Page:Schlick - Gesammelte Aufsätze (1926 - 1936), 1938.djvu/43

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sinnlos. Diese bloß formale Beziehung der Zuordnung der gegebenen Erlebnisse zu nicht gegebenen (transzendenten) Gegenständen, die stets angenommen werden muß, um von den letzteren Gegenständen überhaupt reden zu können, genügt aber, um auch sie restlos erkennbar zu machen. Denn wenn irgendwelche Gegenstände der Welt der Erlebnisse eindeutig zugeordnet sind, so ist jede Aussage über die letzteren, da sie ja nur die formalen Beziehungen trifft, zugleich eine Aussage über die ersteren. Die formalen Relationen der „transzendenten“ Gegenstände nämlich sind durch jene Zuordnungen ja vollkommen mitbestimmt. Die „Dinge an sich“ sind also in genau demselben Sinne und Maße erkennbar wie die „Erscheinungen“, diese sind der Wissenschaft nicht um ein Haar besser zugänglich als jene. Freilich sind nur die immanenten Gegenstände kennbar (= erlebbar), die transzendenten nicht — aber dieser Unterschied ist für die Erkenntnis weder interessant noch faßbar. Kant kam zu seiner Lehre der Unerkennbarkeit der Dinge durch eine Verwechslung von Kennen und Erkennen[1] . . . Klar findet man die hier gewonnene Einsicht formuliert bei B. Russell[2]: „Jeder Satz, der einen mitteilbaren Sinn hat, muß von beiden Welten gelten oder von keiner: der einzige Unterschied muß in jenem Wesen des Individuellen liegen, das nicht durch Worte wiedergegeben werden kann und der Beschreibung spottet, und das eben aus diesem Grunde fur die Wissenschaft irrelevant ist.“

Nach dem Vorhergehenden ist kein Zweifel, daB echte Erkenntnis der transzendenten Welt sehr wohl möglich ist und von jedem zugegeben werden muß, der nicht überhaupt auf dem Standpunkt des Instantan-Solipsismus steht und es daher überhaupt ablehnt, von transzendenten Dingen zu sprechen. (Wir erinnern noch einmal daran, daß es gleichgültig ist, ob man unter diesen Dingen bloße logische Konstruktionen oder selbständige Wirklichkeiten versteht, denn zwischen beiden Auffassungen ist kein angebbarer Unterschied.) Definiert man also, wie es gewöhnlich geschieht, die Metaphysik als die Wissenschaft vom Transzendenten, so ist sie nicht bloß möglich, sondern die allerleichteste Sache von der Welt. Dann wäre jede Wissenschaft Metaphysik und jedes Kind machte fortwährend metaphysische Aussagen. Denn alle Sätze, die wir

  1. Vgl. auch meine „Allgemeine Erkenntnislehre“, § 27 der 2. Auflage.
  2. B. Russell, ,, Introduction to Mathematical Philosophy". S. 61.