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Thirty-Five Years of Luther Research

blick, sowie sie kommen, in der lebendigen Rede mitgenommen, schliesslich ist die urspruenglich begonnene Form des Satzes darueber vergessen, und es entsteht, bei Luther nicht selten, das Anakoluth. Anderwaerts begegnen wir bei ihm wieder Satzschachtelungen. Sie erwachsen aus derselben Wurzel. Auch sie beruhen wesentlich darauf, dass der Redende all die Gesichtspunkte, die gleichzeitig in Betracht kommen, auch gleichzeitig und mit eins seinen Hoerern zu Gehoer bringen will, ohne dass er sich, wie der Schreibende das kann und soll, die Zeit goennt, zu sehen, ob nicht das Gleiche durch eine kunstvollere Anordnung und Verteilung auch erreicht wird. Hier von dem Einfluss der Kanzleisprache zu reden, wie man das tut, ist verkehrt, es heisst Luthers Stil, der aus der lebendigen Rede erwachsen ist, missverstehen.

Endlich ist auch die oft freie Wortfolge, das Weglassen der Hilfszeitwoerter "sein" und "haben," der pronominalen Subjekte, wo sie leicht aus dem Zusammenhang sich ergeben, das einmalige Setzen des Artikels bei Verbindungen von Woertern verschiedenen Geschlechtes und sogar verschiedenen Nummerus, das einmalige Setzen des "zu" vor Verbindungen mehrerer Infinitive, die haeufige Silbenkuerzung durch Apokope und Synkope, wie endlich auch die Vorliebe zu alliterierenden und reimenden Gleichklaengen, alles dieses ist aus der lebendigen Rede zu erklaeren, wie es denn im Volksliede gang und gaebe ist und noch bei Goethe, "dem Knecht Luthers" wie ihn der Staatsrat v. Merian genannt hat, vielfach begegnet.

Wie Luther ein geborener Redner war, so ist er ein Redner auch da, wo er schreibt, in jedem Satz, in jedem Wort. Laut gesprochen wollen seine Worte sein, nicht stumm gelesen, wenn man den Zauber dieser Sprache und Darstellung, das frische Leben, den rednerischen Akzent, Satzbau, Ton und Fall seiner Saetze und Perioden an sich erfahren und verstehen will. Dann wird auch der Reiz seiner Schriften, der bisher noch nicht erwaehnt ist, dass aus jeden Luther'schen Schrift die Persoenlichkeit des Mannes, bald diese bald jene Seite mehr beleuchtet, zutage tritt, zu wirkungsvoller Geltung kommen. Noch mag hier eine Aeusserung des Kurfuersten von Sachsen Johann Friedrich ueber Luthers Schriften einen Platz finden, die Aurifaber in der Vorrede zu der Eisleben'schen Sammlung