Unser tägliches Brot

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Autor: Christoph Heinrich Hirzel
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Titel: Unser tägliches Brot
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aus: Die Gartenlaube, Heft 4–5, S. 52–54, 63–66.
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Unser tägliches Brot.
Von Dr. H. Hirzel.

Für Millionen von Menschen ist das Brot ein unentbehrlicher Theil der alltäglichen Nahrung; es rivalisirt an Nahrungswerth mit der Milch und ist ganz besonders dadurch ausgezeichnet, daß es von unserm Magen stets ohne Widerstreben angenommen wird. An ein gutes Brot knüpfen sich jedoch viele und wesentliche Bedingungen, die theils von der Reinheit und Beschaffenheit des Mehles, theils von der Art und Weise der Brotbereitung abhängen, und oftmals werden wirklich elende Fabrikate als „Brot" ausgeboten. In Anbetracht der großen Wichtigkeit dieses Gegenstandes für das alltägliche Leben hege ich die Ueberzeugung, daß mich die Leser der traulichen Gartenlaube bei kurzer Beachtung desselben begleiten werden.

Das Brot wird aus Mehlsorten bereitet, die man aus den Samen der Getreidepflanzen oder Cerealien, den Haupterzeugnissen des Landmanns gewinnt. Die Cerealien sind Pflanzen aus der Familie der Gräser mit langem, dünnem Halme, der an einigen verdickten Stellen, den sogenannten Knoten des Halmes, von langen zugespizten Blättern umfaßt wird, und an seiner Spitze viele in einer Aehre oder Rispe zusammenstehende unscheinbare Blüthen trägt, denen die schmückenden Blumenblätter fehlen, und die zu den kleinen, länglich runden oder walzenförmigen Samenkörnern reifen. Von einem gewissen Instinkte geleitet, haben die Menschen schon seit undenklichen Zeiten den nährenden Reichthum dieser Samen erkannt, und sobald ein Volk einer ruhigeren Lebensweise und mit dieser der Civilisation zuzustreben begann, vertauschte es zunächst die Waffe mit dem Pfluge und pflanzte in das durchfurchte Erdreich die wogenden Gräser mit ihren goldenen Aehren. Mit Recht wird daher der Ackerbau als die Seele der Industrie und der Gewerbe, als ein Segen des Friedens betrachtet; mit Recht wird er als unentbehrlich für die Menschheit geschildert; denn die Sorge um das tägliche Brot ist in materieller Beziehung die größte, den Menschen tyrannisirende Fessel.

Die wichtigsten Getreidearten sind: Weizen, Roggen oder Korn, Gerste, Hafer, Mais oder Welschkorn und Reis; doch ist nur das Mehl aus den Samen des Weizens und Roggens ganz geeignet zur Brotbereitung; während das Mehl der Gerste, des Hafers, Maises und Reises zwar, wie auch das Mehl der Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen), des Buchweizens und anderer Pflanzen, sehr oft dem Weizen und Kornmehl beigemischt wird, doch für sich allein kein wahres Brot zu geben vermag.

Die erste Zubereitung der ausgedroschenen Getreidekörner erfolgt in den Mühlen, wo dieselben theils von den äußeren Hüllen oder Hülsen, der sogenannten Kleie befreit, theils gröber zu Gries oder feiner zu Mehl gemahlen werden. Die Mühlen werden durch Wasser, Wind oder jedoch nur selten durch Dampf in Bewegung gesetzt; denn die sogenannten Dampfmühlen oder Kunstmühlen sind meistens nur Wassermühlen von neuerer Construction. Vergleichen wir verschiedene Mühlen, z. B. alte und neue miteinander, so bemerken wir mit Erstaunen, wie weit es der menschliche Scharfsinn auch hier gebracht hat. In den Mühlen von neuester Construction wird das Getreide gereinigt, zerquetscht (geschroten), enthülst, gemahlen, das Mehl nach seiner Feinheit sortirt und in Säcke gefüllt, ohne daß es von menschlichen Händen berührt zu werden braucht. Ein gewaltiges Rad vom Wasser gedreht, bewegt das ganze reinliche Werk, und das Gehör wird nicht mehr durch das unerträglihe Klappern beleidigt; wir hören nur ein dumpfes Rollen der unaufhörlich sich drehenden Räder. Eine ausführliche Beschreibung einer Mühle von neuester Construction geben wir hier nicht, weil uns dies zu sehr von unserem Hauptgegenstande ablenken würde. Nur das Vorzüglichste mag kurz hervorgehoben werden.

Auch in den neuesten Mühlen wird das Getreide zwischen zwei, sich mit ihrer rauhen Oberfläche gegeneinander drehenden Mühlsteinen gemahlen; doch geschieht das Zerquetschen oder Schroten in manchen Mühlen mittelst gegen einander laufenden Walzen, zwischen welchen man die Getreidekörner durchtreten läßt. Ist das Getreide durch einmaliges Behandeln zwischen den Mühlsteinen oder Walzen geschroten, so wird es mit Hülfe des Luftzuges kräftiger Ventilatoren enthülst, indem hierbei die leichte Kleie von dem schwereren Griese weggeblasen wird. Der enthülste Gries fällt hierauf wieder von Neuem zwischen zwei Mühlsteine und wird von diesen in Mehl verwandelt. Das gebildete Mehl wird von eigenthümlichen Taschenapparaten (kleinen an einem um Rollen sich drehenden Bande ohne Ende befestigten Täschchen von Blech), sogenannten Elevatoren aufgenommen, in ein oberes Stockwerk gehoben und in das höher stehende Ende eines hohlen, etwas nach abwärts geneigten, sich drehenden Cylinders von Seidengaze ausgeschüttet. Während der ersten Umdrehung des Cylinders fällt zunächst das feinste Mehl durch die Poren der Gaze in einen Kanal, an dessen Ende es von einem Sacke aufgenommen wird. Zugleich rutscht das im Cylinder gebliebene Mehl weiter nach abwärts, und bei einer neuen Umdrehung geht wieder ein Theil desselben, der aber gröber ist, durch, fällt in einen zweiten Kanal, und von diesem in einen zweiten Sack. Das Mehl im Cylinder rutscht wieder weiter; es geht noch gröberes Mehl durch, welches durch einen dritten Kanal in einem dritten Sacke aufgefangen wird etc. Hat sich ein Sack gefüllt, so wird er zugebunden und ein neuer leerer an dem Kanale befestigt. Das Mehl aber, welches zu grob war, um durch die Poren der Gaze dringen zu können, fällt wieder aus dem niedriger liegenden anderen Ende des Cylinders durch einen Kanal zwischen zwei Mühlsteine, um von diesen feiner gemahlen zu werden. Wenige Menschen reichen hin, um dieses schöne Werk zu reguliren.

Das Mahlen der Getreidekörner hat den Zweck, die Masse des Kornes fein zu vertheilen und die unverdauliche, aus Holzsubstanz bestehende äußerste Umhüllung der Körner, die Kleie, zu entfernen. Diese Aufgabe wird von den Kunstmühlen neuester Konstruktion in überraschender Weise gelöst, obschon noch einige Verbesserungen in mehrfacher Hinsicht wünschenswerth sind. Um nämlich den Werth eines Mehles beurtheilen zu können, müssen wir auf die Hauptbestandtheile des Getreides und auf die Art und Weise, wie diese in dem Getreidekorne abgelagert sind, Rücksicht nehmen. Wir finden dann, daß das sogenannte feinste Mehl, also das, was sich am feinsten anfühlt, nicht immer das nahrhafteste und zur Brotbereitung vorzüglichste ist, sondern daß das gröbere, welches später durch die Gaze des Cylinders fällt, ein nährenderes schmackhafteres Brot liefert. – Die Hauptbestandtheile des Getreides sind:

1.Stickstoffhaltige organische Verbindungen, sogenannte blutbildende Nahrungsmittel in einer Menge von 10-20 Procent. Diese sind in höchst complicirter Weise aus den sechs Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel und Phosphor (die beiden letzten nur in ganz geringer Menge) zusammengesetzt, können als Nahrungsmittel nicht entbehrt werden, da sie zur Bildung des Blutes dienen. Wir unterscheiden vorzüglich drei dieser Stoffe im Getreide, nämlich Pflanzeneiweiß oder Albumin, ist dem Eiweiße der Eier fast gleich und findet sich theils in einem in Wasser löslichen, theils in einem unlöslichen coagulirten Zustande; Pflanzenfibrin, ist dem Faserstoff des Fleisches ähnlich, in Wasser und Weingeist unauflöslich; und Pflanzenleim, ist dem Käsestoff der Milch ähnlich, in Wasser nicht, aber in Weingeist auflöslich. Pflanzenfibrin und Pflanzenleim bleiben gemeinschaftlich als sogenannter Kleber zurück, wenn das Getreidemehl, vorzüglich Weizenmehl, in ein leinenes Tuch gebunden und in diesem, unter reinem Wasser so lange ausgeknetet wird, bis keine weißen Körnchen (Stärkekügelchen) mehr durch die Poren des Tuches dringen. Der im Tuche zurückgebliebene Kleber ist eine sehr zähe, elastische, stark anklebende Masse; er behält das Wasser so stark zurück, daß er sich nur schwierig zu einer harten, durchscheinenden, hornartigen Masse, die im Wasser wieder aufquillt, trocknen läßt. Der Kleber ist die Ursache, daß das Getreidemehl beim Kneten mit Wasser einen zähen Teig bilden kann, daher kömmt es, daß das Mehl von Getreidearten, die nur wenig Kleber enthalten, wie z. B. das Reismehl, Maismehl, Hafermehl, keinen so guten Teig giebt, wie das Weizen- und Roggenmehl, die reicher an Kleber sind.

2. Stickstofffreie organische Verbindungen, sogenannte Respirationsmittel, in einer Menge von 70-80 Procent. Diese sind weniger complicirt aus den drei Elementen: Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusamenengesetzt, können als Nahrungsmittel [53] ebenfalls nicht entbehrt werden, dienen jedoch nicht zur Blutbereitung, sondern indem sie im Körper einer Art von Verbrennung unterliegen, zur Hervorbringung der Körperwärme. Wir können vier solche Stoffe im Getreide auffinden; nämlich Stärkemehl oder Amylum, ist der Hauptbestandtheil der Getreidekörner, indem es sich zu 60-70 Procent darin findet. Es erscheint in sehr kleinen, weißen; festen, kugelförmigen oder ovalen Körnchen, die in kaltem Wasser zu Boden sinken (Satzmehl), ohne sich darin aufzulösen; in heißem Wasser dagegen sehr stark aufquellen und damit den dicken Stärkekleister bilden; Gummi oder Dextrin, ist im Wasser sehr leicht auflöslich und findet sich nur zu 2-4 Procent in den Getreidekörnern; Holzsubstanz oder Cellulose, ist in Wasser völlig unlöslich, unverdaulich und bildet 5-7 Procent der Getreidekörner; und fettes Oel, gleicht dem Olivenöle; findet sich aber nur zu 1½-4 Procent; nur die Maiskörner enthalten 8-10 Procent fettige Bestandtheile, und unterscheiden sich durch ihren Fettreichthum von allen andern Getreidearten.

3. Mineralische Verbindungen, meistens Salze, sogenannte Aschenbestandtheile (da sie beim Verbrennen des Getreides als Asche zurückbleiben), in einer Menge von 1-4 Procent. Diese sind sämmtlich Substanzen, welche auch der thierische Körper zu seinem Bestehen, namentlich zur Bildung der Knochen braucht.

4. Wasser, ist in den Getreidekörnern zu 12-15 Procent enthalten; dasselbe entweicht selbst beim Erwärmen des Mehles nur theilweise; ist daher mit den verschiedenen Bestandtheilen desselben chemisch verbunden.

Diese Bestandtheile zusammen genügen; um den menschlichen Körper gesund und kräftig zu erhalten. Das Getreide nimmt somit unter den Nahrungsmitteln den ersten Rang mit ein.

Nicht weniger bemerkenswerth ist die Art und Weise, wie die eben genannten Stoffe im Getreidekorn abgelagert sind. Ein mikroskopischer Blick auf ein durchschnittenes Getreidekorn überzeugt uns von dem regelmäßigen Bau desselben. Wir bemerken sogleich, daß das Korn aus zwei Haupttheilen besteht; aus einem mehligen Kerne, der fast nur Stärkekügelchen enthält und aus der äußeren Hülle. Diese besteht nach Außen hin aus unverdaulicher Holzsubstanz, nach dem mehligen Kerne hin aus mit Kleber gefüllten Zellen. Der nahrhafteste Theil des Kornes, der Kleber, ist daher vorzüglich in einer besonderen Lage zwischen dem Mehlkerne und der äußern Hülle abgelagert, hängt aber sowohl mit dem Kerne als mit der Hülle innig zusammen. Wird das Getreide gemahlen, so bleibt ein Theil des Klebers an der Hülle sitzen, wird mit dieser als Kleie getrennt, und nur ein Theil vermischt sich mit dem Kerne zum nahrhaften Mehle. Dieser Verlust ist um so empfindlicher, da die Nahrhaftigkeit des Mehles, die Tauglichkeit desselben zur Brotbereitung, hauptsächlich von seinem Klebergehalte abhängt. Die Kleie geht für den Menschen verloren; denn nur in wenigen Gegenden wird sie mit dem Mehle zu Brot (Pumpernickel) gebacken; gewöhnlich als Viehfutter verwendet. So ausgezeichnet auch die Einrichtung der Kunstmühlen ist, so bleibt doch den Müllern noch die Aufgabe zur Lösung, die äußerste Hülle des Getreidekornes so rein abzutrennen, daß keine nährenden Theile mehr daran hängen bleiben. Das Verhältniß ist schon viel günstiger geworden; denn früher verlor man mit der Kleie ungefähr 30 Procent, jetzt verliert man noch etwa 9-15 Procent an nährenden Theilen; daher steht zu hoffen, daß die fortschreitende Zeit diesen Mangel gänzlich zu heben vermöge.

Die verschiedene Beschaffenheit des Mehles hängt also nicht allein von der Güte des Getreides, sondern namentlich auch von der beim Mahlen befolgten Methode ab. Das feinste Mehl ist zwar sehr weiß und weich, allein es enthält hauptsächlich nur Stärkekügelchen; das gröbere Mehl ist nicht so rein weiß, fühlt sich rauher an, ist aber gewöhnlich reicher an Kleber und daher nahrhafter, enthält auch etwas mehr von dem in dem Getreide enthaltenen Oel. Grauweiß wird das Mehl, wenn zugleich ein Theil der Kleie mit gemahlen wurde. Hat man das Getreide vor dem Mahlen mit Wasser befeuchtet, was früher allgemein geschah, so kann man zwar mit weicheren Mühlsteinen arbeiten, auch trennt sich die Kleie leichter ab, allein das Mehl erleidet schon während des Mahlens eine Veränderung, indem ein Theil des darin vorkommenden Gummi in Zucker übergeht und beim Aufbewahren wird es leicht klumpig, mulsterig und zuletzt unbrauchbar. Die trockenen Getreidekörner sind schwerer zerreiblich, erfordern härtere Mühlsteine, aber liefern ein sehr haltbares Mehl.

Natürlich hängt die Eigenthümlichkeit eines Mehles zunächst von der Getreideart ab, aus welcher es gewonnen wurde. Das Weizenmehl erhält man aus den Samen mehrerer Arten der Pflanzengattung Triticum (Triticum vulgare, gemeiner Weizen - Triticum turgidum, englischer Weizen - Triticum polonicum, polnischer Weizen - Triticum Spelta, Dinkel - Triticum monococcum, einkörniger Weizen etc.). Es ist durch seine weiße Farbe ausgezeichnet. Wird es in ein leinenes Tuch eingebunden und unter Wasser ausgeknetet, so läßt es eine bedeutende Menge eines sehr zähen; elastischen, an anderen Körpern fest anhaftenden Klebers in dem Tuche zurück. Verdorbenes Weizenmehl giebt bei gleicher Behandlung einen leicht zerreiblichen schleimigen oder wässerigen Kleber und ist daher leicht zu erkennen. – Das Roggen- oder Kornmehl wird aus den Samen der Kornfrucht, Secale cereale, erhalten. Es ist grau bis graubraun gefärbt, steht an nährendem Werthe dem Weizenmehle ziemlich gleich, hinterläßt aber beim Auskneten unter Wasser keinen so zähen Kleber, sondern läßt sich fast ganz durch die Poren eines Tuches drücken, was darauf zu beruhen scheint, daß es weniger Pflanzenfibrin enthält. Mit Wasser bildet es einen weniger zähen Teig als das Weizenmehl. – Das Gerstenmehl erhält man aus den Samen mehrerer Arten der Pflanzengattung Hordeum (Hordeum vulgare, gemeine Gerste – Hordeum distichum, zweizeilige Gerste – Hordeum hexastichon, sechszeilige Gerste). Es ist ziemlich weiß, enthält zwar eine nicht unbedeutende, doch zur Zeit noch nicht genauer ermittelte Menge von stickstoffhaltigen Bestandtheilen, welche sich aber mit den Stärkemehlkügelchen im Wasser zertheilen, sich daher nicht als Kleber abscheiden lassen. Es bildet mit Wasser keinen sehr zusammenhängenden Teig, kann daher für sich allein nicht zu richtigem Brote gebacken werden, wird aber in einigen Gegenden Deutschlands dem Roggenmehle beigemischt und verbacken. Die Hauptverwendung wird die Gerste stets in der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei finden; auch geben die enthülsten Gerstenkörner das unter dem Namen Gräupchen allbekannte, vortrefflihe Gemüse; dagegen ist die Benutzung des Gerstenmehles zur Brotbäckerei nicht zu empfehlen. – Das Hafermehl gewinnt man aus den Samen mehrerer Arten der Pflanzengattung Avena (Avena sativa, gemeiner Hafer – Avena orientalis, türkischer Hafer – Avena nuda, nackter Hafer etc.). Es ist gelblich weiß, sehr reich an stickftoffhaltigen blutbildenden Bestandtheilen (enthülster Hafer, die sogenannte Hafergrütze enthält gegen 18 Procent) und ziemlich reich an Fett. Mit Wasser bildet es aber keinen richtigen Teig, weil sein stickstoffhaltiger Körper sich nicht als Kleber ausscheiden läßt, sondern sich im Wasser größtentheils auflöst, und ähnliche Eigenschaften, wie der in der Milch enthaltene Käsestoff zeigt. Es kann daher für sich zu keinem schmackhaften Brote verbacken werden, wird jedoch in mehreren Ländern, z. B. in Schottland dem Roggen- und Weizenmehl beigemischt und verbacken. Der Hafer ist jedenfalls ein ausgezeichnetes Nahrungsmittel; nur ist es besser, ihn in anderer Form zu genießen, z. B, als Hafergrütze; denn das Haferbrot kann den an ein gutes Brot zu stellenden Anforderungen nicht entsprechen. – Das Maismehl oder Welschkorn erhält man aus den Samen des schönen schilfartigen Grases Zea Mays. Es ist gewöhnlich ziemlich grobkörnig, gelb, und giebt mit Wasser einen wenig zusammenhängenden Teig; eignet sich daher ebenfalls nicht zur Brotbäckerei. Es ist sehr nahrhaft; enthält viel stickftoffhaltige Bestandtheile und Fett, und wird besonders im südlichen Europa mit Wasser zu einem ziemlich festen Kuchen (Polenta) oder zu einem Brei gekocht genossen. – Das Reismehl wird aus den Samen der Oryza sativa erhalten. Es ist sehr schön weiß, enthält aber nur wenig stickstoffhaltige Bestandtheile, hat daher einen viel geringeren Nahrungswerth, bildet mit Wasser keinen rechten Teig, und kann daher, wenigstens für sich allein nicht zu Brot gebacken werden. Die Reiskörner werden am häufigsten im ungemahlenen Zustande mit Wasser, Fleischbrühe oder Milch gekocht, als Gemüse genossen.

Hieraus ergiebt sich, daß mit Vortheil nur das Weizenmehl und das Roggenmehl zum Brotbacken verwendet werden können, während die anderen Getreidearten besser auf andere Weise benutzt werden. Aus dem Weizenmehle erhält man das ausgezeichnet schön aussehende Weißbrot. Dasselbe hat im frischgebackenen [54] Zustande einen sehr angenehmen Geschmack, ist lecker und feucht, wird aber schon nach wenigen Tagenhart, trocken und fast geschmacklos; dennoch besticht sein schönes Aussehen so, daß es in vielen Ländern, besonders in England, Frankreich, Griechenland, zum Theil auch im südlichen Deutschland und der Schweiz, doch hier meist nur in den Städten, fast ausschließlich genossen wird. In der Schweiz wird sehr viel Weißbrot aus den sogenannten Dinkelkernen oder dem Spelz (Triticium Spelta) gebacken. Das Brot des ächten Weizens ist zwar schmackhafter, erfordert aber mehr Arbeit; während der Teig aus Dinkelmehl besser aufgeht und ein schöner aussehendes Brot giebt. – Aus dem Roggenmehle erhält man das dunkler aussehende sogenannte Schwarzbrot. Dieses besitzt aber, wenn es gut gebacken ist, einen angenehmeren, kräftigeren Geschmack, verbreitet ein anziehendes Brotaroma, ist locker und bleibt viel länger feucht und wohlschmeckend als das Weizenbrot. Es ist daher fast in ganz Deutschland und der Schweiz das Brot des Landmanns, der weniger häufig bäckt; im nördlichen Deutschland wird sogar fast nur Schwarzbrot genossen, und die Menschen, die von Jugend auf an den Genuß dieses Brotes gewöhnt sind, finden das Weißbrot fade schmeckend, und können sich nur schwer daran gewöhnen. Ueber Geschmacksempfindungen läßt sich nicht streiten.

Das Getreidemehl schmeckt bekanntlich im rohen Zustande weder angenehm, noch ist es leicht verdaulich; denn es ballt sich im Magen zu schweren Klumpen zusammen. Es muß daher erst auf irgend eine Weise zubereitet werden, damit es dem Gaumen behaglicher, dem Magen verdaulicher werde. Seine wichtigste und schon seit Jahrtausenden übliche Zubereitung ist nun unzweifelhaft: seine Verwandlung in Brot, die

Brotbäckerei.

Von diesem Gewerbe hängt das Wohl oder Wehe unzähligen Menschen fast ganz oder doch in hohem Grade ab. Man sollte daher glauben, daß ihm von allen Seiten die größte Beachtung zu Theil werde; denn wer wird nicht lieber ein reinlich bereitetes, wohlschmeckendes, leicht verdauliches und nahrhaftes Brot essen, anstatt eines solchen, welches gerade die entgegengesetzten Eigenschaften besitzt? Und doch befinden wir uns hier im Irrthum; denn kein einziges Gewerbe ist von den Fortschritten der Wissenschaft und Technik so unberührt geblieben, hat uralte Gebräuche so unverändert beibehalten, wie die Brotbäckerei. Selbst in den Städten, wo das Volk, empört über das schlechte und theuere Brot, die Bäcker plünderte und ihre Häuser zerstörte, blieb dennoch Alles beim Alten. Nur an wenigen Orten in Deutschland sind bis jetzt ernstliche Anstalten getroffen worden, um endlich zeitgemäße Verbesserungen in der Brotbäckerei einzuführen. Solche rühmlichst anzuerkennende Bestrebungen stehen aber leider nur sehr vereinzelt da; haben allerdings oft nicht einmal die genügende Beachtung des Publikums gefunden, sondern sind im Gegentheile von diesem mit einem gewissen Mißtrauen betrachtet worden, Es ist kaum glaublich, daß die meisten Backöfen der heutigen Zeit ganz genau so gebaut sind, wie die, welche man schon vor circa 2000 Jahren benutzte, und welche man z. B. beim Ausgraben von Pompeji gefunden hat, der berühmten Stadt, die im Jahre 79 nach Christi Geburt von einem Aschenregen des Vesuvs bedeckt wurde. Seit jener Zeit sind die Lebensverhältnisse ganz andere geworden. Getreide, Brennstoffe, Arbeitskräfte, sind sämmtlich im Werthe gestiegen. Damals wurde eine Vergeudung an Material oder Arbeitskräften, Zeit etc. nicht bemerkt, jetzt wird dieselbe zur drückenden Last. Damals wußte man das Brot nicht anders herzustellen, jetzt geben uns Wissenschaft und Technik zweckmäßigere Methoden und Einrichtungen an die Hand, um das unentbehrlichste Nahrungsmittel billiger und besser zu bereiten. Allein die Menschen verlassen sehr häufig ihre alt herkömmlichen Gebräuche nicht eher, als bis sie durch Roth und Elend dazu gezwungen werden. So weit scheint es auch hier kommen zu müssen. Viele Menschen sind schon jetzt gezwungen, dem Brotgenusse ganz oder theilweise zu entsagen, weil sie nicht im Stande sind, sich Brot zu kaufen, Es ist daher an der Zeit, das Gewerbe der Brotbäckerei aus seinem Schlendrian aufzurütteln und in demselben mögliche Veränderungen und Verbesserungen der allgemeinsten Berücksichtigung dringend zu empfehlen. Der Preis des Getreides selbst ist allerdings ein sehr hoher und bedingt theilweise den hohen Brotpreis; doch könnte trotzdem ein billigeres und ein besseres Brot hergestellt werden. Die hierbei einzuschlagenden Wege sind zweierlei; sie betreffen theils eine bessere technische Einrichtung der Bäckereien oder die Errichtung von Gemeindebäckereien, theils eine zweckmäßigere chemische Beratbeitung des Mehles zu Brot. Beide Wege mögen hier kurz in Erwägung gezogen werden.

[63] Die bessere technische Einrichtung der Bäckereien bezieht sich hauptsächlich auf den schon seit längerer Zeit angeregten Gedanken, in den Städten und Dörfern große sogenannte Gemeindebäckereien einzurichten. Dieser Gedanke ist sogar schon an mehreren Orten in Deutschland verwirklicht worden und hat sich. wie zu erwarten war, vollkommen bewährt. Die Gemeindebäckereien backen theils eigenes Brot, welches sie zum Verkaufe bringen, theils backen sie gegen eine geringe Entschädigung denen das Brot, die sich den Brotteig lieber eigenhändig kneten und vorbereiten. Hierdurch wird eine große Ersparniß von Brennmaterial erzielt; denn anstatt der vielen kleinen, braucht nur ein großes Backofen geheizt zu werden. Auch lehrt uns die Technik jetzt Backöfen bauen, welche nicht mehr auf die höchst verschwenderische Weise ausgewärmt werden müssen, daß man im Backofen selbst eine gewisse Menge Holz verbrennt, die Asche dann herausnimmt und hierauf die Brote einschiebt. Die Backöfen der neuen Construction haben, wie andere Oefen, die Feuerung für sich, besitzen daher den großen Vorzug, daß sie den ganzen Tag ohne Unterbrechung zum Backen benutzt werden können, während die alten Backöfen, wenn sie sich abgekühlt haben, durch neues Verbrennen [64] von Holz „im Backraum“ erst wieder ausgewärmt werden müssen. Auch können die Oefen von neuer Construction mit jedem beliebigen Brennmaterial, also auch mit Steinkohlen oder Braunkohlen geheizt werden. Solche Oefen lassen sich aber mit Vortheil nur für große Bäckereien einrichten; weil sie nur dann den Vortheil der Ersparniß geben, wenn sie anhaltend gebraucht werden. Die Errichtung von Gemeindebäckereien mit solchen Backöfen verdient daher eine allgemeine Beachtung.

Auch die zur Bäckerei nöthigen Arbeitskräfte suchte man zu sparen und wenigstens theilweise durch Maschinen zu ersetzen. Die mühsamste und schwierigste Arbeit für den Bäcker ist das Kneten des Teiges. Um hierbei die menschlichen Hände zu ersetzen, hat man verschiedene sogenannte Knetmaschinen construirt, von welchen die von Clayton die sinnreichste ist. Dieselbe besteht aus einer walzenförmigen, hohlen, eisernen Trommel und einem innern, aus gußeisernen, sich kreuzenden Messerklingen gebildetem Gitterwerk. Die äußere Trommel und das darin befindliche Gitterwerk sind - jedes für sich - drehbar, können auch gegeneinander gedreht werden. Hierdurch wird das in die Trommel gebrachte Mehl mit dem zugegossenen Wasser in kurzer Zeit in einen völlig gleichmäßigen Teig verwandelt. Die Anwendung von Knetmaschinen empfiehlt sich besonders wegen ihrer Reinlichkeit; denn nicht jede Bäckerstube sieht so rein aus, wie es sein sollte. Sieht man aber vollends den Bäckergesellen, dem das Kneten des Teiges anvertraut ist, am frühen Morgen sein mühsames Tagewerk beginnen und vollenden, so könnte man mitunter den Appetit nach Brot für längere Zeit vollkommen verlieren. Mit triefenden Augen, laufender Nase, ungewaschenen Armen stellt sich mancher Geselle vor den Backtrog. Er knetet den Teig mit seinen gewaltigen Fäusten, hebt ihn in die Höhe und wirft ihn wieder in den Trog zurück, um ihn gut zu verwirken. Bei dieser unnatürlichen Anstrengung rieselt ihm der Schweiß vom halb bloßen Körper herunter, und viele der salzigen Tropfen helfen mit zur Befeuchtung des Teiges. Das Nähere über diese jedenfalls unappetitliche, doch vor der Hand kaum zu umgehende Manipulation mögen sich die Leser selbst ausdenken. Eine Knetmaschine würde die menschlichen Hände entbehrlich machen; nur ist allerdings das Kneten des Teiges keine ganz mechanische Arbeit, indem die Bereitung eines guten Teiges von dem richtigen, allmäligen Zusatz von Wasser und manchen kleinen Handgriffen abhängt, die eine Maschine nicht zu verrichten vermag. Zur Zeit ist jedenfalls das Empfehlenswertheste, sich seinen Bedarf an Brot selbst so weit vorzubereiten, daß er nur vom Bäcker gebacken zu werden braucht. Man weiß dann eher zu beurtheilen, was für Brot man genießt, und bei kleineren Mengen von Brot ist das Kneten keine so mühsame Arbeit, kann im Hause überwacht und mit der größten Reinlichkeit vorgenommen werden.

Ebenso wünschenswerth, wie eine bessere technische Einrichtung der Bäckereien, ist ferner eine zweckimäßigere chemische Verarbeitung des Mehles zu Brot. Die Bedingungen, nach welchen aus einem guten Mehle ein in jeder Beziehung gutes Brot gewonnen werden kann, sind noch keiner genügenden Beachtung gewürdigt worden, und doch sind sie ganz einfach und für Jedermann verständlich.

Wenn man das Mehl nur mit Wasser zu Teig knetet und den Teig sogleich in den Backofen schiebt, so erhält man kein richtiges Brot, sonderu anstatt diesem einen festen, feuchten, schwer verdaulichen Klumpen. Das Brot ist durch seine lockere, schwammige Beschaffenheit, seine Porosität ganz besonders ausgezeichnet, und diese giebt man ihm dadurch, daß man den Teig vor dem Backen - wie man sich ausdrückt - „zum Gehen“ bringt. Das Aufgehen des Teiges wird durch verschiedene Mittel bewirkt. Gewöhnlich versetzt man den Teig mit Substanzen. welche in demselben eine sogenannte „Gährung“ hervorbringen, das heißt, welche so auf die im Teige mit Wasser befeuchteten Bestandtheile des Mehles einwirken, daß diese sich theilweise verändern und zersetzen. Namentlich wird das im Mehle enthaltene Stärkemehl bei der Gährung größtentheils in Gummi und Zucker verwandelt, und der gebildete Zucker weiter zu Weingeist und luftförmiger Kohlensäure (der Luft der schäumenden Getränke) zersetzt. Die hierbei in der ganzen Teigmasse entstehende Kohlensäureluft vermag aber einen guten zähen Teig nicht zu durchbrechen, sondern sie treibt nur die Theilchen desselben auseinander, bildet unendlich viele kleine Höhlungen und bleibt in diesen sitzen. Dadurch wird natürlich der Teig aufgebläht, „er geht auf.“ Ist der Teig zu dünn oder (bei schlechtem, verdorbenem Mehle) nicht zäh genug, so wird er von der sich entwickelnden Kohlensäure durchbrochen, geht nur für wenige Minuten auf und sinkt dann schnell wieder zusammen. Damit durch die Gährung der Zweck der Auflockerung erreicht werde, muß daher der Teig einen bedeutenden Grad von Zähigkeit besitzen, sonst erhält man ein zu festes schliffiges Brot.

Die Gährung des Brotteiges erfolgt schon freiwillig oder wird durch verschiedene anregend wirkende Stoffe, sogenannte „Fermente“ eingeleitet. Freiwillig erfolgt sie, wenn man den Brotteig einen oder mehrere Tage in der Wärme liegen läßt (auf diese Weise wird in Griechenland das dort gebräuchliche Weizen- und Gerstenbrot gebacken). Künstlich wird sie vorzüglich durch Hefe oder Sauerteig (das ist alter, in Gährung begriffener Teig) hervorgerufen, indem man des Abends ungefähr den dritten Theil des zu backenden Mehles mit Wasser und etwas von dem Fermente zu einem dünnen Brei anrührt, am frühen Morgen das übrige Mehl nebst dem noch übrigen Wasser entweder allmälig oder auf einmal dazu knetet, wieder (gewöhnlich zwei Stunden) stehen läßt und hierauf bäckt. In den meisten Ländern bewirkt man die künstliche Gährung und verwendet als Ferment für kleineres feineres Backwerk die Hefe (Bierhefe), für das eigentliche Brot den Sauerteig, welcher stets aus demselben Mehle wie das Brot bereitet wird. In der Schweiz benutzt man, besonders auf dem Lande, als Ferment das sogenannte Bäckerzeug oder Haab, das ist ein Hopfenabsud, in welchen Teig eingerührt wird. Es besitzt vor der Hefe und dem Sauerteig den Vorzug, daß es an einem kühlen Orte aufbewahrt, ziemlich lange (drei bis vier Wochen) gut bleibt, eignet sich daher ganz besonders zur Privatbäckerei, wo nur von Zeit zu Zeit gebacken wird.

Von der richtigen Leitung der Brotteiggährung hängen Beschaffenheit, Güte und Nahrungswerth des Brotes in hohem Grade ab. Aus ein und demselben Mehle läßt sich Brot von den verschiedensten Eigenschaften darstellen, je nachdem man die Gährung des Teiges vollständiger oder unvollständiger, schneller oder langsamer verlaufen läßt. Ein Teig, der zu wenig gegohren hat, giebt festes, klumpichtes, schwer verdauliches Brot, während ein zu lange in Gährung versetzter Teig zu Brot bäckt, was zwar sehr schön porös und schwammig erscheint, aber zäh und geschmacklos ist, rasch austrocknet (altbacken wird) und nur geringen Nahrungswerth hat. „Gutes Brot“ muß gleichmäßig feinporig sein, ein angenehmes Aroma besitzem, seine Feuchtigkeit und seinen Wohlgeschmack mehrere Wochen fast unverändert bewahren, leicht verdaulich und nahrhaft sein. Man irrt sich sehr, wenn man den Werth und die Güte eines Brotes nur nach seiner Porosität beurtheilen will; denn oftmals ist schön poriges Brot ganz sauer und schlecht.

Durch Hefe läßt sich die Gährung des Teiges weit besser leiten als durch den Sauerteig, da bei letzterem leicht ein Gährungsstadium eintritt, wobei sich die Bestandtheile des Mehles zu sehr verändern und sauer werden, was niemals stattfinden darf; dennoch giebt man dem Sauerteig beim Brotbacken wegen größerer Billigkeit den Vorzug vor der Hefe, benutzt ihn fast überall zu Weißbrot und Schwarzbrot. Die nachstehenden Bemerkungen beziehen sich daher nur auf das Backen mit Sauerteig.

Man kann sich leicht eine richtige Vorstellung von dem großen Einflusse der Teiggährung auf die Güte des Brotes machen, wenn man bedenkt, daß durch den Gährungsproceß, der in dem Teige mit Hülfe von Sauerteig eingeleitet wird, ein Hauptbestandtheil des Mehles, das Stärkemehl zunächst größtentheils verändert, in Gummi und Zucker übergeführt, und daß bei weiter fortschreitender Gährung der gebildete Zucker zu Kohlensäure und Weingeist zersetzt wird. Kohlensäure und Weingeist bedingen das Gehen des Teiges, entweichen beim Backen oder werden in den entstandenen Poren des Brotes zurückbehalten, sind jedoch in Bezug auf den Nahrungswerth eines Brotes ganz ohne Bedeutung. Um also ein poröses Brot zu gewinnen, opfern wir einen großen Theil des mit zur Ernährung dienenden Stärkemehls. Die Gährung (vielleicht wird sich später einmal Gelegenheit bieten, den Gährungsproceß genauer zu charakterisiren) ist eine Art von Verbrennungsproceß; sie verzehrt einen Theil der wesentlichsten Mehlbestandtheile, so daß diese für uns verloren gehen; sie muß daher in ihrer Wirkung sorgfältig geleitet und gezügelt werden, damit der Verlust an nährenden Stoffen nicht zu groß wird und damit sich keine Säuren bilden. Die Annahme, daß ein mittelst Sauerteig gebackenes Brot stets sauer schmecken müsse, ist ganz unrichtig. [65] Ein saurer Geschmack des Brotes ist im Gegentheil das sicherste Zeichen der zu weit getriebenen Gährung.

Vor einiger Zeit machte der Vorschlag des berühmten Freiherrn von Liebig: zum Brotteige Kalkwasser zu setzen, um die bei der Gährung entstehende Säure zu neutralisiren, in fast allen Blättern und Zeitschriften die Runde, und wurde mit wenigen Ausnahmen empfohlen. Allein dieser Vorschlag ist nicht nur unpraktisch, sondern ganz überflüssig. Unpraktisch ist er, weil die Bereitung so großer Mengen von klarem Kalkwasser für den Bäcker sowohl, wie für den Privatmann, so einfach sie erscheint, doch oft zu umständlich ist, und weil durch das Kalkwasser doch mitunter fremdartige schädliche Stoffe in das Brot gelangen könnten (es müßte denn ein „reiner Kalk mit besonderer Vorsicht und Reinlichkeit für die Bäcker gebrannt werden); denn jeden in den Handel kommenden Kalk kann man hierzu nicht gut empfehlen. Ueberflüssig ist der Liebig'sche Vorschlag, weil es ein sicheres Mittel giebt, um die Gährung des Teiges so zu mäßigen, daß keine oder nur Spuren von Säuren durch diese gebildet werden.

Das einfache Mittel, um eine zu lebhaft eintretende Gährung und in Folge dieser die zu große Zerstörung und Veränderung der Nahrungsstoffe zu verhüten, ist das gewöhnliche Salz.

Das Kochsalz dient nicht allein als Würze zum Brote. Wird es dem Teige in der richtigen Menge und auf die richtige Weise zugesetzt, so ist es der trefflichste Regulator der Gährung. Bis dahin hat man diesen Umstand völlig übersehen. In vielen Gegenden wird das Brot gar nicht gesalzen und schmeckt es dann schlecht, so schiebt man die Schuld auf das Mehl; oder man nimmt so wenig Salz, daß dasselbe die Gährung nicht zu hemmen vermag; oder - das geschieht gewöhnlich - man setzt das Salz erst nach der Gährung, beim Kneten des Teiges zu. Soll das Salz die zu heftige Gährung mäßigen, damit dem Brote mehr nährende Theile erhalten bleiben, so muß es dem Mehle schon Abends, zugleich mit dem Sauerteige in richtiger Menge beigemischt werden. Schon seit längerer Zeit habe ich die verschiedensten Versuche angestellt, um das günstigste Verhältniß zu ermitteln, und ich bin jetzt im Stande, ein Roggenbrot von ganz vorzüglicher Güte, leichter Verdaulichkeit und möglichst großer Nahrhaftigkeit so vorzubereiten, daß es nur vom Bäcker gebacken zu werden braucht. Dieses Brot wird bei genauer Befolgung der Vorschrift, die ich nun mittheilen werde, immer von gleicher Beschaffenheit erhalten; es läßt sich eben so gut und sicher im Kleinen aus wenigen Pfunden, wie im Großen aus Sheffeln von Mehl bereiten; es besitzt einen lieblichen Brotgeruch, keinen sauren, sondern einen erfrischend etwas salzigen Geschmack, der den an saures Brot Gewöhnten anfangs etwas auffällt, an den sich aber Gaumen und Magen bald sehr gern gewöhnen; es läßt sich leicht brechen und krümeln und hält sich 2-3 Wochen je nah der Größe der Brote so frisch, daß es von neu gebackenem Brote kaum zu unterscheiden ist. Dasselbe Mehl, welches mit Hülfe von Salz ein so vorzügliches Brot liefert, giebt ohne Salz gebacken ein zähes. geschmackloses, schnell altbacken werdendes Brot, welches sich nicht brechen läßt, sondern förmlich zerrissen werden muß. Das mit Salz gebackene Brot ist sehr feinporig und entspricht allen an „gutes Brot“ zu stellenden Anforderungen. Die zu seiner Bereitung ermittelte Vorschrift ist folgende:

Von je 55 Pfund (½ Scheffel) Roggenmehl wird des Abends ziemlich genau der dritte Theil, also 181/3 Pfund in dem Backtroge mit 1 Pfund und 20 Loth Sauerteig, 1 Pfund Salz und 10 Kannen (circa 20-22 Pfund) Wasser von 28-30° des 80theiligen Thermometers von Reaumür (oder 35-38° des 100theiligen Thermometers von Celsius) so vermischt, daß man den Sauerteig und das Salz in die Mitte des in dem Troge befindlichen Mehles legt und nun die 10 Kannen des warmen Wassers allmälig unter Umrühren zusetzt. Es entsteht ein dünner Teig, den man mit etwas Mehl bestreut und nun in dem bedeckten Troge wie gewöhnlich an einem warmen Orte bis zum frühen Morgen stehen läßt. Des Morgens ist der Teig ftark aufgegangen und bedeutend zäher, indem das zugesetzte Wasser gleichsam in cemische Verbindung mit den Mehlbestandtheilen getreten ist. Man macht nun in die Mitte des Teiges eine Vertiefung, bringt in diese noch ein Pfund Salz, setzt hierauf 4 Kannen (8-9 Pfund) Wasser von 60° Reaumür (75° Celsius) unter Umrühren hinzu und knetet in die dünne Masse allmälig das übrige, also die 362/3 Pfund Mehl (das Mehl muß auch in einem erwärmten Raume gestanden haben) ein. Nach zweistündigem Stehen des gut durchkneteten Teiges formt man denselben zu den Broten, schiebt diese in den geheizten Backofen, welcher eine Temperatur von 160-200° R. (200-250° C.) haben muß, ein und läßt sie darin, bis sie eine schöne dunkelbraune Rinde bekommen. Aus den 55 Pfund Mehl erhält man auf diese Weise 70-72 Pfund Brot. Im Ganzen ist das Verhältniß:

110 Gewichtstheile Mehl,
56-60 Wasser,
4 Salz,
3 Sauerteig,

Die eine Hälfte des Salzes wird stets Abends mit dem Sauerteig, die andere Hälfte erst früh zugesetzt. Dieses Verhältniß bleibt für größere oder kleinere Quantitäten von Mehl ganz dasselbe. So nimmt man z. B. von einer Metze (6 Pfund 28 Loth) Mehl Abends zum Einsäuern 2 Pfund und 9 Loth, versetzt diese mit 4 Loth Salz, 6½ Loth Sauerteig und 1¼ Kanne (2¾ Pfd.) Wasser von 28° R., läßt bis zum Morgen gähren, setzt wieder 4 Loth Salz und noch ½ Kanne (ein reichliches Pfund) Wasser von 60° R. zu, knetet die übrigen 4 Pfund 19 Loth Mehl hinein, bäckt nach 2 Stunden und erhält 85/8-83/4 Pfund Brot. -

Das auf diese Weise bereitete Brot besitzt entschiedene Vortheile. Es enthält in 100 Theilen nur 40 Theile Wasser, läßt sich in Wasser schnell und leicht zertheilen, löst sich in demselben zum Theil auf, und bildet eine angenehm weinig schmeckende Flüssigkeit. Das ohne Salz gebackene Brot enthält in 100 Theilen 42-45 und mehr Theile Wasser, ballt sich, obgleich es poröser erscheint, erst zusammen, wenn man es in Wasser legt, und zertheilt sich nur schwierig, enthält weniger in Wasser lösliche Theile und giebt eine säuerlich fade schmeckende Flüssigkeit.

Was die Aufbewahrung des Brotes betrifft, so sind dumpfige feuchte Keller hierzu nicht geeignet, da in solchen das Brot verdirbt und schimmlig wird. Am besten sind kühle luftige Orte, wobei man das Brot nicht auf die flache, sondern auf die bauchige Seite legt, damit es an möglichst vielen Stellen mit der Luft in Berührung kommt. Die Ansicht, daß das Brot durch Wasser oder Feuhtigkeitsverlust trocken werde, und daß man es deshalb an feuchten Orten aufbewahren müsse, ist ganz unrichtig. Das Brot enthält nach zweiwöchentlichem Liegen an luftigen Orten noch fast genau so viel Wasser, wie im frischen Zustande; denn es giebt sein Wasser schwer und erst bei höherer Wärme ab, und auch die äußere feste Kruste wirkt hier als schützende Decke. Das Altbackenwerden des Brotes beruht auf einer geringen Veränderung seiner Bestandtheile, wahrscheinlih auf dem Uebergange derselben in einen dichteren Zustand; doch geht diese Veränderung beim Weißbrot viel schneller als beim Schwarzbrot von Statten, kann aber durch eine genügende Menge von Salz sehr verzögert werden.

Um bei in Angriff genommenem Brote das Trocken- und Hartwerden der Schnittfläche zu verhindern, sind gut schließende Kapseln von Weißblech, sogenannte „Brotbüchsen“ sehr zu empfehlen. Dieselben können von jedem Klempner in jeder beliebigen Form und Größe verfertigt werden, und gewähren den Vortheil, daß sie das Brot auch vor dem besonders in Zimmern sich setzenden Staube und anderen Unreinigkeiten schützen. Die Brotkapseln müssen aber von Zeit zu Zeit sorgfältig ausgewischt und gereinigt werden, sonst überzieht sich ihre innere Wandung mit Schimmelpflanzen; auch darf das Brot nicht mehrere Tage in denselben liegen bleiben, ohne daß die Kapsel geöffnet wird, da es sonst in einen dumpfigen moderigen Zustand übergeht.

Schließlich noh einige Bemerkungen über Verfälschung des Brotes: Bei einem so allgemein wichtigen Nahrungsniittel, wie das Brot namentlich auch für die ärmeren Klassen der Bevölkerung ist, sollte es sich Jeder, der die Materialien dazu liefert oder sich mit dessen Bereitung beschäftigt, zur ersten Pflcht machen, jeder Verfälschung zu entsagen, um dadurch namentlich seine ärmeren Mitmenschen nicht durch schändlihen Betrug um einen Theil der Nahrung oder selbst um die Gesundheit zu bringen. Menschen, welche im Stande sind, solche unentbehrlihe Nahrungsmittel mit Absicht zu verfälschen, um sich schnell zu bereichern, gehören jedenfalls zu den erbärmlichsten Geschöpfen, welche der Erdboden trägt. Trotzdem mögen theils in der Mühle, theils beim Bäcker oftmals die verschiedenartigsten Verfälschungen und Vermischungen vorgenommen werden. Namentlich werden die feineren, theurern Mehlsorten mit weniger werthvollen vermischt und als „bestes Mehl“ [66] verkauft. Gutes Mehl wird mit mulsterig gewordenem versetzt, oder es werden verschiedene Mehlsorten, Kartoffelstärke etc. untereinander gemischt und als reines Mehl verkauft. Alle diese Betrügereien lassen sich nur schwer, am besten noch mit Hülfe des Mikroskopes erkennen. Dagegen kommen auch gröbere Fälschungen vor, indem dem Mehle mineralische weiße Körper, besonders Kreide, Gyps, Schwerspath, weißgebrannte Knochen zugesetzt werden, was leicht daran erkannt wird, daß solches Mehl beim Verbrennen sehr viel Asche zurückläßt (gutes Mehl läßt beim Einäschern nur 1-11/2 Procent Asche zurück). Die Bäcker richten ihr Augenmerk vorzüglich auf gut aussehendes und in’s Gewicht fallendes Brot, sowie auch auf große Ausbeute. Auch sie sollen oft das Mehl noch mit Kartoffelstärke, Bohnenmehl und andern geringeren Sorten von Mehl vermischen; dem Teige setzen sie (besonders in England und Holland) Alaun, Kupfervitriol und andere giftige Körper zu, welche dem Brote ein schönes Aussehen geben und bewirken, daß der Teig mehr Wasser aufnimmt, und solches auch beim Backen zurückbehält. Jede Verfälschung oder Vermischung, auch die der Gesundheit nicht gerade nachtheilige, ist aber verwerflich, da das so erhaltene Brot dann oftmals den Namen „Brot“ nicht mehr verdient. Namentlich wäre es besser, Bohnen und Erbsen nur als Gemüse, nicht aber zum Brote zu verwenden; doch mögen hierüber diese Andeutungen genügen.

Mitunter wird das Getreide auch durch natürliche Beimengungen vergiftet. Besonders bekannt ist in dieser Beziehung das Mutterkorn, ein in seiner Entwickelung begriffener Pilz, welcher in der Aehre anstatt des Samens entsteht, und in einem gewissen Stadium seiner Entwickelung, besonders wenn er älter wird, sehr giftige Wirkungen äußert. Ein Brot, das aus Mehl gebacken wird, in welchem mit dem Getreide viel Mutterkorn gemahlen wurde, ist fleckig, dunkler, speckig und bewirkt bei länger fortgesetztem Genusse die oft tödtlich endigende Kriebelkrankheit, welche sich durch große Mattigkeit, Unlust zur Arbeit, Taubheit, Kriebeln an Händen und Füßen bemerkbar macht. Hierauf folgen heftige Krämpfe an Händen und Füßen, Hitze, Schwindel, Verlust der Geisteskräfte, furchtbare Convulsionen, Stumpfsinn und Tod. Die Kriebelkrankheit tritt hin und wieder in Gegenden epidemisch auf, und fordert viele Opfer. - Auch der Taumellolch (Lolium temulentum), ein Gras, welches als Unkraut unter dem Getreide wächst, und dessen Samen sehr giftig wirken, kann die Vergiftung von Brot herbeiführen. Diesen Verhältnissen hat vorzüglich der Landmann die größte Beachtung zu schenken, und von ihm muß verlangt werden, daß er dafür besorgt sei, daß sein Getreide keine solchen gefährlichen Zugaben enthalte.

Sollten vorstehende Mittheilungen über das Brot dazu beitragen, daß den zur Brotbereitung dienenden Stoffen, sowie der Brotbäckerei selbst, eine entsprechende, allseitige Beachtung geschenkt würde, so wäre der Wunsch und das Streben des Verfassers erreicht. -