzusetzen als etwa in das 7. Jhdt. v. Chr. Auch sonst wird Peperin als Baustein vieler ebensoalter Gräber des Esquilin (nr. 96. 114. 117. 118. 52. 72 usw.) angegeben. Aus der Verwendung des Peperin darf man also nicht auf späte Entstehung eines Bauwerks schließen, was manchmal geschehen ist. Travertin wurde vor Augustus nur vereinzelt benutzt (lapis Tiburtinus). Augustus hat zuerst in ausgiebigem Maße Travertin und vor allem Marmor verwendet. In einzelnen Fällen war das auch schon früher geschehen (Plin. XXXVI 48: Primum Romae parietes crusta marmoris operuisse totos domus suae in Caelio Monte Cornelius Nepos tradit Mamurram Formiis natum, equitem Romanum, praefectum C. Caesaris. Jordan I 1, 17). Unter Augustus mußte der Erdkreis die Fülle der kostbarsten Marmorarten der Hauptstadt liefern (Corsi Pietre antiche, Rom 1845. Pullen Handbook of ancient Roman Marbles, London 1894. Bruzza Marmi grezzi, Annal. Instit. 1870, 106–204. Hülsen Röm. Mitt. 1893, 267. Lanciani Ruins 623. Platner Topogr. 1911, 25). Der Kaiser konnte sich rühmen, R. als ein marmornes hinterlassen zu haben (Suet. Aug. 28: Urbem ... excoluit adeo, ut iure sit gloriatus marmoream se relinquere, quam latericiam accepisset. Dio LVI 30: Τὴν Ῥώμην γηίνην παραλαβὼν λιθίνην ὑμῖν παραλείπω).

Ganz massiv aus karrarischem Marmor war der Tempel des Iuppiter tonans auf dem Kapitol [1043] gebaut (Plin. XXXVI 50. Jordan Topogr. I 1, 19. I 2, 48), ebenso der Apollotempel auf dem Palatin (Serv. Aen. VIII 720: In templo Apollinis in Palatino de solido marmore effecto, quod adlatum fuerat de Portu Lunae), während die ihn umgebenden Säulenhallen in goldgelbem Glanze numidischen Marmors strahlten (Propert. II 31. Gardthausen Aug. I 962). Schon diese beiden Beispiele lassen erkennen, daß die Bauten des Augustus bei aller Pracht eine stolze Einfachheit und Gleichmäßigkeit besaßen, ähnlich den griechischen Tempeln, aber weit entfernt von dem vielfarbigen Prunk, den die Zeit Hadrians etwa in der Villa Tiburtina zur Schau trug. Unter Augustus beschränkte sich die Buntheit noch im wesentlichen auf das Mosaik des Fußbodens, von dem es erst später in die oberen Bauglieder empordrang.

Dazu kommt, daß diese Prachtbauten mit einer Fülle plastischer Werke ausgestattet waren. Eine anschauliche Schilderung des Apollotempels mit seinen Bildwerken entwirft Gardthausen (Aug. I 961). Doch ebenso reich an schönen Kunstwerken war die von Augustus neugebaute Basilica Iulia (Fest. 290 M. 370 L.), und besonders der Tempel des Mars Ultor und das ganze Forum Augustum. Dort standen die Triumphatoren des römischen Volkes (Suet. Aug. 31), ihnen gegenüber die mythischen Könige von Rom und Alba Longa (Ovid. fast. V 563. Suet. Aug. 52. Gell. IX 11, 10. Plin. XXII 13. Gardthausen Aug. I 974). Manche Tempel mögen wie ein kleines Museum ausgesehen haben. Im Apollotempel war sogar eine Sammlung geschnittener Steine untergebracht (Plin. XXXVII 11). Einige Tempel dienten nebenbei der Wissenschaft, da sie Bibliotheken enthielten. Berühmt war die des Apollotempels auf dem Palatin (Suet. Aug. 29: porticus cum bibliotheca latina graecaque), deren Vorsteher Hygin war. Auch in der Porticus Octaviae wurde eine Bibliothek eingerichtet (Plut. Marc. 30), und in dem Templum Divi Augusti (Suet. Tib. 74. Plin. XXXIV 43). Die älteste von allen befand sich im Atrium Libertatis (Ovid. trist. III 1, 71. Plin. VII 115). Die Zahl der Bibliotheken vermehrte sich dann unter den folgenden Kaisern, so daß man unter Konstantin deren 28 in R. hatte (Gilbert Topogr. III 338).

Wie vollständig R., das damals sicher eine Million Einwohner hatte (Pöhlmann Die Übervölkerung der antiken Großstädte 22), eine Großstadt geworden war, zeigen am besten seine ,Lungen‘, die Parkanlagen und Gärten, die teils im Innern, teils im Umkreise lagen. Sie waren ein Ausgleich gegen die engen Gassen und hohen Mietskasernen, wie Claudius Centumalus eine auf dem Caelius besaß (Cic. offic. III 16, 66). Am ausgedehntesten waren die Horti Maecenatis auf dem Esquilin, vor denen die Puticuli hatten weichen müssen (Horat. sat. I 8, 7; C. III 29, 10. Hülsen I 3, 346. Gilbert III 361). Darin befand sich die Turris Maecenatiana, von wo aus man einen schönen Ausblick auf die Albanerberge hatte (Suet. Tiber. 15; Nero 38). Nördlich davon außerhalb der Porta Collina schlossen sich die Horti Caesaris an (Obsequens 131. Dio XLII 26. Gilbert III 376), während andere [1044] Horti Caesaris jenseits des Tiber lagen (Cic. Phil. II 42, 109. Horat. sat. I 9, 18. Tac. ann. II 41). Einen großen Teil des Mons Pincius bedeckten die berühmten Horti Sallustiani, die später in den Besitz der Kaiser übergingen (Tac. ann. III 30. 82. XIII 47). Es gab schließlich mehr als 50 solcher Gartenanlagen (Übersicht bei Hülsen Form. Urb.² 97), von denen der größere Teil in der Zeit des Caesar und Augustus angelegt worden war. Mögen auch mehrere davon nur geringeren Umfangs gewesen sein, so lassen doch auch sie erkennen, wie sehr R. das Aussehen einer Großstadt angenommen hatte. Augustus verdient es, der Neugründer der Stadt genannt zu werden.

Nach dem Tode des Augustus trat in der Bautätigkeit ein starker Stillstand ein. Tiberius hatte zwar bei Lebzeiten seines Stiefvaters den Tempel der Concordia (7 und 9 v. Chr. Dio LV 8. LVI 25. Hülsen For.² 86. Gilbert III 64) und den Kastortempel (Suet. Tiber. 20) erneuert, aber sonst war er bauunlustig. Abgesehen von der Domus Tiberiana auf dem Palatin (Hülsen Topogr. I 3, 77. Gilbert III 178) hat er das Templum Augusti, das Livia begonnen hatte, fortgesetzt; vollendet ist der Bau erst von Caligula (Dio LVI 46. Plin. XII 94. Suet. Tiber. 47. Tac. ann. VI 45). Die wichtigste Schöpfung des Tiberius ist das Standlager der Kaisergarde, die Castra praetoria (Suet. Tiber. 37. Tac. ann. IV 2. Hülsen I 3, 385. Gilbert III 198), wozu Seian geraten hatte (Schol. Iuven. X 95: iuxta aggerem posuit primus castra Seianus). Das war eine gefährliche Neuerung. Denn wie in einer Festung stand nun jene Truppe vor der Porta Viminalis und konnte, wenn sie einen verwegenen Führer hatte, Kaiser absetzen und einsetzen nach Belieben.

Über den Augustustempel mit seinen überaus starken Mauern legte Caligula seine Brücke an hinüber nach dem Kapitol (Suet. Calig. 22. Hülsen I 3, 85), die nur kurzen Bestand hatte. Nützlicher war schon die Anlage zweier Wasserleitungen des Anio novus und der Aqua Claudia, von Caligula begonnen, von Claudius vollendet (Frontin. de aquaed. 13. Jordan I 1. 474. Gilbert III 274. Richter Topogr.² 319), deren lange Bogenreihen auch noch in ihren Trümmern ein eigenartiger Schmuck der Campagna sind. Dagegen erscheint es fast wie eine antiquarische Spielerei, wenn Claudius 49 v. Chr. das Pomerium hinausschob, indem er den Aventin und ein Stück des Marsfeldes hineinzog. Noch mehrere Terminalcippen des Claudius sind erhalten (CIL VI 1, 1231 a-c = 31537 a-c. Hülsen CIL VI 4, 2 p. 3106. Richter Topogr.² 65. Platner Topogr.² 68. Not. scav. 1909, 45. Bull. com. 1909, 130). Die Zählung der Steine begann am Monte Testaccio und lief nach rechts herum. Tatsächlich war das alte Pomerium durch die Regionseinteilung des Augustus bedeutungslos geworden.

Ins Maßlose gingen die Bauten Neros. Dazu hatte ihm der ungeheure Brand von 64 n. Chr. (Tac. ann. XV 38. Über sonstige Feuersbrünste vgl. Jordan Topogr. I 1, 482. 486. Hülsen I 3, 47. 86. Gilbert III 33) Raum geschaffen. Nun dehnte er seine Domus aurea vom Palatin [1045] über die Velia und den Oppius bis an den Esquilin aus (Tac. ann. XV 42. Plin. XXXIII 54. Plan bei Hülsen Topogr. Taf. VI. Gilbert 33. Richter Topogr.² 165). Aber abgesehen von seiner großen Markthalle, dem Macellum magnum (Dio LXI 18. Hülsen I 3, 238), womit er das Macellum Liviae (CIL VI 1178. Hülsen I 3, 344) fortsetzte, und abgesehen von dem Templum Claudii auf dem Caelius sind seine Schöpfungen von kurzer Dauer gewesen. Bestand hatten noch die Thermae Neronianae, die denen des Agrippa auf dem Marsfelde benachbart waren. Zum erstenmal war in ihnen nach griechischer Art ein Gymnasium eingerichtet, während die Agrippathermen noch mehr der älteren Form glichen (Suet. Nero 12. Tac. ann. XIV 47. Hülsen I 3, 590. Gilbert III 296). Jedenfalls ist der Neronische Brand von so einschneidender Bedeutung, daß man ihn in der Entwicklung der Stadt als Abschluß einer Periode betrachten kann.

2. Vespasian bis Commodus 64–191 n. Chr. Da R. nach Neros Tode noch einmal auf kurze Zeit in die Wirren des Bürgerkrieges zurückfiel, da die durch den Neronischen Brand gerissenen Lücken sich nicht so schnell ausfüllen ließen (Suet. Vesp. 8: deformis urbs veteribus incendiis ac ruinis erat), da im J. 80 n. Chr. wiederum drei Tage und Nächte eine Feuersbrunst in der Stadt wütete (Suet. Tit. 8: incendium Romae per triduum totidemque noctes), so hatte die Flavische Dynastie zuerst vollauf zu tun mit der Wiederherstellung des Zerstörten, und Vespasian konnte als restitutor aedium sacrarum gefeiert werden (CIL VI 931. 933. 936. 939. 1257). Zunächst, 75 n. Chr., wurde eine Vermessung der Stadt vorgenommen (Plin. III 65) und eine Hinausrückung des Pomeriums (CIL VI 930: fines pomerii proferre promovere, cum ex republica censebit esse, ita uti licuit Ti. Claudio Caesari). Aus drei noch vorhandenen Cippi (CIL VI 1231–1233 = 31538 a-c) ergibt sich, daß die Zählung am nördlichen Tiberufer des Marsfeldes anfing und ziemlich weit hinausgriff (Hülsen CIL VI 4, 2 p. 3137. Richter Topogr.² 65. Platner Topogr.² 68). Dadurch glaubte sich später Hadrian 121 n. Chr. genötigt, wieder auf die Linie des Claudius ungefähr zurückzugehen (CIL VI 1233 a-b = 31539). Für die Verhältnisse der Stadt hatte das kaum noch irgendwelche Bedeutung.

Unter den von den Flaviern wiederhergestellten Bauten ragt der Iuppitertempel des Kapitols hervor, der 69 n. Chr. vernichtet worden war (Tac. hist. III 71). Der Kaiser Vespasian soll selber einige Werkstücke dazu emporgetragen haben (Suet. Vesp. 8: manus primus admovit ac suo collo quaedam extulit). Nach nochmaliger Einäscherung 80 n. Chr. (Dio LXVI 34) wurde er endlich 81 oder 82 v. Chr. durch Domitian vollendet (Suet. Domit. 8. Jordan I 2, 8. Lanciani Ruins 298. Platner Topogr.² 301). Die Neubauten der Flavier breiteten sich zum guten Teil auf dem Raum der Neronischen Domus aurea aus. Dort, wo jener sein Stagnum geschaffen hatte, stieg nun das riesenhafte Amphitheatrum Flavium empor, das verdient, [1046] noch jetzt unter die Weltwunder gezählt zu werden (Hülsen I 3, 282. Richter Topogr.² 167. Gilbert III 331. Platner Topogr.² 324), wahrscheinlich erst unter Domitian ganz zu Ende gebracht (Suet. Vesp. 9; Tit. 7. Dio LXVI 25. Mommsen Chron. min. I 146. Hülsen Form. Urb.² 48). Das Theater bot nach Hülsens Berechnung etwa für 45000 Zuschauer Raum, während man früher sogar 87000 annahm. Nicht ganz so riesenhaft, aber doch immer noch von gewaltigem Umfang war das Stadium Domitiani, dessen Umriß man aus der Piazza Navona des Marsfeldes ungefähr erkennen kann (Eutrop. VII 23. Dio LXXVIII 25. Mommsen Chron. min. I 146). Es soll für 15000 Zuschauer Platz gehabt haben (Hülsen I 3, 593), während das Odeum Domitiani (Suet. Dom. 5. Dio LXIX 4. Hülsen I 3, 594. Gilbert III 337), dessen Lage auf dem Marsfelde nicht genau bestimmbar ist, etwa 5000 Zuhörer faßte. Aber mit großer Pracht war es auch ausgestattet (Ammian. Marc. XVI 10, 14), wie alle Werke dieses Kaisers. Das Forum Pacis des Vespasian mit dem Templum Pacis (Suet. Vesp. 9) setzt die ähnlichen Werke des Caesar und Augustus fort, wie die Titusthermen die des Agrippa und Nero (Suet. Tit. 7. Hülsen I 3, 307).

Riesenhaft, wie die Porticus Divorum auf dem Marsfelde (Jordan Form. Urb. Rom. 1874 nr. 59. 167. 224; Röm. Mitt. 1903 Taf. I), waren auch die Palastbauten Domitians auf dem Palatin, die er an Stelle des Augustushauses errichtete, so daß der Name Domus Augustiana blieb. Die Spannweite des Tonnengewölbes in dem mittleren an der Nordseite gelegenen Audienzsaal beträgt 32 m, eine Weite, die weder von S. Peter noch von der Basilica Constantini erreicht wird (Hülsen I 3, 88). Die neuesten Ausgrabungen, die jetzt dort in die Tiefe dringen, sind noch nicht bekannt gemacht.

Ein bedenkliches Zeichen für die religiöse Zerfahrenheit jener Zeit ist der Aufschwung, den damals der Isiskult in R. nahm. Zwar findet man die ersten Spuren desselben bereits unter Caesar (CIL I 1034 sacerdotes Isidis Capitoli), aber 58 v. Chr. ward das Heiligtum zerstört (Dio XL 47). Zwar hatten die Triumvirn 42 v. Chr. einen Tempel der Isis und des Serapis zu bauen beschlossen (Dio XLVII 15). Aber Augustus war ein Gegner des fremden Kultes (Suet. Aug. 93. Dio LIII 2), wie auch Tiberius (Suet. Tib. 36. Tac. ann. II 85). Der Tempel der Isis, in der Nähe von S. Maria sopra Minerva gelegen, vielleicht von Otho errichtet (Suet. Otho 12), ist von Domitian nach einem Brande prächtiger erneuert (Eutrop. VII 23. Hülsen I 3, 567. Gilbert III 110. Richter Topogr.² 243) worden.

Anziehender für uns ist der Triumphbogen des Titus, der in seinem aus Marmor bestehenden Mittelstück antik ist, während die Seitenteile aus Travertin modern sind (Hülsen Forum² 222. Lanciani Ruins 201. CIL VI 945). Er ist eintorig, wie der Arcus Tiberii von 16 n. Chr. (Tac. ann. II 41. Hülsen For.² 63), während der Arcus Augusti nach den am Kastortempel liegenden Fundamenten schon drei Tore [1047] hatte (19 v. Chr. Hülsen For.² 140). Freilich auch am Titusbogen verraten die doppelten Pilaster der wuchtigen Seitenpfeiler einen leisen Übergang zur dreitorigen Form. Am Titusbogen erscheint zuerst das römische Kompositkapitell, das die ionischen Voluten mit den korinthischen Akanthusblättern verbindet. Der Bogen ist der älteste, uns erhaltene, echte Triumphbogen in R. Denn der Augustusbogen an der Porta Tiburtina 5 v. Chr. (Jordan I 1, 356), der Bogen des Silanus und Dolabella 10 v. Chr. (CIL VI 1384. Hülsen I 3, 228), der Bogen des Claudius in Via del Nazareno (CIL VI 1252. Jordan I 1, 472. Hülsen I 3, 457), die Porta Praenestina 52 n. Chr. (CIL VI 1244–1246. Jordan I 1, 357) dienen nur dem Zwecke der Wasserleitungen.

Nur den Spuren seines Vaters folgte Domitian, wenn er zwischen dem Forum Pacis und Augusti das Forum transitorium schuf, das den verkehrreichen Stadtteil des Argiletum mit dem Forum Romanum verbinden sollte (Suet. Dom. 5: forum, quod nunc Nervae vocatur. Jordan I 2, 449). Es enthielt den Tempel der Minerva, beide erst von Nerva geweiht (CIL VI 953: imp. Nerva Caesar Augustus Germanicus pont. max.).

In der Richtung derselben Unternehmungen bewegt sich auch das Forum des Kaisers Traian. Nun endlich war das erreicht, was Caesar gewollt hatte, die Verbindung des Marsfeldes mit dem Forum Romanum, dem der neue Schmuckplatz an Ausdehnung etwa gleichkam, das er aber an Pracht wohl noch überstrahlte. Die Vollendung fällt in das J. 113 n. Chr. (CIL VI 960. Dio LXVIII 16. Jordan I 2, 455). Vom Forum Augustum kommend, gelangte man durch den Arcus Traiani (Dio LXVIII 29. Jordan I 2, 457) auf die eigentliche Area, einen viereckigen, von Säulenhallen umgebenen Platz (Hülsen Form. Urb.² IV), der von halbrunden Apsiden zu beiden Seiten flankiert war. Daran schloß sich die Basilica Ulpia, deren mittleren Teil man jetzt an der Via Alessandrina sieht, und weiter die Bibliotheca, in deren Mitte die Traianssäule sich erhebt, damals geschmückt mit dem Standbild des Kaisers, jetzt mit dem von S. Peter. Im Westen wurde das Ganze durch das von Hadrian errichtete Templum Traiani abgeschlossen (Gell. XI 17. CIL VI 966. Jordan I 2, 464. Gilbert III 126. Lanciani Ruins 326). An der ganzen Anlage ist neu die Gestalt der Columna cochlis, die in spiralförmig aufsteigenden Reliefs (Cichorius Die Reliefs der Trajanssäule 1898. 1900) die Taten des Kaisers in den Dakerkriegen darstellt. Eine Nachahmung hat der Gedanke in der Columna Marci Aurelii erhalten (CIL VI 1585. Hülsen I 3, 605. Gilbert III 128. Richter Topogr.² 253). Die Tatsache, daß jüngst unter der Traianssäule antike Straßen gefunden sind (Not. scav. 1907, 361. Mau Röm. Mitt. 1907, 187), scheint mit der Inschrift (CIL VI 960: Senatus Populusque Romanus imp. Caesari divi Nervae f. Nervae Traiano ... ad demonstrandum quantae altitudinis mons et locus tantis operibus sit egestus) in Widerspruch zu stehen. Die Lösung ist leicht. Gerade dort, wo die Säule steht, [1048] haben allerdings keine Ausschachtungen stattgefunden, sondern etwas weiter südlich, wo der Collis Latiaris sich dem Kapitol am meisten näherte. Die Annahme eines ursprünglichen Zusammenhanges der beiden Hügel, soweit es die Höhe des Clivus argentarius, des Passes zwischen Marsfeld und Forum, gestattet, ist also mit der Inschrift wohl vereinbar (Berl. Philol. Wochenschr. 1912, 1737). Wie eigenartig auch der Gedanke dieser Säule ist, so dient sie doch weniger der reinen Kunst. Die Reliefs geben eine Bilderchronik der wichtigsten Taten des Kaisers und nehmen sich aus wie Illustrationen zu einem Geschichtswerk. Sie haben also einen stark realistischen Zweck, der der echten griechischen Kunst fehlt (Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 2, 994. Overbeck Gesch. d. gr. Plastik II 373). Der praktische Sinn des Kaisers tut sich kund in der Anlage der Aqua Traiana, die das Wasser aus dem Lacus Sabatinus nach dem Ianiculum führt (CIL VI 1260. 31567. Jordan I 1, 475. Lanciani Acque 162) und noch jetzt die Acqua Paola speist. Wie sehr er für das Volkswohl sorgte, zeigen seine Thermen (Pausan. V 12, 6. Dio LXVIIII 4. Hülsen I 3, 210. Richter Topogr.² 326), die denen des Titus benachbart sind, und besonders die sog. Anaglypha Traiani, die wahrscheinlich oben an den Seiten der erneuerten Rostra standen. Sie stellen dar einen Steuererlaß und seine Sorge für die Alimentation der Kinder (Dio LXVIII 5. Jordan I 1, 222. Richter Topogr.² 82. Platner Topogr.² 223. 264).

Aber gerade in diesen Staatsakten des Traian erkennt man doch schon ein Sinken der Volkskraft und der Kapitalkraft. Durch ähnliche Verfügungen suchte dann sofort der Nachfolger Hadrian 118 n. Chr. (CIL VI 967. Hirschfeld Verwaltungsgesch. I 116) die Gunst des Volkes sich zu gewinnen. Dann hat er, ein echter Reisekaiser, den ganzen Erdkreis durchwandert und an zahllosen Orten in Denkmälern seine Spuren hinterlassen. Auch in R. ist unter seiner Regierung sehr viel gebaut worden, wie die staunenswerte Menge der Ziegelstempel jener Zeit erweist. Aber die Zeichen der sinkenden Kunst beginnen doch mehr und mehr hervorzutreten. Bezeichnend für den Kaiser ist die Villa Hadriana bei Tibur (Winnefeld Die Villa des Hadrian, Archäolog. Jahrb. 1895). Von allem, was dem Kaiser auf seinen Reisen am besten gefallen hatte, wollte er dort Wiederholungen sehen. Doch jeder Nachahmung mangelt die Originalität der Erfindung. R. war eine Allerweltstadt geworden, wo die Kunstformen des Erdkreises zusammenströmten, wie die fremden Götterkulte. Wie weit ist der einfache Glanz des aus karrarischem Marmor erbauten palatinischen Apollotempels entfernt von der vielfarbigen Wandinkrustation der Villa Hadriana! Nirgends ist wohl eine größere Fülle verschiedenfarbigen Marmors aufgehäuft worden. Es ist ein Zeichen des sinkenden Geschmackes, wenn die Schönheit der Form durch Buntheit des Materials ersetzt wird. Die Technik steht allerdings noch ganz auf der alten Höhe. Die Kuppel des Pantheon, das nach einem Brande (Oros. VII 12: Pantheon Romae fulmine concrematum) als [1049] völliger Neubau (Ziegelstempel CIL XV 276 usw. Not. scav. 1893, 89. Röm. Mitt. 1893, 312) wiederhergestellt wurde, wird ein Vorbild für alle Zeiten bleiben (Hist. Aug. Hadrian 19, 10: Romae instauravit Pantheum. Hülsen Topogr. III 1, 581; Form. Urb.² 29.. Gilbert III 116. Richter Topogr.² 233). Durch seine Größe wirkte der Doppeltempel der Venus und Roma auf der Velia (Dio LXIX 4. Hülsen I 3, 18), der später zu den Wunderwerken R.s gezählt wurde (Ammian. Marc. XVI 10, 14). Das gewaltige Mausoleum Hadriani, dessen Form an das Grabmal der Caecilia Metella, der Schwiegertochter des Crassus, und an das Grabmal der Plautii am Pons Lucanus erinnert (Hist. aug. Hadr. 19. Dio LXXVI 15. Herodian. IV 1, 4. Hülsen I 3, 663. Platner Topogr.² 516), ist nur von ihm begonnen, von Antoninus Pius vollendet (CIL VI 984. Dio LXIX 23. Richter Topogr.² 278. Gilbert III 261). Als Zugang zum Grabmal wurde eine neue Brücke geschaffen, der Pons Aelius (Hist. aug. Hadr. 19. JordanI l, 416. Hülsen Röm. Mitt. 1893, 321), durch den dann der Verfall des Pons Neronianus bedingt war.

Die Zeit der Antonine ist ein Nachklang des vorhergehenden Höhepunktes unter Hadrian. Seit dem Anfange des 2. Jhdts. n. Chr. ist die Apotheose der Kaiser die Regel geworden, während früher Tiberius und Caligula in R. nicht unter die Divi aufgenommen worden waren. So hat Antoninus Pius seiner frühverstorbenen Gattin Faustina schon 141 n. Chr. (Hist. aug. Pius 6, 7: tertio anno imperii sui Faustinam uxorem perdidit, quae a senatu consecrata est) den bekannten Tempel am Forum errichtet, in dem er später selber göttliche Verehrung fand (CIL VI 1005. Hülsen For.² 197; Topogr. I 3, 8. Gilbert III 127. Richter² 360). Nicht lange danach, 145 n. Chr., hat er eine Stätte göttlicher Verehrung seinem Vorgänger geschaffen in dem Hadrianeum (Hist. aug. Antonin. Pius 8. Hülsen I 3, 608. Lucas Zur Gesch. der Neptunsbasilika, Berlin 1904), in dem jetzt die Börsenmakler ihr Wesen treiben. Ein Bild von der Apotheose des Antoninus Pius und seiner Gattin gibt das bekannte Relief von der Basis der Columna Antonini, die seine Söhne ihm zu Ehren errichteten (Visconti Museo Pio-Clementino V Taf. 28–30. CIL VI 1004. Hülsen I 3, 604; Form. Urb.² Plan II. Gilbert III 128. Richter Topogr.² 253). Eine Übersicht der Bauten des Kaisers gibt Hist. aug. Antonin. Pius 8, 2.

Das Motiv der Traianssäule ist wiederholt in der Columna Marci Aurelii, 176 n. Chr. begonnen und etwa 193 n. Chr. vollendet (CIL VI 1585. Hülsen I 3, 605. Gilbert III 128. Richter Topogr.² 253). Die spiralförmig sich emporwindenden Reliefs, die die Kriege des Kaisers gegen die Markomannen (171–173) und Sarmaten (174–175) darstellen (Calderini Die Markussäule 1896), haben doch schon größere Kleinheit der Figuren als die Reliefs des Vorbildes. Merkwürdig ist die Tatsache, daß ein Bild, welches die römischen Legionen an der Donau im Regensturm vorführt, den Anlaß gegeben hat zu der christlichen Legende von der Legio fulminata [1050] (Petersen Röm. Mitt. 1894, 78. Weitere Literatur bei Schanz Röm. Literat, von Hadrian bis Constantin 1896, 215. Hülsen I 3, 607). Tatsächlich halten die Soldaten die Schilde mit der Wölbung nach oben, als ob sie dieselben wie Regenschirme gebrauchen wollten. Von hoher Bedeutung für die Plastik ist das Reiterstandbild des Marc Aurel geworden, das ursprünglich am Lateran stand und dann auf das Kapitol versetzt worden ist (Michaelis Röm. Mitt. 1891, 9. Helbig Führer durch die Sammlungen² I 257). Es ist das Vorbild zahlloser Reiterstatuen der Renaissance geworden. Nur weil man in dem Standbilde den christlichen Kaiser Constantin zu sehen meinte, ist es vor dem Einschmelzen bewahrt geblieben.


3. Septimius Severus bis Probus 191–284 n. Chr. Der große Brand unter Commodus 191 n. Chr., der R. drei Tage lang verheerte (Dio LXXII 24. Herodian. I 14, 2. Oros. VII 16: plurimam urbis partem solo coaequavit. Hülsen I 3, 98. Gilbert III 36), macht in der äußeren Entwicklung R.s einen gewissen Einschnitt, so daß man nach den Wirrnissen, die der Ermordung des Commodus folgten, eine neue Periode mit Septimius Severus beginnen kann. In mancher Beziehung kann man diesen Kaiser mit Vespasian vergleichen (Niese Röm. Gesch.³ 310). Ob er eine neue Vermessung der Stadt vornahm, ist nicht überliefert, aber wahrscheinlich, da er das sog. Templum sacrae urbis (SS. Cosma e Damiano), in dem das Katasteramt der Stadt lag, nach der Zerstörung in dem genannten Brande wiederherstellte. An der nördlichen Rückwand des Gebäudes, die nach dem Forum Pacis blickte, ließ er dann vermutlich nach einer Vorlage aus Vespasians Zeit (Hülsen I 3, 6. JordanI 1, 45) jenen Stadtplan anbringen, dessen Bruchstücke für die römische Topographie von unschätzbarem Werte sind (Jordan Form. Urb. Rom. Reg. XIV 1874. Seitdem gefundene Stücke: Hülsen I 3, 6; Die Thermen des Agrippa 1910, 16. Gilbert III 30). Hergestellt ist der Plan 203–211 n. Chr. (Jordan Form. Urb. 9).

An den Bauten des Septimius Severus treten die Merkmale des sinkenden Könnens immer stärker hervor. Seine Palastbauten auf dem Palatin südöstlich vom Stadium Domitiani (Hippodromus Palatii Hülsen I 3, 94. 97) haben zwar immer noch jene imponierende Größe der Bogen (Hülsen I 3, 99. Richter Topogr.² 83), aber es sind geringere Marmorarten verwendet (Jordan I 1, 21). Von seinen Thermen, die wohl den Commodusthermen benachbart waren, wissen wir nicht einmal sicher, wo sie gelegen haben (Hülsen I 3, 217. Gilbert III 298. Hist. aug. Sever. 19, 5. Chron. min. M. I 147). Den Verfall der Kunst erkennt man deutlich an seinem Triumphbogen auf dem Forum (203 n. Chr. CIL VI 1033. Hülsen For.² 78. Lanciani Ruins 284. Gilbert III 191). Die Reliefs, welche die Partherkriege des Kaisers darstellen, versinken in die Kleinheit zahlloser Figuren, die sich wie Kritzeleien ausnehmen neben den großen Zügen des Titusbogens. Aufdringlich war schon der gewählte Platz; denn der Bogen ist eingeklemmt [1051] zwischen andere Denkmäler und verdeckt die Aussicht auf den Tempel der Concordia. Etwas erfreulicher ist der kleine Arcus argentariorum (204 n. Chr. CIL VI 1035. Jordan I 2, 470. Richter Topogr.² 181) mit seinem horizontalen Architrav. Leider ist sein Zustand ein so trostloser, daß man nicht weiß, wieviel Mangel an Können, wieviel Zerstörung verschuldet hat. An beiden Bogen hat Caracalla die Spuren des Andenkens an seinen Bruder Geta nach dessen Ermordung (211 n. Chr. Niese Röm. Gesch.³ 311) getilgt. Selbst zu dem hochberühmten Septizonium (203 n. Chr. CIL VI 1032. Hist. aug. Sever. 24. Hülsen I 3, 100 u. p. XX), einem prachtvollen Springbrunnen, der die auf der Via Appia Ankommenden gleich an der Südostecke des Palatin begrüßen sollte, sind wahrscheinlich schon Werkstücke von älteren Bauten genommen (Jordan I 1, 21). Man hat gewöhnlich angenommen, daß es von sieben horizontalen Schichten des Baus seinen Namen erhalten habe. Da aber frg. 38 des severianischen Stadtplanes sieben vertikale Teile erkennen läßt, scheint das der Ursprung des Namens gewesen zu sein.

An riesenhafter Größe stehen die Thermae Antoninianae des Caracalla keinem anderen Bauwerke R.s nach (Durm Baukunst² 707), wenn auch jetzt kaum mehr als die nackten Ziegelwände zu sehen sind und zeigen, daß die Wirkung auf das Kolossale und auf die bunte Pracht der Marmorinkrustation abzielt. Sie sind in der kurzen Zeit 211–216 n. Chr. hergestellt, nur der Umfassungsbau ist von den Nachfolgern hinzugefügt (Hist. aug. Heliogabal. 17, 19: porticus ... ab Alexandro perfectae). Wenn die Technik schon im Altertum gerühmt wurde (Hist. aug. Caracall. 9: ex acre vel cypro cancelli subterpositi esse dicuntur), so ist das berechtigt; denn in der Tat sind Eisenschienen verwendet worden (Hülsen Röm. Mitt. 1893, 294). Der Grundriß ist der übliche. In der Queraxe des Hauptgebäudes folgen Frigidarium, Tepidarium, Caldarium, zu beiden Seiten die Apodyteria und Palaestrae. Welches allerdings die berühmte Cella solearis (Hist. aug. Caracall. 9, 4) gewesen sei, ist viel umstritten. Die Pracht der Ausstattung muß großartig gewesen sein, so daß sie schon damals auffiel (Hist. aug. Sever. 21, 11: thermas magnificentissimas). Dort sind unter anderen gefunden der Farnesische Stier, die Flora, der Farneaische Hercules, in dessen massigen Gliedern sich die Art des ganzen Baus wiederspiegelt. Züge der sinkenden Kunst bemerkt man an den erhaltenen Trümmern. Die großen Kompositkapitelle, die jetzt unten im Mittelraum aufgestellt sind, tragen zwischen den Voluten und Akanthusblättern noch Figuren z. B. den Hercules, die wie angeklebt erscheinen (Durm Baukunst² 404). Zu den zwei Motiven der Ornamentik, die ja auch schon nicht zusammengehören, tritt willkürlich noch die menschliche Gestalt hinzu.

Unter den Nachfolgern des Caracalla erlahmt die Bautätigkeit, zumal sie ja auch meist nur kurze Zeit die Macht in Händen hatten. Die Kaiser beschränkten sich darauf, die Verweichlichung des Volkes fördernd, immer neue Thermen mit den dazu nötigen Wasserleitungen zu [1052] schaffen, oder sie frönten ihren Launen und ihrer Ruhmsucht. Auf die Badeanlage, die Heliogabalus auf dem Palatin erbaute (Hist. aug. Heliogab. 3), folgten bald die Thermen des Alexander Severis 227 n. Chr. (Hist. aug. Alex. 24. Hülsen I 3, 591), denen die Aqua Alexandrina (Jordan I 477. Lanciani Acque 168) diente. Das Nymphaeum auf Piazza Vittorio Emanuele, Trofei di Mario genannt, kann diesem Kaiser nicht seinen Ursprung verdanken, da die Wasserführung viel höher liegt als die Aqua Alexandrina (Jordan I 1, 478). Weiter folgten die Thermen des Decius am Aventin 252 n. Chr. (Merlin L’Aventin 316. Hülsen I 3, 163). Eine Laune war es, wenn Alexander Severus den Haupteingang des Palatin nach Südosten verlegen wollte (Hülsen I 3, 107). Nur der Schmeichelei eines Beamten verdankt der Arcus Gallieni seine Entstehung (CIL VI 1106. Jordan I 1, 356. Hülsen I 3, 343), der an Stelle der alten Porta Esquilina steht. Er war dreitorig, aber seine Attica ist so schmal, daß man sie als fehlend bezeichnen kann. Dadurch erhält der Bogen etwas Gedrücktes, das man an den Bogen aus guter Zeit nicht findet.

Immer mehr nimmt der Kult fremder Götter überhand. Die Isisverehrung fand noch mehr Anhang als früher (Hist. aug. Caracall. 9: sacra Isidis Romam deportavit et templa ubique magnifica eidem deae aedificavit). Sogar der syrische Götze Elagabal erhielt einen prächtigen Tempel auf dem Palatin durch Heliogabalus (Hist. aug. Heliogab. 3. Hülsen I 3, 106. Gilbert III 114), während Aurelian auf dem Marsfelde in der Gegend der Via Frattina (270 n. Chr. Hist. aug. Aurel. 25. Hülsen I 3, 453) dem syrischen Sol invictus, der dem Mithras verwandt ist, einen ausgedehnten Tempel weihte.

Sonst hebt sich gerade Aurelian von seinen Vorgängern vorteilhaft dadurch ab, daß er der offenen Stadt den Schutz der Aurelianischen Mauer gab, gewarnt durch den immer heftiger werdenden Ansturm der Germanen. Ein gewaltiger Umschwung war eingetreten. Während das römische Reich durch die Fehden der Usurpatoren zerrissen wurde, hatten die Goten, Alamannen, Franken sich zu Volkseinheiten zusammengeschlossen. Wie eine unaufhaltsame Sturmflut wälzten sich ihre verwegenen Scharen gegen die Grenzen des Reiches. Schon 242 mußte Gordian den Goten Jahrgelder bewilligen (Niese Röm. Gesch.³ 331), die Alamannen standen 261 n. Chr. in Mailand, Ephesus wurde 263 von einer Gotenflotte erobert (Niese a. a. O. 333). Unter Aurelian drang ein germanischer Heerhaufen sogar bis Umbrien vor. Es war hohe Zeit, daß R. wieder eine starke Mauer erhielt. Begonnen wurde der Bau 271 n. Chr. (Hülsen s. o. Bd. V S. 1376), jedenfalls vor dem Kriege gegen Zenobia (Jordan I 1, 340. Zosim. I 49: ἐπειχίσθη τότε ἡ Ῥώμη πρότερον ἀτείχιστος οῡσα. Hist. aug. Aurel. 21), vollendet erst unter Probus (Zosim. I 49: συνεπληρψθη βασιλεύοντος Πρόβου). Allenthalben blickt die Hast hervor, mit der man bei der Arbeit verfuhr. Vielfach sind Werkstücke älterer Bauten verwendet, wie die Ziegelstempel am Castro Pretorio und an anderen Stellen zeigen (CIL XV 324 von 123 [1053] n. Chr. XV 585. Röm. Mitt. 1892, 297. 1893, 276). Von dem ganzen Umkreis, der nach Lanciani 18837,50 m beträgt (Bull. com. 1892, 87. Jordan I 1, 337, 37), fallen 2875 m auf schon vorhandene Bauwerke, wie die Castra Praetoria, die Bogen der Aqua Marcia und Claudia, das Amphitheatrum Castrense, die Pyramide des Cestius und andere. Die Mauer ragte außen höher auf als innen, da man die außerhalb ausgehobenen Erdmassen an der Innenseite anschüttete. Eine Beschreibung der Mauer aus der Zeit des Honorius gibt das Itinerarium Einsiedlense (Jordan,I 1, 346. II 578. Richter Topogr.2 66. Urlichs Cod. Top. 70). Danach war die Mauer ausgestattet mit mehr als 380 Türmen und 14 Toren. Es sind folgende: 1. laminia; 2. Salaria; 3. Pinciana; 4. Nomentana; 5. Tiburtina; 6. Praenestina; 7. Asinaria; 8. Latina; 9. Metrovia; 10. Appia; 11. Ostiensis; 12. Portuensis; 13. Aurelia; 14. Cornelia (Jordan I 1, 351. Gilbert III 14). Die Mauer hatte aber noch mehr Tore, so ist die Porta Ardeatina in einer Bastion Sangallos verschwunden (Hülsen Röm. Mitt. 1894, 320. Richter Topogr.² 70. Platner Topogr.² 120). Dazu kamen noch eine ganze Anzahl kleinerer Pforten. Die Linie der Mauer schloß sich im wesentlichen den Grenzen der damaligen 14 Regionen an (Plan Hülsen Form. Urb² II). Ausgeschlossen blieb nur ein Stück der Regio I, das südlich bis zum Almo sich erstreckte, und von Regio XIV das vatikanische Gebiet. Auch in der Nähe der Porta Pinciana stehen einige Grenzsteine des Claudius außerhalb (Hülsen CIL VI 4, 2. Richter Topogr.² 65. Platner Topogr.² 61). Dagegen wurden hineingezogen der nördliche Teil des Marsfeldes und die Ebene des Monte Testaccio (Jordan I 1, 345). Die Mauer hat R. oftmals in den Stürmen der Völkerwanderung und im Mittelalter beschützt und steht noch jetzt in dem größten Teil ihres Verlaufes (ältere Literatur bei Jordan I 1, 342, 3; jüngere bei Hülsen Form. Urb.² 107).

4. Letzter Aufschwung unter Diocletian und Constantin 284–337 n. Chr. Durch Diocletian und Constantin hat das römische Kaisertum die Form der absoluten Monarchie erhalten, indem eine völlige Neuordnung der Verwaltung durchgeführt wurde. Der Senat verlor jeden Einfluß und bestand nur noch fort als Schemen einer vergangenen Zeit (Niese Röm. Gesch.³ 346. Schiller Röm. Gesch. II 36). Von jetzt an gibt es nur kaiserliche Beamte. Die Zivil- und Militärverwaltung wird getrennt (Seeck Gesch. I 8, 11 u. 441). Die Praefecti praetorio übernehmen die Rechtspflege und Zivilverwaltung (Schiller II 44. 49. Seeck II 62), während die Magistri peditum et equitum den Oberbefehl über die Truppen führen (Schiller II 90. Seeck II 83). Doch ist natürlich der Kaiser auch in der Verwaltung und Gerichtsbarkeit oberste Instanz (Schiller II 65). Der Magister officiorum ist seit Constantin Befehlshaber der kaiserlichen Palasttruppen (Mommsen Herm. 1889, 224. Cod. Theod. XVI 10, 1). Das Steuerwesen wird insofern verändert, als auch für Italien die Grundsteuer eingerichtet wird (Schiller II 69. [1054] Seeck II 250). Bei Steuereinschätzungen scheute man sich nicht, auch unter Umständen die Folter anzuwenden (Seeck I 5). Sogar in die Verhältnisse des Handels und der Marktpreise griff Diocletian mit der ganzen Rücksichtslosigkeit seines Wesens ein. Durch sein berühmtes Preisedikt von 301 n. Chr. (Niese Röm. Gesch.³ 347. Seeck 15. Mommsen-Blümner Der Maximaltarif des Diokletian, Berlin 1893. Dessau Insc. Lat. sel. 642) versuchte er einen Maximaltarif für alle möglichen Waren einzuführen. Die Todesstrafe war darauf gesetzt, wenn jemand Brot zu teuer verkaufte (Seeck I 5). Solche unhaltbaren Bestimmungen werden ja wohl kaum ein langes Leben gehabt haben. Aber verhängnisvoll für R. wurde die durch Diocletian geschaffene Tetrarchie. Denn wenn auch die Teilung der Macht unter zwei Augusti und zwei Caesares nicht als Teilung des Reiches gedacht war (Niese Röm. Gesch.³ 344), so war dennoch auf diese Weise der Anfang dazu gemacht, daß R. aufhörte, Residenz und Mittelpunkt des ganzen römischen Reiches zu sein (Seeck I 8).

Trotzdem Diocletian sich in R. nur vorübergehend aufhielt, hat er dennoch mancherlei Bauten dort geschaffen, da die gewaltige Tatkraft des Mannes sich auch auf diesem Gebiete bewährte. Unter Carinus hatte eine Feuersbrunst hauptsächlich das Forum betroffen (Chron. min. M. I 148. Urlichs Cod. top. 192: operae publicae arserunt senatum, forum Caesaris, basilicam Iuliam et Graecostadium). Hier bot sich also ein weites Feld für die Bautätigkeit des Herrschers. Er stellte wieder her die Basilica Iulia, das Forum Iulium, das Iseum et Serapeum, die Bühne des Theatrum Pompei. Unter seinen Neubauten ist zu nennen ein Triumphbogen über der Via lata (Not. Reg. VII. Hülsen I 3, 469) und vor allem die Riesenanlage der Thermae Diocletianae, die 306 v. Chr. fertig wurden (CIL VI 1130. Hülsen I 3, 378. Lanciani Ruins 434. Richter Topogr.² 294. Platner Topogr.² 494. Paulin Les Thermes de Dioclétien 1890). Die Einteilung des Mittelgebäudes ist die übliche. In den Mittelraum (Tepidarium) hat Michel Angelo die Kirche S. Maria degli Angeli eingebaut. Von dem Umfassungsring steht noch an der Nordwestecke der kleine Rundbau der Kirche S. Bernardo, deren schöne Kuppel an das Pantheon erinnert. Die nach Südwesten gerichtete Exedra ist noch jetzt an der Rundung des Eingangs der Via Nazionale zu erkennen. Diese Thermen waren von allen ähnlichen Anlagen bei weitem die umfangreichsten. Sie sollen 3200 Badesessel enthalten haben (Olympiod. bei Phot. bibl. 80), während die Thermen des Caracalla deren nur 1600 aufwiesen (Olympiod. Phot. bibl. 63).

Dasselbe Streben nach ungewöhnlichen Raumabmessungen tritt auch an dem Hauptwerke des Maxentius, der großen Basilica des Forums hervor. Es ist, als ob gerade darin ein Kaiser immer den andern habe überbieten wollen. Die Basilica Maxentii mit ihren 6000 qm Fläche ist das größte gedeckte Bauwerk des Altertums (Hülsen I 3, 11, 22). Sie ist begonnen 306–310 n. Chr. (Hülsen For.² 214. Richter Topogr.² 164. [1055] Platner Topogr.² 335. Lanciani Ruins 204), aber erst von Constantin vollendet, woher sie denn auch dessen Namen angenommen hat. Ursprünglich lag der Haupteingang im Osten, wo ein Chalcidicum vorgelegt ist, und ihm gegenüber die Apsis. Dann hat Constantin den Eingang auf das Forum verlegt und die zweite Apsis an der östlichen Langseite geschaffen. Der Grundriß weicht stark von dem der älteren Basiliken ab. Wir haben nicht einen Mittelraum mit herumlaufender Säulenhalle, wie etwa bei der Basilica Iulia, sondern ein Mittelschiff und zwei Seitenschiffe, so daß das Gebäude der Form der christlichen Basiliken sich viel mehr nähert. Die Ornamente, wo sie noch vorhanden sind, leiden etwas an Überladenheit. Die freilich recht schönen Säulen, deren letzte 1613 vor S. Maria Maggiore aufgestellt worden ist, sind nicht mehr Träger, sondern haben, vor den mächtigen Pfeilern stehend, ornamentale Bedeutung. Das Bewußtsein von der ursprünglichen Bedeutung des Baugliedes ist verloren gegangen. Das Ganze ist ein Bau, der die riesenhafte Masse benutzt, um die Kunst zu ersetzen (Schiller Röm. Gesch. II 467). Doch die staunenswerte Kühnheit und Größe der Wölbungen und Bogen hat im Mittelalter stets Bewunderung erregt, und wenn wir davor stehen, so ist es uns, als ob wir in diesen gewaltigen Trümmern einen Nachklang von der einstmaligen Größe des Imperium Romanum verspürten.

Die übrigen Bauwerke des Maxentius sind von geringerer Bedeutung. Der Tempel des Divus Romulus, seines frühverstorbenen Sohnes, war auch bei dem Tode des Kaisers noch unvollendet und ist daher von Constantin dediziert (CIL VI 1147. VIII 10382. Hülsen For.² 208. Richter Topogr.² 113. Lanciani Ruins 211. Jordan II 8. Platner Topogr.² 130). Jetzt bildet er die Vorhalle von SS. Cosma e Damiano. Der Circus des Maxentius, der an der Via Appia nicht weit von dem Grabmal der Caecilia Metella sich 480 m erstreckt (CIL VI 1138. Chron. min. M. I 148. Richter Topogr.² 349), erbaut 311 n. Chr., ist dadurch merkwürdig, daß in die Wölbungen an den Langseiten Tongefäße eingemauert sind, um die Schwere des Mauerwerkes zu mindern (Durm Baukunst² 295). Vor der Aurelianischen Mauer begann er einen Graben auszuheben (Chron. min. M. I 148: fossatum aperuit, sed non perfecit), ohne ihn jedoch zu vollenden.

Constantin (306–337), der das Werk des Diocletian weiter ausbaute, hat zwei folgenschwere Neuerungen geschaffen. Er hat dem Christentum die staatliche Anerkennung gewährt und seine Residenz nach Constantinopel verlegt. Noch unter Diocletian hatte 303 n. Chr. eine Christenverfolgung stattgefunden (Niese Röm. Gesch.³ 347. Seeck Röm. Gesch. III 307). Es war ein Wüten des Aberglaubens, wie es das römische Reich noch nicht gesehen hatte (Seeck III 310). Doch schon Galerius hatte 310 n. Chr. ein Toleranzedikt erlassen (Euseb. hist. eccl. VII 17, 3. Lactant. de mort. persec. 34. Niese Röm. Gesch.³ 350. Benjamin s. o. Bd. IV S. 1016), und der Kaiser Constantin hatte es gleich nach der Besiegung des Maxentius [1056] 313 n. Chr. erneuert (Lactant. de mort. persec. 48. Niese³ 353. Schiller II 204. Seeck I 56. 126), so daß nun die christliche Religion der heidnischen gleichstand. Es wurde sogar die Unterhaltung der christlichen Priester auf die Staatskasse übernommen (Euseb. hist. eccl. X 6, 7. Cod. Theod. XVI 2, 1. Benjamin s. o. Bd. IV S. 1018). Ob er selber Christ war, ist nicht sicher, aber seine Mutter Helena hing dem neuen Glauben an (Niese Röm. Gesch.³ 353, 2). Gegen Ende seiner Regierungszeit 330 n. Chr. hat Constantin dann die Verlegung seiner Residenz nach Constantinopel vollzogen, nachdem schon lange Vorbereitungen dazu getroffen worden waren (Benjamin s. o. Bd. IV S. 1021). Zugleich siedelten dorthin römische Senatoren über, Kunstwerke wurden aus R. dorthin geschafft zur Ausschmückung der neuen Kaiserstadt.

Die übrigen Neuerungen des Constantin sind nicht so einschneidend gewesen. Bald nach dem Siege über Maxentius hat er wahrscheinlich eine neue Katasteraufnahme der Stadt veranstaltet. Die Regionskataloge der sog. Regionarier sind daraus hervorgegangen. Wichtig war besonders die Aufhebung der Prätorianer (Zosim. II 17: τοὺς Πραιτωριανοὺς ἐκτρίψας καὶ τὰ φρούρια τὰ τούτους κατέχοντα καθελών); von ihrem Standlager, den Castra Praetoria, ließ er die nach der Stadt gewendete Seite niederreißen (Mommsen Herm. 1889, 224).

Obwohl Constantin ein echter Soldatenkaiser war, hat er dennoch eine lebhafte Bautätigkeit entfaltet. Die Basilica Constantini und das Templum Divi Romuli hatte er von Maxentius übernommen. Wann die Thermae Constantinianae auf dem Südwestende des Quirinal hergestellt wurden, ist nicht sicher (CIL VI 1750. Hülsen I 3, 438. Jordan II 527. Gilbert III 300. Richter Topogr.² 296. Platner Topogr.² 497). Da sich Ziegelstempel von 292–305 n. Chr. neben jüngeren darin vorfinden (CIL XV 1628. Hülsen I 3, 438, 127), ist es sehr wahrscheinlich, daß auch sie schon von Maxentius begonnen worden waren, was für die Datierung der Regionarier von Wichtigkeit ist. Wiederhergestellt sind die Thermen 443 n. Chr. durch Petronius Perpenna (CIL VI 1750). Damals sind auch wohl die berühmten Dioskuren davor aufgestellt worden, die jetzt vor dem Quirinalspalaste stehen (Michaelis Röm. Mitt. 1898, 273). Die von ihm errichtete Porticus nennt nur die Notitia (Reg. VII). Von seinem Reiterstandbild, das 334 v. Chr. auf dem Forum errichtet wurde, ist wenigstens die Basis erhalten (CIL VI 1141. Hülsen For.² 128. Lanciani Ruins 260. Platner Topogr.² 262). Nützlich war die Reinigung und Wiederherstellung der Aqua Virgo (Bull. com. 1881, 197. Dessau Inscript. Lat. sel. 702: formam aquae Virginis vetustate conlapsam a fontibus renovatam arquaturis eminentibus omnibus dirutam pecunia sua Populi Romani necessario et usui tribuit exhiberi). Es muß nach 315 n. Chr. geschehen sein, da erst von dieser Zeit an der Kaiser Maximus genannt wird.

Am lehrreichsten für die Kunst jener Zeit sind die beiden Bogen des Kaisers. Daß der [1057] Ianus quadrifrons auf dem Forum boarium von ihm herrührt, ist zwar durch keine Inschrift überliefert, aber es ist dennoch wahrscheinlich, da die Regionarier einen Arcus Constantini in Regio XI aufzählen (Jordan I 2, 471. Richter Topogr.² 182. Lanciani Ruins 520. Gilbert III 192. Platner Topogr.² 403). Auch entspricht die Kunst und Bauart jener Zeit. Fremde Werkstücke sind dazu genommen; die Einmauerung von Tongefäßen lernten wir schon am Circus in catecumbas des Maxentius kennen (Durm Baukunst² 295). Dazu kommt die Roheit der Form. Mag auch die Zerstörung einige Schuld haben, jetzt macht der viertorige Bogen den Eindruck eines viereckigen Klotzes.

Dagegen ist die Gesamtwirkung des berühmten Arcus Constantini am Amphitheatrum Flavium eine überaus erfreuliche. Nach der Inschrift (CIL VI 1139. Hülsen I 3, 25. Lanciani Ruins 193. Richter² 173. Platner² 322) ist er ein Ehrendenkmal, das zur Erinnerung an die Besiegung des Maxentius (312 n. Chr.) ziemlich sicher 315 n. Chr. errichtet worden ist. Bei der Betrachtung der Einzelheiten treten starke Gegensätze des Stils hervor, die zeigen, daß zu dem Bogen zahlreiche Werkstücke von früheren Bauten verwendet worden sind. Man pflegt drei Stufen zu unterscheiden: 1. Traianische Zeit: das große Relief (Kampf, Einzug) im mittleren Durchgang und an den Schmalseiten der Attica, ferner die 8 Rundreliefs (Jagdszenen); die letzteren hält M. Bieber für Hadrianisch (vgl. Petersen Röm. Mitt. 1889, 314. Sieveking Röm. Mitt. 1907, 345. Hülsen I 3, 26. Gesamte Literatur bei M. Bieber Röm. Mitt. 1911, 214). 2. Zeit des Marc Aurel: die 8 großen oblongen Reliefs (wohl Markomannenkämpfe); vielleicht gehören hierher auch die gefesselten Barbaren, die oben neben der Attica stehen. 3. Zeit des Constantin: Die kleinen Reliefs über den Seitenbogen, die Viktorien an den Säulenbasen, die deutlich zeigen, wie tief die Plastik damals gesunken war. Die Reliefs sind völlig wirkungslos wegen der Überfülle und Kleinheit der Figuren, die Viktorien aber tragen eine Plumpheit zur Schau, die abstoßend ist. Und trotz aller dieser Verschiedenheiten sind die Abmessungen des Ganzen so glücklich getroffen, daß es der schönste, aus dem Altertum erhaltene Triumphbogen ist. Kein Bauwerk zeigt so gut wie er, daß die alte Kaiserstadt unter Diocletian und Constantin noch einmal einen mächtigen Aufschwung erfuhr, der aber doch nur der erste Anfang des Endes war.


5. Zeit des Niedergangs und der Zerstörung 337–555 n. Chr. Constantin hat soviel für R. getan, daß man ihn einen restitutor humani generis, propagator imperii (CIL VI 1140), einen defensor urbis Romae (CIL XIV 131) nannte. Und dennoch hat er der Hauptstadt des Erdkreises den schwersten Schlag versetzt, der sie treffen konnte. Schon die Fortsetzung der Diocletianischen Tetrarchie beschränkte R. auf ein engeres Gebiet, aber die Verlegung der Hauptstadt nach Constantinopel drückte es zu einer Provinzialstadt herab. Und als 395 n. Chr. R. durch Honorius wieder Residenz [1058] für das weströmische Reich wurde, war es zu spät.

Freilich prangte die ewige Stadt noch immer in ihrem alten Glanze und erregte das Staunen des Kaisers Constantius, als er 357 n. Chr. einen Monat in R. verweilte und zum Andenken an seinen Besuch den großen Obelisken im Circus Maximus aufrichten ließ (CIL VI 1163. Ammian. Marc. XVI 10, 17. XVII 4, 12. Hülsen I 3, 132), den das Curiosum als den sechsten zählt (vgl. über Obelisken Richter Topogr.² 377). Denn die Bautätigkeit hörte natürlich nicht mit einem Schlage auf. Eine neue Brücke kam hinzu, der Pons Valentinianus 364 n. Chr. (CIL VI 31402 usw. Ammian. Marc. XVII 3, 3. Jordan I 1, 420), während der Pons Cestius als Pons Gratiani wiederhergestellt wurde (CIL VI 1175. 1176. Jordan I 1, 419. Richter Topogr.² 69). Sogar Triumphbogen wurden noch errichtet für Gratianus, Valentinianus und Theodosius (CIL VI 1184. Hülsen I 3, 598. Jordan I 1, 390). Denselben Kaisern verdankt eine Porticus Boni Eventus 374 n. Chr. ihre Entstehung (Ammian. Marc. XXIX 6, 17. Hülsen I 3, 581). Der Triumphbogen des Arcadius, Honorius, Theodosius, der in der Nähe des Pons Aelius stand, feierte den Sieg des Stilicho über Radagais (CIL VI 1196. Jordan II 608). Unter die Standbilder des Forums wurde noch manches eingereiht (CIL VI 1651–1672), wohl als letztes die Säule des Phocas (CIL VI 1200. Jordan I 2, 246. Lanciani Ruins 262. Richter Topogr.² 104. Hülsen For.² 88. 229. Platner Topogr.² 260), zu der wahrscheinlich eine Säule von dem kleinen Rundtempel am Tiber (S. Maria del Sole, vielleicht Templum Portuni) genommen worden ist. Sie hat selbst die Zeiten des Campo vaccino überdauert, und in den Ecken der Basis sind Löcher, an denen im Mittelalter die Schafe und Kühe angebunden wurden.

Im allgemeinen beschränkte man sich darauf, mühsam das Vorhandene zu erhalten. So wurde die Porticus Deorum consentium am Clivus Capitolinus, die schon Varro (r. r. I 1, 4; de l. l. VIII 71) nennt, 367 n. Chr. von Vettius Agorius Praetextatus wiederhergestellt (CIL VI 102. Jordan I 2, 367. Hülsen For.² 83), und unter Arcadius und Honorius das Theatrum Pompei einem gründlichen Ausbau unterzogen (CIL VI 1191). Und noch viele andere Erneuerungen wurden hier und da notwendig (Ammian. Marc. XXIX 6, 17: Claudius praefectus urbi instauravit vetera plurima). Die baufällig gewordenen Thermae Constantinianae wurden 443 n. Chr. durch Petronius Perpenna ausgebessert (CIL VI 1750). Auch der Gotenkönig Theoderich hat redlich Sorge getragen für Instandhaltung der Wasserleitungen, Kloaken, Mauern und Wege, wie die Ziegelstempel lehren (CIL XV 1665 usw. VI 1794. X 6850. Gregorovius Gesch. 288). Am nützlichsten in jenen gefährlichen Zeiten war aber die Wiederherstellung der Aurelianischen Mauer unter Honorius 403 n. Chr. (CIL VI 1188–1190. Jordan I 1. 341. Richter Topogr.² 66ff.). Denn bald sollten vor den Toren R.s Feinde stehen, die viel grimmiger waren als die Gallier und Hannibal.

Danebenher ging die stille Zerstörung, die [1059] der Zahn der Zeit langsam aber sicher bewirkt. Ein schweres Erdbeben brach 422 n. Chr. über R. herein (Paul. Diacon. gest. Langobard. IV 47: tam terribili terrae motu Roma concussa est, ut plurimae aedes eius et aedificia corruerint) und manche andere folgten (Gilbert III 453, 1). Dazu kamen die schrecklichen Eroberungen und Plünderungen, die die Stadt nacheinander zu ertragen hatte: 410 n. Chr. durch Alarich (Gregorovius Gesch. I 147), 455 durch Geiserich (Gregorovius I 204), 472 durch Rikimer (Gregorovius I 233), 546 und 549 durch Totila (Gregorovius I 421), 552 n. Chr. durch Narses (Gilbert III 453, 1).

Am größten war bei solchen Beutezügen immer die Gier nach Metall, das man sich durch Raub lieber verschaffte, als durch mühsame Arbeit im Bergwerk. Vielleicht war auch die Kenntnis des Bergbaus verloren gegangen. Schon Stilicho hatte die vergoldeten Bronzetüren des großen Kapitoltempels einschmelzen lassen (Zosim. V 38: οὗτος γὰρ θύρας ἐν τῷ τῆς Ῥώμης Καπιτωλίῳ .... ἀπολεπίσαι[προέταξε]), doch wohl um Waffen daraus zu schmieden, die man nötiger hatte als blendenden Schmuck. Einen Teil der vergoldeten Dachziegel nahm Geiserich hinweg (Procop. de bell. Vandal. I 5: ἐσύλησε δὲ καὶ τὸν τοῦ Διὸς τοῦ Καπιτωλίου νεὼν καὶ τοῦ τέγους τὴν ἡμίσειαν ἀφείλετο μοῖραν. Gregorovius I 205. Jordan I 1, 31). Die Bronzeziegel der Basilica Constantini verwendete Papst Honorius (625–628), um St. Peter damit zu decken (Lib. Pontific. LXXII vit. Honorii. Hülsen For.² 218; I 3, 13. Duchesne Mélanges de l’Ecole franç. 1886, 25). Und Constans II. raubte 663 n. Chr. zwei vergoldete Bronzerosse aus dem Circus Maximus (Graphia aureae urbis bei Urlichs Cod. top. 122, 14: hii portati sunt a Constantino (!) imperatore cum omni ornatu facto ex, ere in Constantinopoli), und ebenso die Bronzeziegel vom Pantheon (Lib. Pontific. LXXVIII vit. Vitaliani 3: et ecclesiae Sanctae Mariae ad Martyres, quae de tigulis aeris erat, discoperuit. Paul. Diacon. de gest. Langob. VI 11. Hülsen I 3, 583). Später schlug man sogar Löcher in die Pfeiler und Säulen, um zu dem Metall der Krampen zu gelangen, wie man am Colosseum. Hadrianeum und anderen antiken Bauwerken sieht.

Auch die Marmorwerke wurden nicht geschont. Schon seit Septimius Severus hatte man begonnen, zu neuen Bauten alte Werkstücke zu verwenden, wodurch natürlich jedesmal das Bessere vernichtet wurde. Wie viele schöne antike Säulen stehen noch jetzt in den alten Kirchen R.s, die doch nur durch Zerstörung des Alten gewonnen worden sind! Nun fing man noch gar an, die kostbarsten Marmorarten in Kalköfen zu brennen, um Mörtel zu gemeinem Gebrauche herzustellen (Jordan I 1, 65, 44. I 2, 161. Gilbert III 454, 2. Richter Topogr.² 74). Wenn Theodorich d. Gr. verbot, ganze Bildwerke und Säulen zu Kalk zu brennen, und nur erlaubte, nutzlos herumliegende Trümmer dazu zu nehmen (Cassiod. var. II 7. Gregorovius Gesch. I 288), so wirft das ein merkwürdiges Licht auf die Zustände, die damals in R. herrschten. Am unheilvollsten und ausdauerndsten haben die Römer selber ihre Herrlichkeiten zerstört, [1060] nicht die Völker, die sie manchmal noch jetzt Barbaren nennen. Sie selber haben die blendende Pracht, die einst der palatinische Apollotempel mit seinem karrarischen Marmor ausstrahlte, so gründlich vertilgt, daß auch nicht eine Spur davon übrig ist, und wir bis auf den heutigen Tag nicht einmal genau wissen, wo dieses Kleinod des römischen Tempelbaus gestanden hat.

Durch drei Dinge ist das alte Römertum gebrochen worden, durch das Erlahmen der eigenen Volkskraft, durch die Tapferkeit des jugendlichen Germanenvolkes und nicht zum mindesten durch das Christentum. Vergeblich waren die heilsamen Gesetze des Augustus, vergeblich die Sorge für die Alimentation der Kinder unter Traian und späteren Kaisern. Was halfen Gesetze, wenn die Erneuerung nicht von innen heraus erwuchs! Schon unter Valentinian war die Verödung auch in Norditalien so groß, daß er Alamannen in der Poebene ansiedelte (Schiller Gesch. II 367). Am Ende des 6. Jhdts. n. Chr. hatte R., einst eine Millionenstadt, nicht mehr als 30 000 bis 40 000 Einwohner (Gregorovius Gesch. I 467). Die Erschöpfung und das Elend R.s konnte zu keiner Zeit größer sein, als nach der Beendigung des Gotenkrieges. Alle bürgerlichen Verhältnisse waren bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden. Der Privatbesitz mit seinen Resten von solchen Kostbarkeiten des Altertums, welche den Vandalen und Goten entgangen sein mochten, war durch die Not der Belagerungen und durch die Erpressung der Griechen verschwunden. Die übrig gebliebenen, an den Bettelstab gekommenen Römer erbten von ihren Vorfahren kaum mehr als die nackten und verwüsteten Wohnungen, oder die Eigentumsrechte auf entfernte Besitzungen und nahe Äcker der Campagna, welche, schon seit dem 3. Jhdt. öde, in eine menschenleere Wüste verwandelt war. Aller Landbau mußte auf ihr verschwunden, jede Ansiedlung zerstört sein, während um die zerbrochenen Wasserleitungen sich weite Sümpfe bildeten (Gregorovius Gesch. I 467).

Von innen heraus hatte das Christentum die antike Weltanschauung vernichtet. Das Beste, worin die Eigenart des alten Römertums lag, die staunenswerte staatenbildende Kraft, war durch den Gedanken der Weltflucht, den das Christentum, ein Sprößling des Orients, aus seiner Heimat mitgebracht hatte, verflüchtigt und aufgelöst worden. Sehnsuchtsvoll richtete man den Blick auf das Jenseits, da man die uns umgebende Welt als einen Kerker betrachtete, aus dem die Seele des Gerechten möglichst bald entfliehen soll in ihre ursprüngliche Heimat. Wer so über die eigentliche Bestimmung des Menschen dachte, der konnte der Beschäftigung mit dem Staatsleben keinen Wert mehr beimessen. Wie erhaben auch das Gesetz der Menschenliebe, der sittliche Kern des Christentums, war, dem sinkenden Römertum konnte er nicht mehr Rettung bringen. Als Theodosius die katholische Orthodoxie allein als Staatskirche anerkannte und die Neutralität gegenüber Andersgläubigen aufgab, gab er den Staat selber auf. Das von ihm begünstigte Episkopalsystem, das immer kraftvoller emporwuchs, hat die Kaisermacht [1061] untergraben (Schiller Gesch. II 415). Doch der größte Gedanke, den das Römertum geschaffen hat, die Einheit des den Erdkreis umfassenden Imperium Romanum, war unsterblich und hat sich aus den dunkelsten Zeiten hinübergerettet in die Kirche, die nun die katholische werden sollte. Und damit beginnt die zweite weltgeschichtliche Periode in der Entwicklung R.s, in der es Glauben und Gewissen der Völker des Erdkreises beherrscht. Die dritte Periode hebt an in der neuesten Zeit, seitdem R. wieder Hauptstadt des politisch geeinten Italiens geworden ist.