Von der alten Mordgrube

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Textdaten
Autor: Johannes Bocer
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Titel: Von der alten Mordgrube
Untertitel:
aus: Geschichte Freibergs und seines Bergbaues, Erste Abtheilung. S. 32-34
Herausgeber: Gustav Eduard Benseler
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Engelhardt
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Erscheinungsort: Freiberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Fribergum in Misnia. Leipzig 1553 VD16 B 5982 ULB Halle
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung: Übersetzung des Tanzfrevel-Exempels
Siehe Die Mordgrube zu Freiberg
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[32]
Zunächst beginn ich nun von jenem Fall zu singen,

     Der dieser Stadt zuerst das herbste Leid gebracht,
Wo in die Tiefen ihr das Unheil sollte dringen,
     Das ihre Gänge selbst, wer glaubt es? taub gemacht.

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Bis hundert Jahre kaum[1] war Freibergs Flor gediehen,

     Wo mancher reiche Gang ihm seine Gaben bot,
Als über’s Haupt ihm hin die Unglückssterne ziehen,
     Und der noch sichern Flur ein harter Unfall droht.
Rings um die Mauern beut manch freundliche Taberne

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     Der Schaar des Bergvolks sich zum kühlen Trunke dar,

An Ceres Gaben[2] labt sich hier der Bergmann gerne,
     Vergißt in seltner Lust, was je ihm drückend war.
So strömt am Tag der Ruh, vielleicht an einem Feste,
     Ein Theil auch einst dahin, da bietet sich dem Blick

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Ein schrecklich Schauspiel dar. Es trifft die armen Gäste,

     Wem bebte nicht das Herz? ein unerhört Geschick.
Zu frohem Tanze war nach Brauch die Schaar vereinet,
     Nicht ahnend, was der Zorn der Gottheit ihr ersann,
Als einem Kranken schnell die Todesstund’ erscheinet,

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     Und schon der Faden schwand, den ihm die Parze spann.

Denn hinter deiner Lust, da lauern oft die Schmerzen,

[33]
     O Mensch, im Hinterhalt, du suchst die Freuden auf

Und überläßt dich laut dem Lachen und dem Scherzen,
     Und unerwartet folgt Tod oder Kummer drauf.

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Hier holten nun sofort, daß er die Beichte höre,

     Wie’s fromme Sitte heischt, den Priester sie herbei,
Daß Absolution dem Sünder er gewähre,
     Und mit der Hoffnung auf den Himmel ihn erfreu.
Der Priester kommt und ernst trägt man zur Trauerschwelle,

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     Wo bang der Kranke stöhnt, den Leib des Herrn voran.

Doch Jene tanzen noch an unheilvoller Stelle,
     Still sehen Andre zu, auf grünem Wiesenplan.
Ob ihnen Gottes Zorn den Sinn zum Stolz gelenket,
     Ob’s eigner Leichtsinn that, nur auf den Tanz erpicht,

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Hat man o Heiland! dir, die Ehrfurcht nicht geschenket,

     Die deinem Leib gebührt, man beugt die Kniee nicht
In frommer Demuth dir. Nur der zum heitern Spiele
     Die hellen Saiten rührt, erwählt das bessre Theil,
Er beugt das Knie und folgt der Ehrfurcht Pflichtgefühle

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     Vor deinem Sacrament zu seiner Seelen Heil.

Kaum schritt der Priester fort nebst dem Gefolg. O Wunder!
     Da öffnet plötzlich sich in jähem Spalt das Land,
Und zieht die Jungfraun all’ und Knappen mit hinunter,
     Und wer den Tanz zu schaun noch auf der Wiese stand.

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Doch dessen Hand gerührt der Zitter helle Saiten,

     Er steht allein noch da auf schroffem Felsenstück,
Vor Schrecken starr, um nicht in Schlund hinabzugleiten,
     Bis man an Seilen ihn zieht an das Land zurück.
Und alsbald folgt der Fels den andern nach zum Schlunde.

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     Und wunderbar! wie weit man auch zur Tiefe drang,

Die Todten, die da barg die Erd’ im kühlen Grunde,
     Sie schaut kein Auge je, seit sie die Nacht verschlang.
Daß du der Gottheit nie die Ehrfurcht sollst versagen,
     Das lehrt o Sterblicher! dir dieser Schreckensort,

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Der heute noch vom Mord den Namen pflegt zu tragen,

     Und das Gedächtniß so bewahret fort und fort.
Für ein Jahrhundert nun versiegt nach diesem Falle,
     Er, der so reich einst floß, der Berge Silberborn,

[34]
Er bringt nicht mehr, wie sonst, die Fülle der Metalle,
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     Und ohne Schuld büßt so für fremd Vergehn den Zorn

Des Himmels diese Stadt. Beraubt der reichen Früchte
     Des Bergbaus trifft sie da zuerst das schlimme Loos,
Daß alle ihre Mühn die Gottheit macht zu nichte,
     Und Schmutz die Gänge füllt in ihrer Berge Schooß.


  1. Moller nimmt abweichend hiervon das Jahr 1350 an.
  2. Ceres, Göttin des Getreidebau’s, also auch der Gerste; Gaben der Ceres, bezeichnen demnach Bier.